Hamburg. HSV-Präsident sorgt mit einem Papier zur Zukunft des Vereins für Unruhe in den Gremien. Die Hintergründe.

Vor fünf Wochen hatte der HSV etwas Großes zu feiern. Der Traditionsverein knackte die Marke von 100.000 Mitgliedern. Zu diesem Anlass kam das Präsidium des HSV e.V. um Marcell Jansen und seinen Stellvertretern Michael Papenfuß und Bernd Wehmeyer mit dem Vorstand der HSV AG um Jonas Boldt und Eric Huwer vor dem beleuchteten Fernsehturm zusammen. Die Verantwortlichen machten Fotos und tauschten sich in netter Atmosphäre vertraut miteinander aus.

Dabei war zu diesem Zeitpunkt bereits klar, dass das Vertrauen zwischen dem Präsidium und dem Vorstand erheblich gestört ist. Genauer gesagt zwischen Präsident Jansen und den Vorständen. Das ist nicht neu. Wenige Wochen später wird nun aber deutlich: Auch Jansens Stellvertreter Papenfuß, der Anfang des Jahres von Jansen den Vorsitz im Aufsichtsrat der HSV Fußball AG überahm, ist nach Abendblatt-Informationen mittlerweile von Jansen abgerückt. Damit ist der Präsident in nahezu allen Gremien des HSV weitestgehend isoliert.

Präsidiumssitzung als Auslöser der Unruhe

Hintergrund dieser Entwicklung ist eine Präsidiumssitzung vom 31. August. Jansen, Papenfuß und Wehmeyer kamen an diesem Tag auf der seit Wochen geplanten Zusammenkunft auf der Geschäftsstelle des e.V. zusammen. Nur wenige Stunden später waren Jansen und Papenfuß bei Hauptsponsor HanseMerkur eingeladen. Der Präsident hatte eine Woche vorher erfahren, dass die Versicherungsgruppe mit Anteilseigner Thomas Wüstefeld verhandelt, um dessen Anteile an der HSV Fußball AG zu kaufen und es positive Signale gebe. Eine Nachricht, die im Präsidium durchweg für Zustimmung sorgte. Die drei stimmten schließlich einstimmig für die HanseMerkur als neuen Gesellschafter des HSV.

Weniger Zustimmung erhielt allerdings ein unterschriftsreifes Papier, das Jansen seinen Präsidiumskollegen noch in der selben Sitzung vorlegte und das in den vergangenen Wochen für reichlich Unruhe in den Gremien des Vereins gesorgt hat. Wahlweise ist zu hören von einem Letter of intent, einem Thesenpapier oder einfach nur von einem Schriftstück mit Ideen für die Zukunft des HSV.

Anfang kommender Woche tagt der Aufsichtsrat des HSV

Das Abendblatt kennt die Inhalte des internen Papiers, das Jansen verfasst hat und mit in die Sitzung bei der HanseMerkur bringen wollte, um dem potenziellen neuen Gesellschafter bei Bedarf zu präsentieren, wie die gemeinsame Zukunft aussehen könnte. Konkret schrieb Jansen dabei unter anderem von einer neuen Vorstandsstruktur mit einem möglichen dritten Vorstand, einer veränderten Aufsichtsratskonstruktion, von der Besetzung des Beirats, verbesserten Governance-Strukturen und dem Plan, die Frauenabteilung möglichst schnell vom e.V. in die AG zu überführen.

Themen, die Jansen in seiner Funktion als HSV-Präsident und Mitglied des Aufsichtsrats bewegen. Warum aber wollte er diese Leitsätze so kurz vor dem Treffen mit der HanseMerkur in Form eines schnellen Präsidiumsbeschlusses verankern? Auf Abendblatt-Anfrage teilte Jansen mit: „Zu internen Vorgängen werde ich mich nicht äußern. Grundsätzlich arbeiten wir als HSV-Präsidium gemeinsam daran, die Zukunft des HSV im Sinne des Vereins bestmöglich zu gestalten. Und dazu gehört, dass wir uns permanent intensiv austauschen, Chancen erkennen und handeln.“

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Vorstand legt Aufsichtsrat die Zahlen vor

Anfang der kommenden Woche tagt der Aufsichtsrat und bekommt dabei den Abschluss des Geschäftsjahres 2022/23 vorgelegt. Schon jetzt ist klar, dass Finanzvorstand Huwer wieder ein positives Ergebnis präsentieren wird. Aber auch Jansen dürfte sich bei der Sitzung erklären müssen, was er mit seinem Schriftstück zur HSV-Zukunft bezwecken wollte.

Offenbar war es Jansens Intention, im Falle der Verkündung einer Einigung zwischen Wüstefeld und der HanseMerkur auf mögliche Fragen der Versicherungsgruppe vorbereitet zu sein und dem künftigen Anteilseigner konkrete Ideen über die HSV-Zukunft präsentieren zu können. Papenfuß soll sich allerdings nach kurzer Ansicht des Papiers entschieden haben, dieses nicht zu unterschreiben. Anschließend fuhren sie zusammen zum Mittagessen bei der HanseMerkur.

Im Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden Eberhard Sautter sowie Marketingvorstand Eric Bussert gab es schließlich die positive Nachricht, dass sich das Hamburger Unternehmen mit Wüstefeld geeinigt habe. Die HanseMerkur will nicht nur die 5,07 Prozent Anteile von Wüstefelds CaLeJo kaufen, sondern auch die weiteren 1,7 Prozent, die Wüstefeld von Klaus-Michael Kühne und dessen Kühne Holding noch vertragsgemäß übernehmen muss.

Ende November soll die Hauptversammlung stattfinden

In der Hauptversammlung des HSV, die Ende November stattfindet, soll dem Anteilsübertrag final zugestimmt werden. Etwaige Fragen zur HSV-Zukunft, auf die sich Jansen vorbereitet hatte, gab es während des Treffens mit den HanseMerkur-Vorständen nicht. Insofern hatte Jansens Leitplanken-Papier an diesem Tag letztlich keine Relevanz.

Innerhalb des HSV sprach sich der Vorgang aber schnell herum. In der Arbeitsgruppe Rechtsform, die aktuell die Abstimmung über eine Strukturveränderung der HSV AG in eine KGaA vorbereitet, soll Jansens Schriftstück für allgemeines Kopfschütteln gesorgt haben.

Das ohnehin schon gestörte Vertrauensverhältnis zwischen Jansen und dem Vorstand, insbesondere mit Boldt, dürfte sich zudem weiter verschlechtert haben. Dabei ist es kein Geheimnis, dass sich Jansen schon seit einiger Zeit einen dritten Vorstand sowie einen CEO wünscht, um Boldt (41) und Huwer (40) zu unterstützen. Diese Kritik hat er schon mehrfach in Aufsichtsratssitzungen kundgetan.

Zudem schlägt Jansen im Kontrollgremium seit zwei Jahren vor, neben Robert Glatzel einen weiteren Topstürmer zu verpflichten. Jansen definiert seine Rolle im Aufsichtsrat als Mahner und Warner. „Natürlich bringe ich definitiv auch mal eine andere Meinung und eine andere Haltung mit, die bei mir auch nicht so schnell umkippt. Die Reibereien und Unruhen gehören dazu“, sagte Jansen vor einer Woche im Hotelier.de-Podcast.

Jansen hat im Aufsichtsrat nur noch wenig Einfluss

Im siebenköpfigen Kontrollgremium ist der Einfluss von Jansen mittlerweile deutlich gesunken. Nachdem Jansen nach seiner Wiederwahl zum HSV-Präsidenten am 7. August 2021 etwa noch mit Markus Frömming, dem Interessenvertreter von Kühne, eng zusammenarbeitete und gemeinsam den Strategieausschuss des Aufsichtsrates bildete, ist das Verhältnis zwischen den beiden deutlich abgekühlt. Hintergrund ist zum einen der lange Krach um Ex-Aufsichtsrat und Interimsvorstand Wüstefeld, der sich mit Kühne nachträglich um den Kaufpreis der Anteile stritt.

Zum anderen stieß Jansens Versuch, die Aufsichtsräte Lena Schrum und Hans-Walter Peters im Aufsichtsrat unter anderem durch HanseMerkur-Vorstand Bussert zu ersetzen, vor einem Jahr auf Widerstand. Jansen sieht bei Schrum und Peters eine Nähe zu Investor Kühne, dessen Vorgehen rund um das 120-Millionen-Angebot bei Jansen wiederum für Unmut sorgte. Im Präsidium konnte sich Jansen mit seinem Wunsch aber nicht durchsetzen. Dabei spielten auch die Kleinaktionäre eine Rolle, die Jansen vor einem Jahr aufgrund seines Handelns das Vertrauen entzogen haben.

Verhältnis zwischen Jansen und Freese gestört

Gleiches gilt für den Supporters Club um den Vorsitzenden Sven Freese. Auch zwischen Freese und Jansen gibt es kein Vertrauensverhältnis mehr, nachdem sich Freese Anfang des Jahres mit dem Rechtsanwalt Till Hischemöller traf, der wiederum den Abwahlantrag gegen Jansen auf der Mitgliederversammlung gestellt hatte. Zudem kritisierte Freese auf der Veranstaltung das lange Festhalten des Präsidiums an Ex-Vorstand Wüstefeld. Freese hatte Jansen vor der Versammlung einen Rücktritt nahegelegt. Doch Jansen stellte sich dem Antrag, überstand die Wahl und denkt auch jetzt nicht daran, sein Amt niederzulegen.

Der Präsident will weiter für seine Themen kämpfen, für die er mit seiner Agenda „Vereint 2025“ vor zwei Jahren angetreten ist. Im Februar 2021 war er schon einmal von seinem Amt gemeinsam mit den damaligen Vizepräsidenten Moritz Schaefer und Thomas Schulz zurückgetreten, weil sich die drei über die Frage der Zukunft mit Kühne zerstritten hatten. Nun steht Jansen vor ähnlichen Problemen. Und vieles sieht aktuell danach aus, als ob er sich auf seinem Weg verrannt hat.