Hamburg. Der HSV knackt die Grenze von 100.000 Mitgliedern. Doch zwischen e. V. und der AG tun sich weiterhin Risse auf. Die Hintergründe.
Am Dienstagvormittag verkündeten der HSV e.V. und die HSV Fußball AG gemeinschaftlich eine erfreuliche Nachricht. „Wir sind 100.000“, lautete die Überschrift der Mitteilung sowohl auf der Homepage des Vereins als auch der AG. Erstmals in seiner Geschichte hat der HSV die Marke von 100.000 Mitgliedern geknackt. Alleine im vergangenen Jahr ist die Zahl um 10.000 neue Mitglieder gewachsen.
Ein Erfolg, den sich sowohl der Verein als auch die AG auf die Fahne schreiben können, schließlich kam alleine nach der verlorenen Relegation gegen den VfB Stuttgart im Juni eine vierstellige Zahl neuer Anmeldungen hinzu. Aber auch der Frauenfußball im HSV boomt. Viele neue Mitglieder unterstützen mit einem Extrabeitrag die im e.V. verankerte Abteilung der HSV-Frauen, die am Sonnabend um 14 Uhr ihr nächstes Heimspiel gegen den SV Meppen austragen.
HSV-Präsident Marcell Jansen lobt die HSV-Familie
Der HSV ist in Deutschland erst der sechste Verein, der die Marke von 100.000 Mitgliedern durchbricht und liegt jetzt hinter dem FC Bayern München (300.000), Schalke 04 (178.000), Borussia Dortmund (174.000), dem 1. FC Köln (135.000) und Eintracht Frankfurt (130.000). „Der Zusammenhalt innerhalb der HSV-Familie ist einzigartig und nicht selbstverständlich. Die neue Rekordmarke zeigt einmal mehr, wie besonders der HSV ist“, sagte Präsident Marcell Jansen in einer Mitteilung. „Wir sind sehr dankbar für diesen Rückhalt, der die Gemeinschaft unserer Mitglieder und Fans auszeichnet. Er unterstreicht zudem die Vielfalt, für die der HSV steht. Egal ob Mann oder Frau, ob jung oder alt, egal, woher du kommst – wir alle tragen gemeinsam die Raute im Herzen.“
Jansen präsentierte die Zahl am Montag auch den AG-Mitarbeitern. Fast gleichzeitig veröffentlichte die „Bild“ allerdings eine Meldung, die innerhalb des gesamten HSV die Frage aufwirft, ob es tatsächlich jedem um die Raute geht, oder ob am Ende doch Eigeninteressen verfolgt werden? „Kühne verkauft HSV-Anteile“, lautete die Überschrift. Inhaltlich geht es darum, dass Noch-Gesellschafter Thomas Wüstefeld 1,7 Prozent Anteile von der Kühne Holding übernimmt. Wüstefeld ließ sich mit dem Satz zitieren: „Wir sind im Prozess.“
Wüstefeld sorgt für neue Spekulationen
Es war eine Nachricht, die innerhalb des HSV auf vielen Ebenen für Verwunderung sorgte. Schließlich ist dieser weitere Anteilsübertrag eine feste Vereinbarung des 2021 geschlossenen Kaufvertrags zwischen der Kühne Holding und Wüstefelds CaLeJo GmbH gewesen. Wüstefeld hatte seinerzeit für rund 14 Millionen Euro 5,07 Prozent der Anteile von Kühne erworben, will diese nun aber an HSV-Hauptsponsor HanseMerkur verkaufen.
Merkwürdig: Während es von Wüstefelds Seite heißt, es habe neue Gespräche mit der Kühne Holding gegeben und man sei überrascht, dass Interesse an einem weiteren Verkauf bestand, entgegnet die Kühne-Seite, dass es keinen weiteren Kontakt mit Wüstefeld gab, da der Anteilsübertrag ohnehin beschlossene Sache gewesen sei.
Was diese Nachricht nun mit atmosphärischen Störungen zwischen dem e.V. und der AG zu tun hat? Auf den ersten Blick nicht viel. Wer sich bei den HSV-Verantwortlichen umhört, der merkt allerdings schnell, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem HSV-Präsidium und dem Vorstand der AG sowie Teilen der Gesellschafter massiv gestört ist. Hintergrund: Beim HSV wird spekuliert, dass Wüstefeld die 1,7 Prozent Anteile ebenfalls an die HanseMerkur verkaufen will.
Misstrauen gegenüber HanseMerkur
Schon vor vier Wochen hatte der bevorstehende Deal für Wirbel gesorgt, weil Präsident Marcell Jansen die AG-Führung nicht rechtzeitig über dieses Vorhaben informiert haben soll. Auch diese Nachricht hatte der Vorstand aus der „Bild“ erfahren. In der AG herrscht offenbar ein Misstrauen, was die HanseMerkur als Anteilseigner mit den HSV-Anteilen vorhat. Gerüchte, wonach die Versicherung für den Anteilskauf einen Platz im Aufsichtsrat gefordert haben soll, haben sich nach Abendblatt-Informationen nicht bestätigt.
Im Kern geht es neben dem anhaltenden Konflikt zwischen Jansen und Boldt, der vor zwei Jahren erstmals aufbrach, auch um den geplanten Rechtsformwandel der HSV AG in eine GmbH und Co. KGaA, den vor allem Klaus-Michael Kühne befürwortet. In der Arbeitsgruppe Rechtsform aus Mitgliedern aller HSV-Gremien nimmt neben Kühnes Interessenvertreter im Aufsichtsrat, Markus Frömming, regelmäßig auch Kühnes Chefjustiziar Marc Pfeffer teil.
Wüstefeld erwartet Urteil vor dem Landgericht
Was Wüstefeld, der sich mit Kühne wegen des ersten Anteilsverkaufs beinahe vor Gericht gestritten hätte, mit den 1,7 Prozent Anteilen plant, ist dagegen fraglich. Der Unternehmer, der am Donnerstag im Rahmen einer Klage gegen sein Unternehmen CaLeJo das nächste Urteil vor dem Landgericht erwartet und auch im dritten und vierten Verfahren verurteilt werden könnte, strebt bei der HSV Fußball AG eine zeitnahe außerordentliche Hauptversammlung an, damit der geplante Anteilsverkauf an die HanseMerkur auch formal vollzogen werden kann.
Wahrscheinlicher aber ist, dass dieser Vorgang erst auf der turnusmäßigen Hauptversammlung auf der Tagesordnung steht. Diese soll im Laufe des Novembers stattfinden. Dann dürfte das Präsidium um Jansen sowie seine Vizepräsidenten Michael Papenfuß und Bernd Wehmeyer aufgrund des HanseMerkur-Deals einige Nachfragen erwarten. Das Präsidium wiederum betont, dass der Vorgang allein eine Sache zwischen Wüstefeld und der HanseMerkur gewesen sei und man selbst nur seine grundsätzliche Zustimmung abgegeben habe.
Papenfuß muss unterschiedliche Interessen lenken
Papenfuß, der sich als Aufsichtsratsvorsitzender auch um die Kommunikation zwischen dem Präsidium und der AG kümmert, ist nun mehr denn je gefragt, die unterschiedlichen Interessen zwischen den Gesellschaftern und Vereinsverantwortlichen in eine Richtung zu lenken. Keine leichte Aufgabe angesichts der verschiedenen Fraktionen, die sich rund um den HSV gebildet haben.
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In dieser Woche soll aber zunächst einmal der gemeinschaftliche Erfolg der neuen Mitgliedermarke im Mittelpunkt stehen. Am Freitag, wenn der HSV im Volksparkstadion Tabellenführer Fortuna Düsseldorf empfängt, wird dann der 136. Geburtstag gefeiert. Nicht der AG oder des e.V., sondern des HSV.