Hamburg. Warum der Anteilsverkauf an den Hauptsponsor das Verhältnis zwischen der AG und dem e. V. wieder belastet.

Am vergangenen Donnerstag verschickte die HanseMerkur Versicherungsgruppe eine Pressemitteilung an einen ausgewählten Medienverteiler. Betreff: HanseMerkur erwirbt HSV-Beteiligung. „Die HanseMerkur Holding AG hat eine Beteiligung in Höhe von 5,07 Prozent an der HSV Fußball AG von der CaLeJo GmbH unter dem Vorbehalt, dass die Hauptversammlung der HSV Fußball AG der Übertragung der Anteile zustimmt, erworben“, heißt es in der Mitteilung.

Und weiter: „Der Hauptgesellschafter der HSV Fußball AG, der HSV e. V., hat seine Zustimmung bereits mit einem einstimmigen Präsidiumsbeschluss signalisiert. Über die Details der Transaktion sowie über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.“

HSV macht es wie der FC Bayern München

Es war eine Nachricht, die rund um den HSV wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Zum einen war damit klar, dass der umstrittene CaLeJo-Geschäftsführer Thomas Wüstefeld sein unglückliches Kapitel beim HSV endgültig beendet.

Zum anderen kann sich die HSV Fußball AG erstmals seit der Ausgliederung im Mai 2014 darüber freuen, ein Hamburger Traditionsunternehmen als Gesellschafter für sich gewinnen zu können. Schließlich war es das große Ziel der Strukturreform, strategische Partner nach dem Vorbild des FC Bayern München zu binden, der neben Audi und Adidas mit der Allianz SE ebenfalls einen Versicherungskonzern aus der eigenen Stadt als langfristigen Partner an seiner Seite hat.

AG irritiert über Kommunikation des Anteilsverkaufs

Doch innerhalb der HSV Fußball AG sorgte die Mitteilung des Anteilsverkaufs von Wüstefeld an die HanseMerkur nicht gerade für Begeisterung. Im Gegenteil. Wie das Abendblatt nach Gesprächen mit allen Parteien erfuhr, führte der Ablauf der Kommunikation zu erheblichen Irritationen und Verstimmungen. Weder der Vorstand noch der Aufsichtsrat noch die anderen Gesellschafter der AG sollen über den Deal zwischen Wüstefeld und der HanseMerkur rechtzeitig informiert worden sein. Die Frage ist aber auch: Wer war für die Kommunikation verantwortlich?

Es ist ein Vorgang mit einer Vorgeschichte. Im Mittelpunkt dieser Geschichte: Marcell Jansen. Der Präsident des HSV e. V. war es, der den Kontakt zur HanseMerkur in den vergangenen Monaten und Jahren gehalten hat. Insbesondere zum Marketingverantwortlichen Eric Bussert, einem von fünf Vorständen des Versicherungsunternehmens.

Zur Erinnerung: Auf Wunsch von Jansen sollte Bussert im Oktober des vergangenen Jahres einen Platz im Aufsichtsrat des HSV bekommen. Allerdings lehnte der Beirat des Vereins Bussert ab. Das Gremium, das für die Überprüfung von Aufsichtsratskandidaten verantwortlich ist, hatte Bedenken wegen eines möglichen Interessenkonflikts. Schließlich hätte die HanseMerkur, die den HSV seit der vergangenen Saison als Hauptsponsor unterstützt, als gleichzeitiges Aufsichtsratsmitglied Einblicke in Verträge und Verhandlungen mit potenziellen Konkurrenten bekommen.

Beirat des HSV musste bei HanseMerkur zum Rapport

Obwohl die HanseMerkur von diesem Vorgang irritiert und überrascht war und der Beirat vom Vorstandsvorsitzenden der HanseMerkur, Eberhard Sautter, zum Klärungsgespräch gebeten wurde, hat die Versicherung ihre Motivation nicht verloren, den HSV weiterhin zu unterstützen.

2018 hatte der HSV noch unter Bernd Hoffmann eine Exklusivpartnerschaft mit der HanseMerkur vereinbart, 2022 folgte der Vertrag als Hauptsponsor, nun wird das Unternehmen HSV-Gesellschafter. „Mit der Beteiligung an der HSV Fußball AG soll das bisherige Engagement ausgebaut und der HSV in seiner positiven Entwicklung weiter unterstützt werden“, heißt es in der Mitteilung.

HSV-Verantwortliche rätseln über Motivation von HanseMerkur

Innerhalb des HSV rätseln die Verantwortlichen allerdings über die Hintergründe der Motivation. Zudem wird über verschiedene Fragen spekuliert: Hat die HanseMerkur tatsächlich den gleichen Betrag von rund 15 Millionen Euro an Wüstefeld gezahlt, den dieser vor zwei Jahren an Klaus-Michael Kühne überwies? Stellt die HanseMerkur für das Investment Bedingungen in Form eines Sitzes im Aufsichtsrat? Und wurde für die Vermittlung des Kaufvertrags eine Provision gezahlt, so wie es beim Anteilsverkauf von Kühne an Wüstefeld der Fall war?

Diese Fragen sollen auch Marcell Jansen bei der in der vergangenen Woche kurzfristig einberufenen Präsidiumssitzung gestellt worden sein. Jansen, der zuerst über die Einigung zwischen Wüste­feld und der HanseMerkur informiert wurde, soll diese jeweils mit einem klaren Nein beantwortet haben. Jansens Vizepräsidenten Michael Papenfuß und Bernd Wehmeyer wurden erst kurzfristig über den geplanten Anteilsverkauf informiert. Es herrschte dann allerdings die einhellige Meinung, dass dieser Deal für den HSV ein Gewinn ist, der auch in der AG für keinerlei Einwände sorgen würde.

Verhältnis zwischen Boldt und Jansen noch immer belastet

Doch in dieser Einschätzung hat sich das Präsidium geirrt. Hintergrund ist das weiterhin angespannte Verhältnis zwischen dem HSV-Vorstand, insbesondere von Sportvorstand Jonas Boldt, und Präsident Jansen. Im Zuge des Aufstiegs von Wüstefeld vom HSV-Anteilseigner zum Vorstand, bei dem Jansen eine tragende Rolle gespielt hatte, wuchs zwischen dem e. V. und der AG ein großes Misstrauensverhältnis, das sich zuletzt aber wieder gebessert hatte. Doch nun dürfte es noch einmal gewachsen sein, nachdem die AG vom Anteilsverkauf an die HanseMerkur in Teilen nur aus den Medien erfuhr.

Insbesondere in der aktuellen Phase, in der eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus AG- und e.V.-Vertretern an einer Rechtsformänderung arbeitet, fühlt sich nicht nur der Vorstand an Alleingänge aus alten Zeiten erinnert. „Die Geschichte, die wir gerade schreiben, ist eine ganz besondere. Die Zeit der Geschichtenerzähler einzelner Personen ist längst vorbei. Wir stehen Schulter an Schulter eng bei­einander“, sagte Finanzvorstand Eric Huwer am Sonntag vor dem Heimspiel gegen Hansa Rostock bei der 200. Ausgabe des Volksparketts. Auch die Fans haben den Eindruck, dass der HSV seit dem Ausscheiden von Wüstefeld als Vorstand wieder geschlossen kommuniziert.

Von Jansen war in den vergangenen Monaten nur wenig zu hören, nachdem er den Aufsichtsratsvorsitz im Frühjahr an seinen Präsidiumskollegen Papenfuß abgegeben hatte. Dieser pflegt seitdem den Austausch mit der AG.

Nun konnte Jansen dazu beitragen, dass die HanseMerkur die Partnerschaft mit dem HSV weiter ausbaut. Offenbar hat das Präsidium dabei die frühzeitige und gemeinschaftliche Kommunikation vernachlässigt. Diese wird nun vonnöten sein, um den e. V. und die AG wieder auf eine Linie zu bringen.