Hamburg. Walter kann sich auf die zweite Reihe verlassen. Eine Schwachstelle wurde aber auch in Bielefeld deutlich. Änderungen gegen Magdeburg?
Es war ein ungewöhnliches Bild am Mittwochnachmittag beim Spielersatztraining des HSV im Volkspark. Stammspieler Jonas Meffert trainierte zusammen mit den Reservisten. Ebenso Stammtorhüter Daniel Heuer Fernandes. Die beiden Führungsspieler dürfen normalerweise am Tag nach einem Spiel im Kraftraum regenerieren. Doch am Dienstagabend im DFB-Pokalspiel des HSV bei Arminia Bielefeld (4:3 i.E.) war alles anders. Oder besser gesagt: Die halbe Startelf war anders. Kein Meffert, kein Heuer Fernandes, kein Robert Glatzel, kein Bakery Jatta. Die verletzten Stammkräfte Sebastian Schonlau, Ludovit Reis, Ignace Van der Brempt und Jean-Luc Dompé waren ohnehin nicht dabei.
Stattdessen waren es andere Namen, die den HSV zum Weiterkommen führten. Allen voran Matheo Raab, der Ersatztorhüter des HSV, der in dieser Saison die DFB-Pokalspiele bestreiten darf. Raab wurde mit seinem gehaltenen Elfmeter am Ende zum Mann das Abends. Doch auch Neuzugang Lukasz Poreba wusste in seinem ersten HSV-Spiel überhaupt als Meffert-Vertreter zu gefallen.
In der Abwehr konnten Stephan Ambrosius und William Mikelbrencis ihre Chance nutzen. Die wichtigste Erkenntnis dieses Abends war für Trainer Tim Walter daher die folgende: Er kann sich auf die Spieler aus der zweiten Reihe verlassen. Das war in den vergangenen Jahren nicht immer so.
„Ich finde nicht, dass man das gemerkt hat“, sagte Jonas Boldt nach dem Spiel über die vielen Veränderungen. Der Sportvorstand reagierte bei Sky leicht gereizt, als es um die Einordnung der Leistung gegen den Drittligisten ging. „Ich habe gerade den Kommentar gehört ‚kein Klassenunterschied’. Ich habe einen Eineinhalb-Klassenunterschied gesehen. Bielefeld hatte nur einen Schuss aufs Tor. Wir haben mehr als verdient gewonnen.“
44 Torschüsse für den HSV in Bielefeld
Später korrigierte sich Boldt. Schließlich waren es nicht nur die Schüsse von Nassim Boujellab und Nicklas Shipnoski, die zum 1:0 für Bielefeld geführt hatten, sondern auch die Großchancen von Fabian Klos und Kaito Mizuta, die kurz vor Schluss zum 2:1 für Bielefeld hätten führen können. Doch Raab hielt auch diese Bälle. Laut Statistik waren es sogar 19 Torschüsse für Arminia Bielefeld.
Dem gegenüber standen allerdings rekordverdächtige 44 Abschlüsse für den HSV. Insofern waren sich die Trainer Michel Kniat (Bielefeld) und Walter (HSV) hinterher einig, dass die Hamburger verdient in das Achtelfinale eingezogen sind. Hätten insbesondere Levin Öztunali und Ransford Königsdörffer, die auf den offensiven Flügeln für Jatta und Dompé spielen durften, mehr aus ihren Chancen gemacht, hätte der HSV sich schon viel früher für ein insgesamt gutes Spiel belohnen können.
Königsdörffer und Öztunali brauchen ein Erfolgserlebnis
Beide waren zwar sehr aktiv, schafften es aber wie schon in der bisherigen Saison nicht, den entscheidenden letzten Ball an den Mann oder ins Tor zu bringen. Darunter litt auch Stürmer Andras Nemeth, der sich als Backup von Robert Glatzel erstmals überhaupt in der Startelf des HSV beweisen durfte, sich aber kaum einmal entscheidend durchsetzen konnte. So bleibt die nicht ganz neue Erkenntnis in der Offensive: Ohne Glatzel geht es nicht.
Mit Glatzel wird der HSV daher auch wieder am Sonnabend (20.30 Uhr) im Volksparkstadion gegen den 1. FC Magdeburg spielen. Dahinter hat Walter bedingt durch die Eindrücke von Bielefeld aber viele neue Optionen. Erhält Mikelbrencis rechts hinten erneut den Vorzug vor Moritz Heyer? Darf Ambrosius in der Innenverteidigung auch in der Liga mal von Anfang an ran? Kehrt der wiedergenesene Dompé in die Startelf zurück?
Gesetzt ist auf den Außenpositionen aktuell nur Miro Muheim, der in Bielefeld erstmals als Kapitän auflief und sich mit dieser Verantwortung durchaus wohl fühlte. „Es war speziell für mich“, sagte Muheim, der seit Wochen einer der konstantesten HSV-Spieler ist. Sein Lob ging vor allem an die Spieler, die zuvor nur selten zum Einsatz kamen. „Wir wissen, wie viel Qualität in der Mannschaft steckt. Für mich war es nicht überraschend“, sagte Muheim über die vielen Wechsel.
Lob für Poreba und Krahn
Neben Raab konnte vor allem der Pole Poreba zeigen, dass seine Verpflichtung eine gute Idee war. „Er hat es sehr gut gemacht. Deswegen sind wir froh, dass wir auf ihn bauen können, wenn Meffo mal etwas passiert“, sagte Walter über den Meffert-Backup. Auch Eigengewächs Elijah Krahn konnte in der Verlängerung zeigen, dass er eine Alternative auf dieser Position sein kann. Wenngleich ihm beim verschossenen Elfmeter die Nervosität anzumerken war. „Elijah hat Verantwortung übernommen. Daher bin ich richtig stolz auf den Kleinen“, sagte Walter.
Dass es in der Mannschaft grundsätzlich stimmt, zeigte sich nach Krahns Fehlschuss, als alle Spieler noch während des laufenden Elfmeterschießens in seine Richtung gingen, um ihn zu trösten. Und wer die Spieler nach der entscheidenden Parade von Raab gesehen hat, wie sie jubelnd quer über den Platz zu den Fans liefen, der konnte feststellen, dass diese Freude nicht aufgesetzt war.
- HSV-Held Matheo Raab und sein kurioses Flaschengeheimnis
- Ambrosius warf 80 Kilo in jeden Zweikampf – Poreba debütiert
- Nach Streit beim HSV: Mutzel werde Boldt „die Hand geben“
Am glücklichsten war an diesem Abend aber vor allem der Matchwinner. Raab erhielt nicht nur den Pokal für den „Man of the Match“, sondern auch viel Lob von oberster Stelle. „Matheo ist nicht unser Pokal-Torwart, weil das in Mode ist, sondern, weil er es verdient hat“, sagte Boldt. Und Trainer Walter meinte: „Matheo ist eine Rakete. Er hätte es auch verdient, immer zu spielen. Für uns ist es ein Glücksfall, dass wir zwei solche Torhüter haben.“
Am Sonnabend gegen Magdeburg wird dann aber wieder Heuer Fernandes zwischen den Pfosten stehen. Bis zum nächsten DFB-Pokalabend (5./6. Dezember) geht es für ihn am Tag nach dem Spiel also vorerst wieder zum Spielersatztraining.