Hamburg. Beim HSV gehen die Chefs einen eigenen Weg, um das Geschäft mit Talenten zu steuern. Die Hintergründe. Hinweis: Der Text erschien 2023.
Es war eine Nachricht, die in der Fußballszene für Aufsehen sorgte. Vor zwei Wochen teilte der FC St. Pauli mit, künftig im Nachwuchs nicht mehr mit Beratern zusammenzuarbeiten. „Der Verein positioniert sich damit gegen die Kapitalisierung des Jugendfußballs und will den partnerschaftlichen Dialog mit Spielern und deren Umfeld stärken“, teilte der Hamburger Zweitligist mit. Eine im deutschen Fußball einmalige Entscheidung, die auch beim Stadtrivalen mit Verwunderung aufgenommen wurde.
Der HSV arbeitet auch im Nachwuchsleistungszentrum quasi täglich mit Beratern zusammen. Das ist auch schwer zu verhindern. Schließlich haben bereits in der U14 des HSV rund 50 Prozent der Spieler einen Berater oder eine Beratungsagentur an der Seite, um ihre Interessen zu vertreten und gemeinsam mit dem Club einen sportlichen und persönlichen Plan für die Zukunft zu entwickeln. So ist zumindest die Idee. In der Praxis wissen auch die Nachwuchsverantwortlichen im Volkspark, dass der Kampf der Berater um die Toptalente immer früher beginnt und den Spielern das Verhalten der Agenten oft mehr schadet als es ihnen hilft.
HSV zahlt grundsätzlich kein Geld an Berater und Eltern
Beim HSV gibt es daher einen klaren Grundsatz: Der Club zahlt im Gegensatz zu anderen Profivereinen kein Geld an Berater oder an die Eltern der Spieler. Das wissen die Agenten auch. Trotzdem versuchen selbst große Agenturen wie Stellar, beim HSV frühzeitig Talente an sich zu binden. Der Weltmarktführer, in Hamburg vertreten durch den mit Heung-Min Son bekannt gewordenen Spielerberater Thies Bliemeister, betreut mehrere Talente beim HSV wie U-17-Nationalstürmer Otto Stange (16).
Verträge dürfen Nachwuchsspieler mit Agenturen laut Fifa-Regularien aber nicht schließen. Daher ist auch eine Agentur wie Stellar nicht davor gefeit, dass Spieler ihren Berater schon im Nachwuchs beliebig oft wechseln. Gerade erst ging U19-Talent Fabio Baldé (18), der auch schon mit den Profis trainieren durfte, zur Total Sports Agency um den in Dubai ansässigen Nochi Hamasor.
Talente werden auf dem Markt interessant gemacht
Der Jugendfreund von Zlatan Ibrahimovic, der hauptsächlich Lizenzspieler in ganz Europa berät, hat beim HSV aktuell neben Profiverteidiger Stephan Ambrosius und Baldé drei weitere Nachwuchsspieler im Portfolio. Ismaila Djamanca (14), Karim Coulibaly (16) und Saido Baldé (15), der Cousin von Fabio. Hamasor kennt das Geschäft und weiß, wie man Spieler auf dem Markt interessant macht. Vor seiner Vertragsverlängerung beim HSV war Ambrosius beim SSC Neapel im Gespräch, Coulibaly zuletzt bei Borussia Dortmund, Baldé beim AC Mailand, Paris St. Germain und Benfica Lissabon – alles zu lesen in der „Bild“.
Baldé ist zweifelsohne eines der Toptalente beim HSV. Mit 15 Jahren ist er Stammspieler in der U19. Das sorgt für Aufmerksamkeit. Adidas hat gerade einen Ausrüstervertrag mit den Eltern von Baldé geschlossen und dafür rund 100.000 Euro gezahlt. Solche Nachrichten gehen nicht spurlos an einem 15 Jahre alten Jungen vorbei. Beim HSV erzählen Beobachter, dass Baldé diese Last in den vergangenen Wochen anzumerken ist. Sein Vertrag im Volkspark läuft am Saisonende aus. Es wird in den kommenden Monaten also nicht ruhiger werden um ihn.
HSV hat bestimmte Berater bereits ausgesperrt
Umso wichtiger ist es für Spieler wie Baldé, dass sie von ihren Agenturen bestens beraten und auch beschützt werden. Viele Eltern von Nachwuchsfußballern, die oft aus einfachen Verhältnissen kommen, sind damit häufig überfordert. Daher versuchen die Mitarbeiter im HSV-NLZ, die Eltern frühzeitig über offenkundig unseriöse Berater zu informieren und ihnen von Erfahrungen zu berichten. Der HSV hat bestimmte Berater auch schon ausgesperrt, geht aber einen anderen Weg als St. Pauli. Im Volkspark ist man der Meinung, dass die Zusammenarbeit mit Beratern vor allem für die Eltern hilfreich sei, sofern die Agenten im besten Interesse des Spielers und der Familie handeln.
Um den Transfermarkt der Talente zu begrenzen, den auch die Berater befeuern, hat der Deutsche Fußball-Bund vor einigen Jahren die Ausbildungsentschädigung für die Vereine erhöht. Für Clubs wie RB Leipzig, die im Nachwuchs besonders hohe Summen zahlen, müsste es aber andere Regeln geben, um den Markt zu regulieren. Während beim HSV ein U-17-Spieler keine 1000 Euro pro Monat verdienen darf, sollen im gleichen Jahrgang bei RB schon fünfstellige Summen gezahlt werden.
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Davon profitieren auch die Berater, wenngleich diese offiziell an Transfers mit Minderjährigen nicht mitverdienen dürfen. In der Szene wissen aber alle, dass solche Leistungen von den Clubs gerne anders abgerechnet werden, etwa in Form von sogenannten Scoutingfees.
Beim HSV ist man der Meinung, dass das Geschäft mit den Talenten nur gestoppt kann, wenn man Transfers im Nachwuchs generell verbietet. Die Zusammenarbeit mit Beratern zu beenden, sei jedenfalls keine Lösung.
*Dieser Text erschien bereits im Oktober 2023.