Hamburg. Statt angebrachter Selbstkritik wird regelmäßig eine Konfrontation mit Reportern forciert. Damit lenkt der HSV von seinen Problemen ab.

Der Oktober ist normalerweise ein Monat, in dem Allergiker durchatmen können. Doch obwohl aktuell keine Pollen fliegen, sind bei den Verantwortlichen des HSV unerklärliche Symptome zu erkennen, die sich über die gesamte (Allergie-)Saison ziehen. Wann immer Siege ausbleiben, reagieren Trainer Tim Walter und Sportvorstand Jonas Boldt verschnupft in Interviews mit Journalisten.

HSV: Boldt-Aussage eine Frage des Stils

Selbst naheliegendste Pflichtfragen wie die eines Reporters, der nach dem 1:1 des HSV in Wiesbaden wissen wollte, woran es denn liege, dass die Hamburger auch im dritten Spiel gegen einen Aufsteiger nicht gewinnen konnten, lösen bei den Repräsentanten des Clubs eine allergische Reaktion aus.

„Haben Sie die anderen Spiele gesehen?“, reagierte Boldt mit einer seiner berüchtigten Gegenfragen. Ein beliebtes Stilmittel des Managers, mit dem er wie schon so häufig eine Provokation gegenüber der einfachen Antwort auf eine nachvollziehbare Frage bevorzugt hat.

Boldt kann souveräner reagieren

Und dabei sollte es nicht bleiben. Auf die Aussage, die Frage nicht zu beantworten, folgte die „freundliche“ Bewertung des noch nicht einmal geschriebenen Artikels. „Dann gehen Sie halt auf die Schlagzeile, wir haben wieder nicht gegen einen Aufsteiger gewonnen. Dann können wir es dabei belassen.“

Der Fairness halber muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass Boldt kurz nach dem Abpfiff unter den Emotionen des Spiels stand. Und dennoch könnte und sollte ein Vorstand souveräner (und stilvoller) reagieren.

HSV-Trainer Walter vermisst Respekt

Auch Walter, der in dieser Saison durch einen selbstironischen Beitrag in 11Freunde („Der nette Herr Walter“) sowie den TV-Beitrag „Meine Geschichte“ bei Sky an seinem Image gearbeitet hat, zeigt sich regelmäßig genervt gegenüber Reportern.

Vor dem Wiesbaden-Spiel reagierte der Trainer bei fast jeder Frage so, als wäre er persönlich angegriffen worden. Die Frage, ob seine Mannschaft in der Trainingswoche die Laufbereitschaft gezeigt habe, an der es bei den beiden Niederlagen gegen die Aufsteiger Elversberg und Osnabrück gefehlt hatte, schien bei Walter wie ein Frontalangriff angekommen zu sein. Es fehle ihm der Respekt vorm Gegner, sagte der Coach.

HSV: Boldt und Walter lenken von Problemen ab

In regelmäßigen Abständen lassen Walter und Boldt angebrachte Selbstkritik vermissen. Dabei wirft die von ihnen forcierte Konfrontation mit Journalisten Fragen auf. Reporter stellen keine Fragen für ihr eigenes Notizbuch. Es ist ihr Job, für Transparenz in der Öffentlichkeit zu sorgen und Vorgänge objektiv zu bewerten. Und der Job der Clubverantwortlichen, als gute Botschafter beziehungsweise Repräsentanten ihres Vereins aufzutreten.

Stattdessen lenken die beiden Alphatiere mit ihren Reaktionen von den eigentlichen Problemen ab. Nach nur einem Sieg in den vergangenen vier Spielen sowie lediglich einem Punkt aus drei Duellen gegen die Aufsteiger sollten die Verantwortlichen ihre eigene Arbeit und Außendarstellung hinterfragen sowie Lösungen gegen destruktive Gegner finden. Nur dann klappt der Aufstieg. Destruktive Antworten dagegen bringen keine Punkte.

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