Hamburg. Sonderzüge werden nicht nur von der aktiven Fanszene, sondern auch der Deutschen Bahn und ihren Tochtergesellschaften bevorzugt.

Wenn der HSV an diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) bei Aufsteiger Wehen Wiesbaden antritt, werden mindestens 3250 Gästefans in der mit 12.500 Zuschauern ausverkauften Arena ihre Mannschaft unterstützen.

Das Ticketkontingent wurde somit einmal mehr voll ausgeschöpft, vermutlich mischen sich weitere Anhänger unter die für das Heimteam vorgesehenen Plätze. Rund 800 von ihnen werden um 5.15 Uhr am Hauptbahnhof in den vom HSV Supporters Club organisierten Sonderzug einsteigen, um in die hessische Landeshauptstadt zu reisen.

Seit Sven Freese vor zweieinhalb Jahren den Vorsitz der größten Dachorganisation der HSV-Fans, die 75.000 der 100.000 Mitglieder vertritt, übernommen hat, wurde das Angebot an Sonderzügen stetig erhöht. In diesem Jahr wird es noch weitere Fahrten für die Auswärtsspiele nach Kaiserslautern (28. Oktober) und Nürnberg (17. Dezember) geben.

HSV-Sonderzüge besser als ihr Ruf

Es ist eine Reisemethode, die nicht nur von der aktiven Fanszene, sondern auch der Deutschen Bahn und ihren Tochtergesellschaften bevorzugt wird. Denn so häufig es Berichte über von Fußballfans vermüllte und beschädigte Züge sowie bedrohte Bahnmitarbeiter gibt, in Sonderzügen geht es meistens friedlich zu. Das haben zahlreiche Anbieter, deren Kunde auch die HSV-Supporters sind, dem Abendblatt bestätigt.

Die Gründe hierfür sind einleuchtend: Im Gegensatz zum Regelbetrieb sind die Züge nicht überlastet, es gibt feste Sitzplätze, und die Organisatoren sind namentlich bekannt. Wenn es doch mal zu Beschädigungen kommt, wie zum Beispiel Risse in der Decke durch zu intensives Schlagen mit der flachen Hand beim Jubeln, geschehe dies meistens aus Versehen, heißt es.

In einem solchen Fall wird der Schaden dokumentiert und in Rechnung gestellt, denn der Adressat ist bekannt. „Es hat noch nie Probleme mit der Begleichung einer Rechnung gegeben“, sagt der Mitarbeiter eines Anbieters, der nicht namentlich zitiert werden möchte.

Gewalt in Zügen kostet Bahn jährlich zwei Millionen

Gelegentlich ganz andere Zustände herrschen dagegen in den regulären Fernverkehrszügen der Deutschen Bahn. „Die Beseitigung von Verschmutzungen und Vandalismus in Zügen, der Einsatz zusätzlicher Sicherheitskräfte und die Disposition von zusätzlichem Personal und Ersatzzügen im Zusammenhang mit dem Fußball-Fanreiseverkehr kosten die Deutsche Bahn etwa zwei Millionen Euro jährlich“, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit.

Die Zahl der Ausschreitungen habe sich zwar im Laufe der zurückliegenden Jahre durch eine „verbesserte Steuerung der Fanreiseströme“ sowie effektivere Strategien der Bundespolizei signifikant verringert. Hin und wieder müssten aber immer noch Züge wegen Vandalismus aus dem Betrieb genommen werden. Ein Umstand, der zu Zugausfällen an den Folgetagen und hohen Kosten führe.

Bahn ermittelt Fanbetreuer vorab

Zu Maßlosigkeiten soll es vor allem dann kommen, wenn ein Regulativ durch die aktive Fanszene fehlt. Anders als in Sonderzügen sind die Schuldigen schwieriger zu ermitteln, da sie ein Abteil meistens anonym betreten.

Gelingt es dennoch, einen Randalierer ausfindig zu machen, müsse dieser mit Beförderungsausschlüssen rechnen. Die Bahn erkundigt sich deshalb im Vorwege bei den Vereinen, ob Fanbetreuer in Regelzügen mitfahren, um einen Ansprechpartner bei Problemsituationen vorzufinden.

„Wir tauschen uns deutschlandweit regelmäßig mit Fanorganisationen und Vereinen aus“, bestätigt die Sprecherin. Bis zu 3,5 Millionen Menschen reisen im Laufe eines Jahres zu Fußballspielen, die meisten davon friedlich. Aber eben nicht alle. „Die Deutsche Bahn toleriert in ihren Zügen keine Ausschreitungen von Fans und geht gemeinsam mit der Bundespolizei konsequent dagegen vor“, teilt die Sprecherin mit.

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  • Muss die Bahn mehr Züge einsetzen?

    Als Hauptgrund für Vandalismusschäden hat die Abendblatt-Recherche überfüllte Züge und Toiletten ausgemacht. Eine Lösung könnte also sein, mehr Züge einzusetzen. Doch die Bahn setzt inzwischen kaum noch Entlastungszüge ein, die häufig mit Sonderzügen verwechselt werden.

    Auftraggeber für ein erhöhtes Angebot sind die jeweiligen Landesnahverkehrsgesellschaften. Für Wiesbaden ist der Rhein-Main-Verkehrsverbund zuständig, der am Sonnabend ebenfalls auf eine Erweiterung der Flotte verzichten wird. „Wir gehen davon aus, dass die Kapazitäten nach dem regulären Fahrplan ausreichen“, teilt ein Sprecher mit.

    HSV-Sonderzug um 11 Uhr in Wiesbaden

    Als Begründung, warum diese Einschätzung inzwischen die Regel sei, heißt es auf Nachfrage von der Bahn, dass alle verfügbaren Züge in Betrieb und die Schienen ohnehin voll ausgelastet seien. Das scheint allerdings nur die halbe Wahrheit zu sein. Sollte ein Verein für einen Sonderzug der Bahn bezahlen, werde an einer Lösung gearbeitet, ist zu vernehmen.

    Zudem findet sich für einen Sonderzug eines externen Anbieters immer eine freie Trasse. Der Ablauf sieht dabei wie folgt aus: Die Anbieter melden ihre Reise bei der DB Netz AG an und erhalten einen Fahrplan für ihr außerplanmäßiges Vorhaben. Der Sonderzug der HSV-Supporters soll planmäßig um 10.58 Uhr in Wiesbaden eintreffen. Die meisten Reisenden werden sich dann bereits eingesungen haben, um ihren HSV zu unterstützen.