Hamburg. HSV wollte mit Transfers für mehr Variabilität sorgen. Doch ein Mannschaftsteil sorgt für Probleme – mit weitreichenden Folgen.
Die Offensive gilt als das Prunkstück des HSV. Mit Tempodribbler Immanuel Pherai und Allrounder Levin Öztunali wurde der am qualitativ stärksten besetzte Mannschaftsteil im Sommer noch einmal nachgebessert, um Trainer Tim Walter mehr Variabilität zu ermöglichen. Im Sommer blickten deshalb viele Ligarivalen neidisch nach Hamburg.
Doch inzwischen lässt sich festhalten, dass die vermeintlich so hochgradig besetzte Offensive zunehmend zum Problem wird. Nach neun Spieltagen stellt der HSV mit 17 Toren nur noch den fünftbesten Angriff – zu wenig für die eigenen Ansprüche. In den zurückliegenden vier Partien, von denen der Club nur eine gewann, erzielte die Mannschaft jeweils nur einen Treffer.
Eine ungenügende Bilanz, die vor allem auf die Situation auf den Flügeln zurückzuführen ist. Mit Bakery Jatta, Jean-Luc Dompé, Ransford Königsdörffer und Öztunali stehen Walter gleich vier potenzielle Stammkräfte für zwei zu vergebende Plätze zur Verfügung. Eine vermeintliche Luxussituation, die allerdings die Probleme des HSV aufdeckt.
HSV: Walters Problem auf den Flügeln
Denn mit Dompé verfügen die Hamburger nur über einen Spieler, der mit seinen Dribblings Lücken gegen tief stehende Gegner reißen kann. Eine Qualität, die der HSV für sein ballbesitzorientiertes Spiel dringend braucht. Schließlich wissen selbst die Topmannschaften der Liga, wie Düsseldorf vor einer Woche im Volksparkstadion, dass sie den Hamburger mit einer defensiven Herangehensweise wehtun können. Der HSV gewann dank eines von Laszlo Benes verwandelten Foulelfmeters dennoch mit 1:0.
Sowohl der defensivstarke Jatta als auch Öztunali und Königsdörffer sind dagegen Umschaltspieler. Sobald die Gegner tiefer stehen und eine Überzahlsituation in Zweikämpfen generieren, haben alle drei Profis Schwierigkeiten, sich auf den Außen durchzusetzen. Über einen Spieler wie Elias Saad vom Stadtrivalen FC St. Pauli, der mehrere Gegenspieler bindet und sich dank seiner Stärke im Eins-gegen-eins trotzdem durchsetzt, verfügt der Kader nicht.
Tempodribbler Pherai, um dessen Verpflichtung der HSV vor der Saison von vielen Konkurrenten beneidet wurde, ist ein Spieler, der den Ball auf engem Raum behaupten und für Torgefahr sorgen kann. Doch der Neuzugang kommt momentan nicht über die Rolle des Einwechselspielers hinaus.
HSV-Sorgen um Öztunali und Königsdörffer
Erschwerend kommt hinzu, dass Öztunali und Königsdörffer noch nicht ein überzeugendes Spiel in dieser Saison absolviert haben. Beide laufen ihrer Normalform seit Monaten hinterher. Aus dem Quartett bleibt somit nur noch Dompé übrig, der Torchancen kreieren kann – wenn er denn Lust hat. In Wiesbaden (1:1) reichte es für den bisweilen launisch wirkenden Franzosen lediglich für die Schlussphase, nachdem er bis Mitte der Woche wegen muskulärer Probleme nicht trainiert hatte.
Walter hatte die Problematik der Flügelstürmer bereits nach dem zweiten Spieltag in Karlsruhe (2:2) angesprochen, als alle vier Außenbahnspieler jeweils eine Halbzeit zum Einsatz kamen. Der HSV-Coach monierte hinterher, von beiden Flügelzangen „nicht so viel“ gesehen zu haben. „Wenn wir darüber nicht kommen, dann hakt unser Spiel.“ Recht hat er.
Nach dem Heimsieg gegen Düsseldorf erneuerte Walter seine Kritik, weil sämtliche Flanken Jattas in erschreckender Konstanz verunglückt waren. „Wenn ich so oft über den Flügel durchbreche, dann muss eine Torchance entstehen“, klagte der Trainer.
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HSV-Problem wirkt sich auf Glatzel aus
Auch in Wiesbaden zeigte sich mal wieder, wie schwer sich der HSV gerade auswärts tut, Lösungen gegen Defensivbollwerke zu finden. Eine Problematik, unter der auch Torjäger Robert Glatzel zunehmend leidet. Nachdem der vermutlich beste Stürmer der Zweiten Liga so exzellent mit vier Toren in den ersten drei Spielen in die Saison gestartet war, traf er nur einmal in den darauffolgenden sechs Partien.
Am Sonnabend schoss der HSV zwar 23-mal aufs Tor, doch die Qualität der Chancen war bis auf wenige Ausnahmen überschaubar, wie auch Wiesbadens Trainer Markus Kauczinski hinterher analysierte. Wie schon so häufig in den zurückliegenden Wochen gelang es den Hamburgern auch beim Aufsteiger nicht, Glatzel im Strafraum freizuspielen.
Die Mannschaft muss nun wieder an Lösungen arbeiten, um ihren treffsicheren Angreifer besser einzusetzen. Nur dann kann die Offensive des HSV wieder neidische Blicke der Konkurrenz auf sich ziehen.
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