Hamburg. Neuzugang Pherai sollte das Offensivspiel des HSV dominieren. Nun droht ihm vorerst die Bank, selbst wenn er fit wäre.
Beim Stand-Up-Paddling mit seinen Teamkollegen auf der Alster war Immanuel Pherai am Mittwochnachmittag mittendrin. Als HSV-Trainer Tim Walter seine Spieler am Vormittag im Volkspark versammelte, sah das noch anders aus.
Wegen einer Zerrung im Adduktorenbereich kann der Neuzugang von Eintracht Braunschweig noch immer nicht voll belastet werden. Statt am Teamtraining des HSV teilzunehmen, stand für den Niederländer weit weg von der Mannschaft eine individuelle Einheit mit Reha-Coach Sebastian Capel und dem ebenfalls angeschlagenen Außenverteidiger William Mikelbrencis (Hüftverletzung) auf dem Programm.
HSV-Profi Pherai droht die Bank
Es war ein Bild mit Symbolcharakter, denn Pherai ist aktuell nicht nur räumlich, sondern auch sportlich ein Stück weit entfernt von der Startelf. Dabei sollte der 22-Jährige eigentlich das neue Herzstück im Offensivspiel des HSV werden.
Als Nachfolger von Sonny Kittel war er als feste Größe im Mittelfeldzentrum eingeplant. Während der Transferverhandlungen im Sommer soll Pherai signalisiert haben, nur dann nach Hamburg zu wechseln, wenn Kittel nicht mehr da sei. Der letztlich für eine Ablöse von 750.000 Euro verpflichtete Kreativspieler wollte eine klare Perspektive als Stammkraft an der Seite seines Landsmanns Ludovit Reis.
HSV-Zugang Pherai hat das Nachsehen
Zwei Monate später hat sich die Situation verändert. Obwohl der HSV Kittels Vertrag auslaufen ließ, wäre Pherai aktuell auch dann nicht erste Wahl, wenn er fit wäre.
Stattdessen hat sein interner Rivale Laszlo Benes den Saisonstart genutzt, um sich ins Rampenlicht zu spielen. Nach fünf Toren und zwei Vorlagen in vier Pflichtspielen ist der Slowake nicht mehr wegzudenken aus der ersten Elf. „Mit meinen Leistungen habe ich untermauert, Stammspieler zu sein“, sagte Benes nach dem 3:0-Erfolg gegen Hertha BSC.
Gegen die Berliner gab auch Mittelfeldmotor Reis sein Comeback nach einer Schulterverletzung. Da der 23 Jahre alte Niederländer ohnehin als gesetzt gilt und sich der formstarke Benes zurzeit an seiner Seite festgespielt hat, hätte Pherai momentan das Nachsehen.
Warum der HSV bei Pherai aufpassen muss
Es ist eine Konkurrenzsituation, die als Beleg der neuen Kaderstärke dient. Bei den bisherigen Neuverpflichtungen hat der HSV Wert darauf gelegt, Trainer Tim Walter mehr Optionen zur Verfügung zu stellen. „Wir sind mit dem Kader noch mal ein bisschen breiter geworden“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt am Mittwoch.
Die neue Kaderbreite erlaubt es dem HSV, Pherai in Watte zu packen, um ihn behutsam wieder aufzubauen. Schließlich ist es noch gar nicht so lange her, als genau das Gegenteil dafür gesorgt hatte, dass der Spielmacher verletzungsbedingt monatelang ausfiel.
Im Oktober 2022, als Pherai noch bei Braunschweig spielte, plagte er sich schon einmal mit muskulären Problemen herum. Damals erlitt er immer wieder neue Rückschläge – vermutlich weil seine Belastung zu früh gesteigert wurde. Bis er wieder von Beginn an spielen konnte, vergingen ziemlich genau vier Monate.
Reicht das wieder nicht für Pherai?
Es ist eine Geschichte, die sich beim HSV nicht wiederholen soll. Im Volkspark ist die medizinische Abteilung darauf sensibilisiert, wie wichtig Pherais körperlicher Zustand für sein Spiel ist. Um seine Dynamik zu entwickeln, macht der für seine Tempodribblings berüchtigte Offensivmann untypisch lange Schritte. Es sind Bewegungen, für die er eine topfitte Oberschenkelmuskulatur benötigt, zu der auch die bei ihm aktuell zwickenden Adduktoren gehören.
„Ich kann laufen, aber das bringt nichts, weil ich den Ball nicht zum Mitspieler passen kann“, sagte Pherai am vergangenen Sonnabend beim Volksparkett und verbreitete Hoffnung, in dieser Woche „ins Mannschaftstraining zurückzukehren“. Das Auswärtsspiel am Sonnabend bei Hannover 96 (20.30 Uhr) wird für ihn daher zum Wettlauf gegen die Zeit.
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Beim Fantalk vor dem Hertha-Spiel äußerte sich der ehemalige BVB-Spieler positiv über seine neue Heimat, die ihn wegen Elbe und Alster, der vielen Brücken und der kulinarischen Vielfalt an seine Geburtsstadt Amsterdam erinnere. „Hamburg ist wirklich eine schöne Stadt, die man nicht mit Dortmund oder Braunschweig vergleichen kann, sondern eher mit Amsterdam“, sagte Pherai, dem die Eingewöhnung durch Landsmann Reis, der sportlich sein Konkurrent ist, leichter gemacht wird. „Ich kenne mich noch nicht so gut aus, aber Ludo zeigt mir viel.“
HSV-Profi Pherai will bei Aufstieg singen
Als die Moderatoren des Volksparketts Pherai wünschten, so schnell wie möglich auf den Platz zurückzukehren, applaudierten die anwesenden Fans.
Mit seiner freundlichen und lustigen Art sowie seiner dynamischen Spielweise hat es der Techniker in Rekordzeit geschafft, zum Liebling der Anhänger zu werden. Bei den Trikotverkäufen ist Pherai schon jetzt der zweithäufigste Name, den die Fans als Beflockung wählen. Nur Reis ist noch mehr gefragt, Platz drei belegt Robert Glatzel.
Bereits beim Volksparkfest vor dem Saisonstart waren unter den im Regen stehenden Zuschauern jede Menge HSV-Trikots mit Pherais Schriftzug zu erkennen. An jenem Nachmittag gab der Profi auch seine Gesangskünste preis, als er für eine Einlage auf der Bühne sorgte. Eine Situation, die sich wiederholen könnte. „Wenn wir aufsteigen, singe ich im Volksparkstadion“, sagt Pherai. Doch auch dieses Ziel ist momentan noch weit weg.