Hamburg/Essen. In der ersten DFB-Pokalrunde verspielten die Hamburger bei Drittligist Rot-Weiss Essen drei Führungen, konnten am Ende aber jubeln.
Die vergangenen Tage waren für Tim Walter alles andere als angenehm. Abgesehen von einem grippalen Effekt musste der HSV-Trainer vor dem DFB-Pokalspiel bei Rot-Weiss Essen auch die kurzfristigen Ausfälle von Immanuel Pherai (muskuläre Probleme) und Jonas Meffert (Knieprobleme) verkraften. Am Sonnabend war Walter noch in Hamburg geblieben, ehe er am Sonntagmorgen kurzfristig doch noch nach Essen gereist war.
Es lohnte sich: Mit einem 4:3 (1:1)-Sieg zog der HSV beim Drittligisten in die zweite DFB-Pokalrunde ein, sicherte sich so auch 431.200 Euro Prämie. Die Hamburger verspielten in der regulären Spielzeit drei Führungen, erst in der 117. Minute traf Laszlo Benes zum 4:3-Sieg. „Das war heute nicht einfach. Wir haben es selbst kompliziert gemacht, waren hinten nicht so konzentriert", sagte der Matchwinner. „Wenn wir ein Tor machen, müssen wir noch konzentrierter und kompakter sein.“
HSV News: Boldt nach Sieg in Essen kritisch
"Wir sind froh, dass wir bei so einem Los eine Runde weiter sind", sagte HSV-Vorstand Jonas Boldt. "Wir wussten, dass es hier schwer wird. Bei drei Führungen ist es aber unerklärlich, dass wir die immer wieder zurückgeholt haben."
Insgesamt nahm Walter im Vergleich zum vergangenen Zweitligaspiel beim Karlsruher SC (2:2) fünf Änderungen in der Startelf vor. Öztunali rückte für Pherai ins Zentrum, weshalb Jean-Luc Dompé auf dem linken Flügel beginnen konnte. Auf der rechten Offensivseite bekam Bakery Jatta den Vorzug vor Ransford Königsdörffer.
Muheim ersetzte Heyer in der Startelf
Sein Startelfcomeback feierte zudem Miro Muheim, der Moritz Heyer auf der Linksverteidigerposition ersetzte. Abgesehen vom bereits zuvor angekündigten Pokaleinsatz von Ersatzkeeper Mateo Raab anstelle von Daniel Heuer Fernandes ersetzte Youngster Elijah Krahn den verletzten Meffert im defensiven Mittelfeld.
Es war das erwartet unangenehme Spiel im ausverkauften Stadion an der Hafenstraße. Der Drittligist war bissig in den Zweikämpfen, der Rasen etwas stumpf – und der HSV tat sich schwer. Trotz erster Torannährungen und Öztunali und Robert Glatzel hätte im ersten Durchgang auch Essen zunächst in Führung gehen können. Die größte Chance vergab dabei Isaiah Young, nachdem sich Dompé in der eigenen Hälfte verdribbelte und einen Fehlpass in die Füße des RWE-Akteurs spielte.
HSV tat sich gegen aggressive Gastgeber schwer
Der HSV war um Kontrolle bemüht, fand vorne allerdings nur wenig Lücken. Die Führung resultierte dann auch aus einem individuellen Fehler der Gastgeber, als Jatta RWE-Verteidiger Jose-Enrique Rios Alonso den Ball abnahm, alleine auf das Tor zulief und locker in die kurze Ecke einschob (37.). Die Führung hielt jedoch nur wenige Minuten, Essens Torben Müsel nutzte einen von Krahn verursachten Freistoß zum Ausgleich (42.). Müsel profitierte dabei allerdings auch von der löchrigen HSV-Mauer, Glatzel und Guilherme Ramos ließen den Ball zwischen sich durchfliegen.
„Man sieht, dass gegen den HSV etwas geht“, sagte HSV-Torhüterlegende Richard Golz, dessen Sohn Jakob bei RWE das Tor hütete, in der Halbzeitpause.
Direkt nach der Pause ging jedoch zunächst etwas für den HSV. Nach einer Flanke von Dompé hätte Glatzel bereits das 2:1 machen müssen, der Kopfball landete allerdings nur an der Latte (51.). Wenig später war es wieder Bakery Jatta, der RWE-Verteidiger Felix Bastians den Ball abjagte und ins leere Tor einschob (54.).
HSV verspielte drei Führungen
Um das Déjà-vu aus Halbzeit eins perfekt zu machen, verspielte der HSV seine Führung aber auch sofort wieder. Krahn vertändelte den Ball im Mittelfeld, Muheim verpasste die Balleroberung im Gegenpressung – und die linke Seite war völlig blank. Flache Hereingabe Andreas Wiegel, Abschluss Moussa Doumbouya, es stand 2:2 (56.). Für Krahn war der unbefriedigende Arbeitstag daraufhin beendet, Walter brachte Stürmer Andras Nemeth für den unglücklich agierenden Sechser.
Die Systemumstellung zur Doppelspitze brachte sofort den gewünschten Effekt. Nach einem missglückten Dompé-Abschluss sprang der Ball im Strafraum dem freien Glatzel vor die Füße, der Stürmer traf eiskalt zur 3:2-Führung (64.).
Wer nun aus alter Gewohnheit den sofortigen Ausgleich der Essener erwartete, wurde jedoch etwas enttäuscht. Denn es dauerte ganze 17 Minuten, ehe das 3:3 fiel. RWE führte einen Eckball schnell aus, der HSV wurde überrumpelt, Brumme köpfte zum erneuten Ausgleich ein (83.). Nur vier Minuten zuvor hatte Jatta die Vorentscheidung verpasst, als er einen Kopfball an die Latte setzte. "Wir hatten viel zu viele Nachlässigkeiten, viel zu viele Fehler", sagte Boldt.
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Es ging in die Verlängerung. Dort passierte, abgesehen von ein paar Krämpfen, zunächst kaum etwas. Als bereits alles auf das Elfmeterschießen hindeutete, brachte der HSV einen letzten guten Angriff zustande, an dessen Ende Laszlo Benes zentral aus rund 18 Metern zum Abschluss kam – und Golz zum 4:3 überwindete.
Der in der HSV-Jugend ausgebildete Keeper hatte zuvor ein gutes Spiel im RWE-Trikot gemacht, hätte diesen Schuss aber halten können. Die verbleibende Zeit reichte den Essenern diesmal nicht, um noch mal zum Ausgleich zu kommen.
Am kommenden Sonnabend (20.30 Uhr) empfängt der HSV Hertha BSC zum Zweitligatopspiel. Die Richtung gab Boldt bereits vor: "Es muss am kommenden Wochenende definitiv eine Leistungssteigerung her."
- HSV: Raab – van der Brempt, Ramos, Hadzikadunic (91. Ambrosius), Muheim – Krahn (59. Nemeth) – Öztunali (91. Königsdörffer), Benes – Jatta, Glatzel, Dompé (80. Heyer).