Hamburg. Enkel von Clublegende Uwe Seeler kam in der vergangenen Saison kaum zum Einsatz bei Union Berlin. Was sich der HSV von ihm verspricht.

Am Sonntagnachmittag erlebte Levin Öztunali etwas, was ihm zuvor monatelang verwehrt worden war: Der Neuzugang des HSV durfte Fußball spielen. In einem richtigen Spiel. Ja, es war nur der erste Test der Sommervorbereitung und der Gegner war auch nur Sechstligist FC Verden 04.

Doch für einen, der in der vergangenen Bundesligasaison bei Union Berlin gerade mal zu zwei Kurzeinsätzen mit insgesamt acht Minuten Spielzeit kam, dürften sich die 45 Minuten auf der Sportanlage "Am Hubertushain" wie eine Ewigkeit angefühlt haben.

HSV News: Walter fordert Geduld mit Öztunali

„Wir brauchen Geduld, weil er in der vergangenen Saison nicht viele Spiele von Beginn an gemacht hat. Es geht aber um sein Potenzial", sagte HSV-Trainer Tim Walter. "Wenn er wieder das Selbstvertrauen hat, werden wir viel Freude an ihm haben.“

Öztunali bringt die Erfahrung von 190 Bundesligaspielen mit, die meisten davon absolvierte er in seiner Zeit bei Mainz 05, wo der Offensivspieler von 2016 bis 2021 unter Vertrag war. Zudem kommt Öztunali auf 74 Junioren-Länderspiele, 30 davon für die U 21, mit der er 2017 Europameister wurde.

Bei Union saß er zuletzt nur auf der Bank

Nach seinem Wechsel zu Union Berlin im Sommer 2021 kam er in der ersten Saison noch auf 18 Bundesligaeinsätze, gegen Ende der Saison 2021/22 setzte Trainer Urs Fischer aber bereits immer weniger auf ihn. In der vergangenen Saison stand Öztunali schließlich nur noch bei vier Bundesligaspielen im Kader.

Beim HSV hofft er nun nicht nur auf mehr Spielzeit, sondern auch auf einen Stammplatz. Sein größter Vorteil ist dabei seine Flexibilität, Öztunali kann sowohl im offensiven Zentrum, als hängende Spitze oder auch auf den Flügeln agieren. Weil der HSV auf der Achterposition allerdings in Ludovit Reis, Laszlo Benés, Anssi Suhonen und Neuzugang Immanuel Pherai gleich vier Spieler für zwei Startelfpositionen hat, planen die Verantwortlichen den 27 Jahre alten Rechtsfuß für die offensiven Flügelpositionen ein.

In Verden spielte Öztunali auf den Flügeln

Dies zeigte sich bereits im Testspiel in Verden, als Öztunali auf dem linken Flügel spielte, zeitweise aber auch nach rechts auswich. Der Neuzugang soll beim HSV Linksaußen Jean-Luc Dompé und Rechtsaußen Bakery Jatta Konkurrenz machen und so auch für mehr Kadertiefe und flexible Lösungen sorgen. „Wir haben ihn geholt, weil er eine Menge Speed und einen guten Abschluss hat, außerdem sehr durchsetzungsstark ist", sagte Walter.

Unter den Fans dürfte der bis zur U 19 beim HSV ausgebildete Profi vor allem aufgrund seiner Familiengeschichte für große Erwartungen sorgen. Als Enkel der verstorbenen Clublegende Uwe Seeler ist Öztunali insbesondere in Hamburg einem natürlichen Druck ausgesetzt. Bei seinen vergangenen Stationen in Berlin, Mainz, Bremen und Leverkusen war der berühmte Opa zwar immer kurz ein Thema, dann aber auch wieder vergessen.

Druck wird in Hamburg wieder größer

"Uwe Seeler war größte Idol Hamburgs, er wird immer in unseren Herzen bleiben. Uwe war sein Opa, das hat mit dem Fußball aber nichts zu tun. Wir müssen abwarten, dass er sein Potenzial abruft", sagte Walter. Öztunali hatte den HSV als Teenager unter anderem deshalb verlassen, weil außerhalb von Hamburg weniger Druck in Zusammenhang mit Seeler auf ihm lastete.

HSV-Vorstand Jonas Boldt, der Öztunali als 16-Jährigen zu seinem früheren Arbeitgeber Bayer Leverkusen gelotst hatte, ist bewusst, dass der Druck in Hamburg nun wieder zunehmen könnte. Dennoch: „Er ist immer mit einer großen Erwartungshaltung gekommen. Vor zehn Jahren war das Drumherum noch etwas größer", sagte Boldt. Öztunalis Wechsel geriet damals zum Politikum, der damalige HSV-Sportchef Frank Arnesen beschloss, den 16-Jährigen aus dem Punktspielbetrieb zu nehmen. Seeler nannte Arnesens Verhalten "armselig".

Als Öztunali den HSV in Richtung Leverkusen verließ, galt er als eines der größten Talente im deutschen Fußball. Obwohl sein Marktwert seit 2017 (6,5 Millionen Euro) laut transfermarkt.de kontinuierlich gesunken ist, ist Boldt vom Neuzugang überzeugt. „Unser Ziel ist nicht, für einen kurzfristigen Hype zu sorgen, sondern aus Überzeugung zu handeln", sagte der Sportvorstand.