Hamburg. Für HSV-Tickets gegen den FC St. Pauli werden auf dem Schwarzmarkt Mondpreise aufgerufen. Diese Rechte haben Fans.
Wer am Dienstag nach Tickets für das Stadtderby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli googelte, stieß möglicherweise auch auf Angebote der Plattform Viagogo. Das günstigste Angebot: 253 Euro im Block 8 C, in der Ecke und direkt unter dem Stadiondach. Wer am Freitag (18.30 Uhr) im Volksparkstadion näher am Spielfeld, mittig auf Höhe des Sechzehnmeterraums, in Block 16 A sitzen möchte, konnte für 943 Euro zugreifen – rund das Zehnfache des ursprünglichen Preises in dieser Kategorie.
Während viele bei diesen Mondpreisen mit dem Kopf schütteln dürften, schlagen andere zu. Dummerweise wissen diese oft nicht, dass Ticketkäufe auf Zweitmarktplattformen wie Viagogo schlichtweg verboten sind.
HSV gegen St. Pauli: Viagogo-Käufe sind illegal
Dies ist Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des HSV. „In unseren AGB, denen jeder Käufer zustimmt, steht explizit, dass ein Eintritt nicht gewährleistet wird, wenn das Ticket über Viagogo gekauft wurde. Zudem steht auf jedem Ticket ein Hinweis auf die AGB“, sagt HSV-Ticketchef Kai Voerste dem Abendblatt. Die zwei mit Abstand bedeutendsten Plattformen dieses sogenannten „nicht autorisierten“ Zweitmarktes sind Viagogo und eBay-Kleinanzeigen.
Bemerkt der HSV, dass Tickets dort angeboten werden, storniert er diese. Die Herausforderung: In der Regel ist vor dem Kauf lediglich der Block ersichtlich, nicht aber die genaue Reihe und der exakte Sitzplatz. Wenn zudem der Verkäufer nicht identifizierbar ist, ist es für den Verein fast unmöglich, das Ticket zu stornieren.
Deutlich mehr Schwarzmarkttickets als bei normalen Spielen
Der HSV schätzt, dass beim Stadtderby zwischen 700 und 800 Schwarzmarkttickets im Umlauf sind, wovon 300 bis 350 storniert würden. Fast jeder zweite illegale Deal wird entdeckt, im Schnitt rund 20 pro Tag. Beim innerhalb kürzester Zeit ausverkauften Derby floriert der Schwarzmarkt besonders. Bei anderen Heimspielen storniert der HSV durchschnittlich nur zwischen 200 und 250 Tickets.
Wer mit einem auf Viagogo teuer erworbenen, aber vom Verein stornierten Ticket am Stadiondrehkreuz steht, erhält keinen Zutritt. Zwar wirbt Viagogo damit, dass Käufer in diesem Fall ihr Geld zurückbekämen, der Frust über den verwehrten Einlass dürfte aber enorm sein.
Verkäufer bekommen Anwaltspost vom HSV
Während ein Schwarzmarktkäufer im schlimmsten Fall mehrere Hundert Euro ausgibt, um wieder nach Hause geschickt zu werden, wird es für die Verkäufer der Tickets noch teurer. Fliegt ein Verkäufer auf, gibt es bald Post von HSV-Anwälten. Diese fordern dann in der Regel eine Vertragsstrafe gemäß der akzeptierten AGB in Höhe von 500 Euro. Hinzu kommen Anwaltskosten in ähnlicher Höhe, sodass überführte Schwarzmarktverkäufer mit Kosten von rund 1000 Euro rechnen müssen. Das vom HSV stornierte Ticket geht unterdessen zurück in den Ticketshop.
Der Vorteil für den HSV beim Stadtderby: Weil die Tickets ausschließlich an Vereinsmitglieder verkauft wurden, sind die Schwarzmarkttäter bekannt. Im Optimalfall kann der HSV den illegalen Verkäufer identifizieren und über die Stornierung benachrichtigen. Eine Garantie, dass dieser dann auch die Käufer über die Stornierung informiert, gibt es nicht. Viagogo und eBay Kleinanzeigen betonen stets, nur die Vermittler zu sein, nicht die Verkäufer.
Freier Ticketverkauf verhilft zur Anonymität
Noch schwieriger ist es bei Heimspielen, bei denen es einen freien Ticketverkauf gibt. Verkäufer sind dann häufig anonym, der HSV kann das gesichtete Ticket im Regelfall nur stornieren, den Verkäufer aber nicht darüber informieren. Käufer kommen dann nur bis zum Drehkreuz – und müssen frustriert auf die Geld-zurück-Garantie von Viagogo hoffen.
Was viele Fans nicht wissen: Selbst wenn der Zweitmarktdeal nicht auffliegt, kann der Käufer den illegalen Deal vor dem Spiel beim HSV melden. Nachteile gibt in diesem Fall nicht. Um Einlass am Spieltag zu gewähren, storniert der HSV dann das Ticket, ehe der Käufer im Anschluss den Originalpreis für seinen zuvor illegal erworbenen Platz zahlt. Somit wird der Kauf legal. „Wir würden nie eine Karte stornieren und den Fan, der sich vor einem Spieltag meldet, im Regen stehenlassen“, sagt Ticketchef Voerste.
Auch St. Pauli bietet Möglichkeiten bei Viagogo-Käufen
Der Käufer erhält dann ein neues Ticket für denselben Platz sowie eine Stornoquittung, die er nach dem Spiel bei Viagogo einreichen kann, um das Geld zurückzuerhalten. Bis einen Tag vor dem Spiel sei dieser Prozess fast immer problemlos möglich. Auch der FC St. Pauli bietet Zweitmarktkäufern bei seinen Heimspielen diese Möglichkeit an. „Wir schauen und handeln von Fall zu Fall und nehmen Hinweise gern entgegen“, teilt der Club auf Abendblatt-Nachfrage mit. Wichtig ist, dass sich der Käufer erst nach dem Spiel mit dem Stornobeleg bei Viagogo meldet, um Probleme bei der Rückzahlung zu vermeiden.
Naturgemäß sieht die Plattform ihr Angebot deutlich positiver als die Vereine. „Gerade in der heutigen Zeit werden regulierte Zweitmarktplätze wie Viagogo benötigt, um den Verbrauchern die notwendige Flexibilität beim Kauf von Veranstaltungstickets zu bieten“, schreibt ein Viagogo-Pressesprecher auf Nachfrage. Die Plattform stelle zudem sicher, „dass sich Verbraucher nicht an den Schwarzmarkt oder unregulierte Social-Media-Plattformen wenden müssen.“
Viagogo und der HSV sprechen nur über Anwälte miteinander
Auch wenn sich Viagogo vom Schwarzmarkt abzugrenzen versucht, ist die Plattform aus Sicht der Clubs doch ein Teil davon. „Verbraucherschützer warnen, Viagogo wirke wie ein offizielles Ticketverkaufsportal, es handele sich aber um eine Ticketbörse“, teilt St. Pauli mit. Der HSV kritisiert unter anderem, dass Viagogo mit dem Verein nicht kommuniziere. „Wie will Viagogo eine Ticketfälschung ausschließen, wenn sie die Gültigkeit eines Tickets nicht überprüfen können?“, fragt Voerste.
Der Kontakt zwischen dem HSV und Viagogo läuft ausschließlich über Anwälte. So hat der Verein unter anderem eine Unterlassungserklärung gegen die Online-Ticketbörse abgegeben. Dabei geht es um den früheren Viagogo-Werbeslogan, der Verkauf sei „völlig legal“. Viagogo passte daraufhin sein Vokabular an. „Jede Bestellung ist legitim und sollte den Zugang zur Veranstaltung gewährleisten“, heißt es nun etwa auf Abendblatt-Nachfrage. Und weiter: „Wettbewerbswidrige Maßnahmen von Veranstaltern, die Kauf- und Wiederverkaufsoptionen auf bestimmte Plattformen beschränken, sind ein durchschaubarer Versuch, den Markt zu kontrollieren. Auf diese Weise schaden sie letztlich den Fans, indem sie ihre Auswahl, Flexibilität und ihren Zugang einschränken.“
Vereine verstehen Viagogo-Vorwürfe nicht
Die Vereine verstehen diesen Vorwurf nicht. „Wir sind erstaunt über einen solchen Vorwurf in Richtung der Vereine oder andere Veranstalter und appellieren an Viagogo, Rechte von Kunden zu stärken und diese vor überhöhten Preisen und Gebühren zu schützen“, heißt es dazu vom FC St. Pauli. Der Viagogo-Pressesprecher hält dagegen: Man wolle mit dem Angebot vermeiden, dass Plätze im Stadion leerbleiben. „Wir sind der Meinung, dass Karteninhaber das Recht haben, ihre Karte an eine andere Person weiterzugeben, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, die Veranstaltung zu besuchen“, sagt er.
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Abgesehen davon, dass eine „Meinung“ nicht mit einer vertraglichen Grundlage zu verwechseln ist, bieten sowohl der HSV als auch St. Pauli Möglichkeiten, Tickets unter Fans weiterzugeben, wenn man verhindert sein sollte. Die Kiezkicker haben eine vereinseigene Ticketbörse, wo die Karten zu herkömmlichen Preisen angeboten werden. Teilweise vermittele man dabei mehr als 1000 Tickets pro Spiel.
Beim HSV gab es in der Vergangenheit eine offizielle Ticketbörse des Supporters Clubs, später eine des gesamten Vereins. Diese hat der HSV mittlerweile abgeschafft, stattdessen haben Fans bis einen Tag vor dem Spiel die Möglichkeit, Tickets zurückzugeben. Die entsprechenden Plätze landen dann wieder im Ticketshop. Für deutlich weniger Geld als 943 Euro.