Hamburg. Rund um den Sieg gegen den Nürnberg wurde es in Bezug auf Mario Vuskovic emotional. Auch der Videoassistent sorgte für Aufregung.

Er war da. Irgendwo. Im Stadion. Nicht mittendrin, aber trotzdem dabei. Es gab kein Foto, auch keine TV-Kamera hatte ihn entdeckt. Und natürlich stand er auch nicht auf dem Platz, machte kein Tor, verhinderte keinen Treffer. Doch trotzdem war Mario Vuskovic am Sonnabend beim starken 3:0 (1:0)-Sieg des HSV gegen den 1. FC Nürnberg einer der Protagonisten.

Das deutete sich bereits an, als sich herumsprach, dass der wegen Dopings gesperrte Kroate erstmals wieder im Volksparkstadion war. Das wurde bekräftigt, als Jean-Luc Dompé seinen herrlichen Freistoßtreffer zum 1:0 mit dem Trikot des Kollegen feierte, und das bestätigte sich endgültig, als nahezu alle HSV-Profis nach der Partie aus dem Erfolg einen verbalen Mario-Vuskovic-Sieg machten.

Fall Vuskovic: HSV zeigt Unterstützung

„Wir lieben Mario, und wir zeigen, dass er einer von uns ist“, sagte Ludovit Reis. „Wir müssen auf ihn achten“, sagte Kapitän Sebastian Schonlau. „Wir wollten zeigen, dass wir hinter Mario stehen“, sagte Jonas Meffert. „Mario ist ein Spieler von uns. Er fehlt einfach“, sagte Torhüter Daniel Heuer-Fernandes. Und die Fans sagten, beziehungsweise skandierten nur eines, das aber laut: „Vuskovic! Vuskovic!“

Am Tag danach war es dann Vuskovic selbst, der erstmals seit dem Beginn des Doping-Prozesses etwas sagte. „Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um meinen Teamkollegen, dem Verein, den unglaublichen Fans und allen zu danken, die mich unterstützt und mir in diesen schwierigen Zeiten zur Seite gestanden haben“, schrieb der Fußballer auf seinem Insta­gram-Account. „Ich werde bis zum Ende für meine Unschuld kämpfen. Ich hoffe, wir sehen uns bald auf dem Feld.“

Niederlage vor Gericht käme Karriereende gleich

Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man ja. Doch bevor man Vuskovic tatsächlich wieder auf dem Feld sieht, wird man ihn zunächst im Gericht sehen. Am Freitag steht der dritte Prozesstag vor dem DFB-Sportgericht in Frankfurt am Main an. Wird der Wahl-Hamburger schuldig gesprochen, mit Epo gedopt und betrogen zu haben, dürfte der hochtalentierte U-21-Nationalspieler für vier Jahre gesperrt werden, was nach einem möglichen Gang durch alle Instanzen bis zum Internationalen Sportgerichtshof CAS einem Karriereende gleichkäme.

Für den gerade einmal 21 Jahre alten Vuskovic wäre das eine Tragödie, für den HSV ein schwerer sportlicher Verlust und ein wirtschaftlicher Totalschaden. Wird Vuskovic aber aufgrund von berechtigten Zweifeln freigesprochen, würde der gesamte Anti-Doping-Kampf der Nada und der Wada aus den Angeln gehoben werden. Es wäre ein Freispruch mit Explosionspotenzial. Und dann gibt es auch noch Variante drei: Der Vorsitzende Sportrichter Stephan Oberholz kann erneut kein Urteil sprechen – und der Kampf vor Gericht ginge ein weiteres Mal in die Verlängerung.

Jean-Luc Dompé hielt nach seinem Tor zum 1:0 das Trikot von Mario Vuskovic in die Höhe.
Jean-Luc Dompé hielt nach seinem Tor zum 1:0 das Trikot von Mario Vuskovic in die Höhe. © Witters

Teamkollegen zeigen viel Mitgefühl für Vuskovic

„Am Ende muss einem der Mensch Mario Vuskovic leidtun“, sagte Abwehrpartner Schonlau nach dem Spiel. „Was der durchleiden muss. Es geht um seine Karriere, (...) die so ein bisschen in Scherben liegt.“ Schonlau und die anderen Vuskovic-Mitspieler machten keinen Hehl daraus, auf welcher Seite sie bei dem Prozess stehen.

„Wir wollten unbedingt schnell ein Tor schießen, damit wir zeigen konnten, dass wir hinter Mario stehen“, sagte Meffert, der sich regelmäßig mit Vuskovic via WhatsApp austauscht und auch verriet, dass die Aktion, sein Trikot nach dem ersten Tor hochzuhalten, eine vom ganzen Team zuvor abgesprochene Sache war. „So wie Mario behandelt wird, weiß man ja gar nicht, was er darf und was er nicht darf. Es tut mir einfach wahnsinnig leid, was er durchmachen muss.“

Natürlich darf Vuskovic nicht mitspielen, er darf aber auch nicht mittrainieren, nicht einmal die Trainingsplätze betreten, auch die Kabine nicht. Doch all das hindert den durch A- und B-Probe überführten Dopingsünder offenbar nicht daran, weiterhin ein Teil der Mannschaft zu sein. „Er darf gerade nicht das machen, was wir alle lieben“, sagte Heuer Fernandes. „Es war ein kleines Zeichen, dass wir nur als Team erfolgreich sein können und wir ihn glücklich machen wollten. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass er im Stadion war.“

Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58

HSV legte gute Leistung ab – nicht anerkanntes Tor sorgt für Aufregung

Dabei durfte man wohl von einem dieser Ausgerechnet-Momente sprechen, als ausgerechnet Dompé mit einem direkt verwandelten Freistoß das Führungstor erzielte, zur Seitenlinie sprintete, sich das Trikot griff und es allen 57.000 Fans zeigte. Also ausgerechnet Dompé, der ebenfalls die Solidarität des HSV braucht, weil er weiterhin von der Staatsanwaltschaft beschuldigt wird, an einem mutmaßlichen Straßenrennen mit Unfall und anschließender Unfallflucht beteiligt gewesen zu sein. Ausgerechnet Dompé, dessen Karriere ebenso wie die von Vuskovic in Gefahr geraten könnte, wenn er schuldig gesprochen wird. Und ähnlich wie bei Vuskovic dürfte auch beim Ausgerechnet-Torschützen in den nächsten Tagen eine Entscheidung getroffen werden.

Dass der HSV auch nach Dompés Tor und Jubel noch sehr ordentlich Fußball spielte, hinten nur wenige Chancen zuließ und vorne durch Reis (52.) und den eingewechselten Ransford-Yeboah Königsdörffer (90.+5) noch zwei sehenswerte Treffer erzielte, ging an diesem Sonnabend fast ein wenig unter.

Boldt poltert über VAR

Das hatte allerdings nicht nur mit Dompé und Vuskovic zu tun, sondern auch mit einem weiteren Tor, das aber gar nicht zählte. Robert Glatzel hatte es erzielt (72.), bevor sich Videorichter Florian Lechner meldete und Schiedsrichter Tobias Reichel das Tor wegen eines angeblichen Fouls an Nürnbergs Christopher Schindler wieder zurücknahm).

„Ich habe dafür kein Verständnis. Das hat mit Fußball nichts zu tun. Ich muss aufpassen, dass ich mich an so einem Tag nicht noch hochjage“, polterte Sportvorstand Jonas Boldt, der sich doch hochjagte und die strittige VAR-Entscheidung sogar mit dem Dopingprozess um Vuskovic in einen Hut schmiss: „Ich weiß nicht, ob die da irgendwelche verschwommenen Dopingbilder aus Kreischa eingeblendet haben“, sagte Boldt bei Sky und spielte dabei auf die ebenfalls strittigen Analyseergebnisse aus dem Nada-Labor in Kreischa im Vuskovic-Prozess an.

Zur Erinnerung: Vier vom HSV beauftragte Institute hatten dem Dopingbefund aus Kreischa widersprochen, worauf DFB-Sportrichter Oberholz eine C-Probe anordnete. Ob eine solche am Freitag präsentiert wird, scheint eher unwahrscheinlich. Sicher ist nur eines: Mario Vuskovic wird wieder da sein. Am Freitag sogar mittendrin statt nur dabei.

Die Statistik

  • HSV: Heuer Fernandes – Katterbach (90.+4 Mikelbrencis), David, Schonlau, Muheim – Meffert – Reis, Bénes (84. Kittel) – Jatta (89. Nemeth), Glatzel (90.+4 Bilbija), Dompé (85. Königsdörffer).
  • 1. FC Nürnberg: Jensen – Castrop (65. Lohkemper), Florian Hübner, Schindler, Gyamerah – Flick, Tempelmann – Duman (75. Daferner), Nürnberger (81. Geis) – Duah, Möller Daehli.
  • Tore: 1:0 Dompé (19.), 2:0 Reis (52.), 3:0 Königsdörffer (90.+5).
  • Schiedsrichter: Reichel (Stuttgart).
  • Zuschauer: 57.000 (ausverkauft).
  • Gelb: Meffert (3), Jatta (4) – Nürnberger (6).
  • Statistik: Torschüsse: 17:15; Ecken: 4:4; Ballbesitz: 58:42 Prozent; gewonnene Zweikämpfe: 92:82.