Hamburg. Der HSV-Vorstand lässt sich von vielen Seiten beraten. Wer seine Vertrauten sind und welche Kontakte kaum jemand kannte.

Kurz vor Weihnachten tagt Jonas Boldt mit seinem Rat. Die Rede ist nicht vom Aufsichtsrat der HSV Fußball AG, der mit dem Alleinvorstand den im Sommer auslaufenden Vertrag verlängern will. Die Rede ist von Boldts persönlichem Ältestenrat. Der erlesene Kreis: Rudi Völler (62), Michael Reschke (65), Friedhelm Funkel (68), Peter Hermann (70), Erich Rutemöller (77) und Michael Skibbe (57). Sechs Größen aus der älteren Fußballgeneration – und Boldt (40) als Vertreter des operativen Geschäfts.

Dieser Ältestenrat, wie ihn Boldt nennt, beruht auf einem regelmäßigen, freundschaftlichen Austausch. Ein Netzwerk, das nur ein kleiner Teil ist eines großen Netzwerkes des HSV-Managers. Das fast jeden Tag größer wird. Und das auch ein Grund dafür ist, warum der langjährige Leverkusener sich im Volkspark eine so starke Stellung erarbeitet hat, dass er in den vergangenen dreieinhalb Jahren beim HSV so ziemlich jeden Machtkampf innerhalb des Vereins gewinnen konnte.

Dabei ist Boldt einer der wenigen Manager im deutschen Fußball, der keinen eigenen Berater beschäftigt. Stattdessen umgibt sich der HSV-Vorstand lieber mit externen Impulsgebern, die ihn „challengen“, wie es in der Sprache der Berater heißt. Ihn also herausfordern, kritisch hinterfragen, aber eben auch unterstützen. Insbesondere Reschke, ehemals als Manager bei Bayer Leverkusen, Bayern München und dem VfB Stuttgart tätig und heute Direktor der englischen Spielerberateragentur ICM Stellar, gilt als einer der wichtigsten Vertrauten von Boldt im Fußball.

Weise arbeitete für Jonas Boldt und den HSV

Aber auch außerhalb des Fußballs baut der HSV-Vorstand sein Netzwerk aus. Boldts Freundschaft zum ehemaligen Welthockeyspieler Moritz Fürste, einem der Mitinhaber der „Looooge“ im Volksparkstadion, ist bekannt. Was öffentlich bislang nicht bekannt war: Auch Fürstes ehemaliger Hockey-Bundestrainer Markus Weise (59) arbeitete zuletzt für Boldt und den HSV.

In Form einer Dienstleistungstätigkeit beriet Weise den Club als Schnittstelle zwischen Lizenzspielerkader und sportlicher Leitung sowie für den Bereich Innovation. Eine ähnliche Funktion hatte der viermalige Olympiasieger mit der Frauen- und Herrennationalmannschaft bis 2019 auch beim Deutschen Fußball-Bund inne.

Boldt schätzt Weises sportliche Expertise und versuchte diese auch für den HSV zu nutzen. Der Mannheimer war intern sogar als neuer Leiter des Nachwuchsleistungszentrums im Gespräch. Doch dem Ende September zurückgetretenen Interimsvorstand Thomas Wüstefeld war Weises Tätigkeit beim HSV ein Dorn im Auge. Er ließ den Vertrag zum 30. Juni genauso auslaufen wie die Zusammenarbeit mit der Agentur von Bernhard Peters.

Der ehemalige Sportdirektor des HSV für Nachwuchs und Entwicklung hatte mit seiner im August 2020 gegründeten Firma BP TeamCoaching seine Arbeit im Volkspark auf Honorarbasis fortgesetzt. Dabei ging es vor allem um den Peters-Mitarbeiter Ole Kappmeier, der Horst Hrubesch in den vergangenen zwei Jahren in dessen Funktion als Nachwuchsdirektor unterstützte. Auch diesen Vertrag ließ Wüste­feld aus finanziellen Gründen auslaufen – zum Unmut von Boldt und Hrubesch.

Jonas Boldt – Loyalität wird belohnt

Beraten und coachen ließ sich Boldt auch von Martin Rusam. Den Unternehmer und Berater von Führungskräften lernte der HSV-Vorstand in seiner Leverkusener Zeit über die Bayer AG kennen. Beim HSV sollte Rusam nicht nur Boldt Input im Bereich der Sportpsychologie und der Trainingswissenschaft geben, sondern auch der Mannschaft und dem Trainerteam, etwa mit Trainingsgeräten von Rusams Firma NeuroBodyTech GmbH. Wüste­feld sah aber auch darin keinen Mehrwert für den Club.

Wüstefelds Vorgehen war einer der Gründe, warum sich die beiden Vorstände im Frühjahr schnell verkrachten. Boldt setzt innerhalb der Geschäftsstelle auf ein hohes Maß an Loyalität. Wenn er spürt, dass seine Mitarbeiter sich von ihm distanzieren, lässt er sie schnell fallen. So geschehen mit seinem langjährigen Sportdirektor Michael Mutzel, dem er nach drei Jahren fristlos kündigte, nachdem dieser sich auf Wüstefelds Seite hatte ziehen lassen.

Wer vertrauensvoll und loyal mit Boldt zusammenarbeitet, erfährt den entsprechenden Rückhalt. Insbesondere Finanzdirektor Eric Huwer und Justiziar Philipp Winter arbeiten aktuell noch enger an Boldt, der die beiden als eine Art Außenministerium an seiner Seite weiß. Beide begleiteten ihren Vorgesetzten zuletzt auch in die USA.

Zum Lernen in die USA: Eric Huwer (Direktor Finanzen), Claus Costa (Leiter der Scoutingabteilung) und Jonas Boldt (Vorstand Sport) vom HSV.
Zum Lernen in die USA: Eric Huwer (Direktor Finanzen), Claus Costa (Leiter der Scoutingabteilung) und Jonas Boldt (Vorstand Sport) vom HSV. © WITTERS | LeonieHorky

Jonas Boldt meldete sich bei LinkedIn an

Dort machte Boldt das, was er am liebsten macht: netzwerken. So traf er sich in Los Angeles nicht nur mit den Managern der größten Fußballclubs, sondern auch mit Unternehmern. Im Silicon Valley etwa tauschte sich Boldt mit Christian Byza aus. Der Digitalmanager, der 2011 zusammen mit Philipp Westermeyer die Erfolgsplattform Online Marketing Rockstars (OMR) gründete, arbeitet in Kalifornien aktuell beim sozialen Netzwerk LinkedIn. Auf dieser Social-Media-Plattform ist Boldt seit rund einem Jahr selbst aktiv und teilt dort Beiträge. Weniger um sich als Marke zu präsentieren, sondern vielmehr um sein Netzwerk zu vergrößern.

Den Rat, sich bei LinkedIn ein Profil aufzubauen, hatte Boldt von Raoul Spanger bekommen. Der frühere HSV-Angestellte (Digital Operations), der nach seiner Tätigkeit im Volkspark für die Hamburger Werbeagentur Jung von Matt und die Spielerberateragentur Rogon arbeitete, berät heute Spitzensportler. Unter anderem arbeitet Spanger mit Formel-1-Fahrer Nico Hülkenberg und Surfer Sebastian Steudtner zusammen. Boldt berät er aber nur auf freundschaftlicher Basis, auch wenn dieser ab und an auf der Geschäftsstelle des HSV gesehen wird.

Boldt lässt sich von Spanger in einer Form Input geben, wie es sonst vor allem Moritz Fürste macht. Der HSV-Manager schätzt Spangers inhaltliche Ansätze. Ein weiterer Mehrwert dieser Verbindung: Die hohe Meinung, die Spanger von Boldt hat, tut dieser auch in der Branche kund.

Jonas Boldts Netzwerk reicht bis zum DFB

So baut sich der HSV-Vorstand nicht nur sein persönliches Netzwerk auf, sondern ganz nebenbei den Kreis seiner Unterstützer. Boldts Kontakte reichen bis in den Deutschen Fußball-Bund hinein. Zum gerade erst zurückgetretenen Manager der Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff, pflegt Boldt einen guten Draht.

Als der DFB vor einem Jahr einen neuen Osteopathen suchte, stellte Boldt dem Verband den Kontakt zu Jens Joppich her. Dieser arbeitete einst unter Dirk Nowitzki bei den Dallas Mavericks und im Anschluss gemeinsam mit Boldt in Leverkusen. In der Zeit bei Bayer konnte Boldt als Scout auf einer Reise zur Copa America in Argentinien sogar mal dem damaligen Nationaltrainer Chiles, Claudio Borghi, helfen, kurzfristig Tickets für das eigene Spiel zu besorgen, weil er seine Familienkarten vergessen hatte.

Jonas Boldt gründete eigene Firma

Schnittstellen wie diese sind es, die Boldt in seiner täglichen Arbeit immer wieder sucht. Um seine vielen Kontakte irgendwann noch auf eine andere Art zu nutzen oder in Start-ups zu investieren, hat er vor einem Jahr bereits eine eigene Firma gegründet. Als Geschäftsführer nutzt Boldt die Go ‘n-Vest UG aktuell als Vermögensverwaltung. Den Aufsichtsrat des HSV hatte er vor seiner bislang letzten Vertragsverlängerung im November 2020 über diese Pläne informiert.

Nun steht Boldt erneut vor einer Verlängerung im Volkspark. Spätestens beim Treffen mit dem Rat könnte Vollzug vermeldet werden. Erst mit dem Aufsichtsrat. Und dann mit seinem Ältestenrat.