Hamburg. Der HSV muss große sportliche und personelle Rückschläge wegstecken. Sportvorstand Boldt findet einen Kritikpunkt am HSV-Spiel.
Die medizinische Abteilung des HSV hatte am Mittwoch alle Hände voll zu tun. Im Volksparkstadion wurde die Wade von Ludovit Reis behandelt, ebenso der Rücken von Robert Glatzel.
Die schlechten Nachrichten gab es aber wenige Kilometer weiter nordöstlich im Athleticum des UKE. Dort wurden Moritz Heyer und Bakery Jatta untersucht. Beide HSV-Profis hatten sich bei der 0:4-Niederlage am Dienstagabend in der zweiten Runde des DFB-Pokals bei RB Leipzig am Sprunggelenk verletzt. Und für beide endete die MRT-Untersuchung mit einem Rückschlag.
Die bittere Diagnosen: Jatta riss sich gleich zwei Außenbänder im Sprunggelenk. Heyer zog sich einen Außenbandriss zu sowie eine Zerrung des Syndesmosebandes. Für beide ist das Fußballjahr 2022 gelaufen.
HSV: Wird Mikelbrencis ins kalte Wasser geworfen?
Am Sonntag (13.30 Uhr) im wichtigen Heimspiel gegen den FC Magdeburg fallen damit gleich drei etablierte Abwehrspieler aus. Linksverteidiger Tim Leibold fehlt mit seinem Muskelfaserriss noch zwei Wochen, Kapitän Sebastian Schonlau fehlt rotgesperrt zwei Spiele.
Und nun fällt auch noch Heyer erstmals in seiner HSV-Zeit für mehrere Wochen aus. Neuzugang William Mikelbrencis (18) dürfte Heyer ersetzen. Trainer Tim Walter sagte zwar erst zu Wochenbeginn, dass der junge Franzose noch Zeit braucht, aber nun braucht ihn der Trainer schneller als erhofft.
Weil Ogechika Heil (Faszienriss im Fuß) noch Zeit braucht und Jonas David in der Innenverteidigung für Schonlau einspringen muss, hat Walter keine weiteren Optionen mehr. „Gegen solche Situationen sind wir machtlos“, sagte Walter bereits am Dienstag nach dem Spiel.
HSV-Fans leisten psychologische Unterstützung
Die beiden Verletzungen sind zwei weitere Rückschläge einer schmerzhaften Phase, die am vergangenen Freitag mit der bitteren 0:3-Niederlage im Stadtderby beim FC St. Pauli begonnen hatte und sich mit einem 0:4 beim amtierenden Pokalsieger und Champions-League-Club Leipzig fortsetzte.
Um nicht in eine Herbstdepression zu verfallen, braucht der HSV am Sonntag gegen Aufsteiger Magdeburg um Ex-HSV-Trainer Christian Titz einen Sieg. Vor allem aber darf bis zur frühen Winterpause am 13. November in der Defensive nicht mehr viel passieren.
Psychologische Unterstützung bekam das Team am Dienstagabend in Leipzig von den rund 6000 mitgereisten Fans, die nach dem Abpfiff vor den Spielern in der Kurve sogar die Vereinshymne „Mein Hamburg lieb ich sehr“ anstimmten.
„Sind die Zeiten auch oft schwer“ – über diese Zeilen aus dem Abschlach-Lied diskutieren die Fans übertragen auf ihren HSV nach den zwei jüngsten Niederlagen mal wieder äußerst emotional. Mit einem mutigen und fußballerisch ansehnlichen Auftritt in der ersten Halbzeit hatte der HSV viele Herzen zurückerobert.
Selbst RB-Trainer Marco Rose sprach hinterher von einem „tollen Auftritt“ der Hamburger. Das Lob fiel ihm natürlich leicht nach einem letztlich ungefährdeten Sieg.
HSV: Fans diskutieren die Taktik von Trainer Walter
Bei einigen Fans hinterließ der Auftritt aber auch Schmerzen, die naturgemäß noch gar nicht ganz ausgeheilt waren vier Tage nach dem Derbyfrust. Der Unmut bei einem Teil der Anhänger richtete sich einmal mehr gegen die taktische Herangehensweise von Trainer Walter.
Der ließ auch in Leipzig wie schon zuvor am Millerntor auf St. Pauli selbst nach einem Zwei-Tore-Rückstand so weiterspielen, wie seine Mannschaft es eben immer macht. Und dieser Fußball kann einerseits so schön aussehen wie in der ersten halben Stunde von Leipzig. Er kann bei einfachen Fehlern und Ballverlusten andererseits auch schnell mal zu einem Gegentor führen.
Boldt hat einen Kritikpunkt am HSV-Spiel
Es ist eine Diskussion, die dazugehören wird, solange Walter beim HSV Trainer ist. Ändern wird der Coach seinen Stil nicht – das wurde in Leipzig einmal mehr deutlich. „Wir wollen unseren Fußball immer durchdrücken“, bestätigte auch Torhüter Daniel Heuer Fernandes.
Ob das immer so schlau ist? Das werden letztlich die weiteren Ergebnisse zeigen. Einen Negativtrend oder gar einen Knacks wollen die Verantwortlichen im Volkspark jedenfalls nicht ausmachen.
„Ich sehe uns nicht aus der Spur raus“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt. „Man muss die Spiele unterschiedlich bewerten.“ Boldts größter Kritikpunkt: „Aus den beiden Spielen muss man festhalten, dass wir die Standards besser verteidigen müssen.“ Wie schon bei St. Pauli hatte der HSV auch in Leipzig ein Gegentor nach einer Ecke kassiert.
„Uns wird das nicht umwerfen. Wichtig ist, aus so einem Spiel zu lernen. Dazu sind die Jungs zu bereit“, sagte Boldt.
Junge HSV-Profis rutschen in die Verantwortung
Insbesondere die junge Abwehr muss jetzt zeigen, dass sie schnell lernen kann. In Leipzig waren die Erwartungen an die HSV-Spieler gering. Gegen Magdeburg am Sonntag erwartet jeder wieder einen Sieg. Die Verantwortung muss dafür neu verteilt werden.
In der Viererkette wird Linksverteidiger Miro Muheim mit 24 Jahren am Sonntag der älteste Spieler sein, Jonas David mit 22 der älteste Innenverteidiger an der Seite von Mario Vuskovic (20).
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„Wir müssen beide Verantwortung übernehmen“, sagte David, der auch in der Woche darauf beim Topspiel in Paderborn im Abwehrzentrum aufläuft, ehe Schonlau zurückkehrt. „Wir alle werden unseren Kapitän vermissen. Jeder muss mehr Verantwortung übernehmen, auch ich“, sagte Jonas Meffert, der in Abwesenheit von Schonlau die Kapitänsrolle übernimmt.
HSV will andere Körpersprache zeigen
Die gute Nachricht: Neben Laszlo Bénes (Infekt) wird auch Robert Glatzel am Sonntag wieder spielen können. Nach seinem Hexenschuss im Kaiserslautern-Spiel wurde der Mittelstürmer im Pokal geschont. Dass er im Angriff für den HSV unersetzbar ist, wurde in Leipzig deutlich. „Wir freuen uns alle, wenn er am Sonntag wieder auf dem Platz steht“, sagte Meffert.
Und auch die Körpersprache soll dann wieder eine andere sein. „Es wird keiner mit hängendem Kopf auflaufen“, sagte Meffert. „Dafür werden unsere Fans schon sorgen.“ 52.000 Karten sind für Sonntag bereits weg. Auf seine Anhänger kann sich der HSV weiterhin verlassen.