Hamburg. Niederlagen gegen St. Pauli haben den HSV in der Vergangenheit lange beschäftigt. Walter will schon in Leipzig die Wende .
Wenn in der Sportredaktion des Hamburger Abendblatts an einem Sonntag zahlreiche Leserbriefe per E-Mail eintreffen, ist das für den HSV in der Regel kein gutes Zeichen. Die Fans unter den Lesern müssen meist dann etwas loswerden, wenn ihr Club sie enttäuscht hat.
Und die Enttäuschung nach der schmerzhaften 0:3-Niederlage im Stadtderby beim FC St. Pauli am Freitagabend war groß. Bei Abendblatt-Lesern („Fehlende Aggressivität und Robustheit“), bei Spielern wie Jonas Meffert („Das macht keinen Spaß, hier zu verlieren“), aber auch bei Trainer Tim Walter („Die Enttäuschung ist da“).
HSV News: Beim Club herrschte Unmut
Über die Art und Weise der öffentlichen Kritik aber herrschte beim HSV auch am Sonntag noch Unmut. Nach fünf Siegen und einem Unentschieden hatten die Hamburger mal wieder ein Ligaspiel verloren und wunderten sich insofern über die vielen negativen Reaktionen. „Wegen einer Niederlage lassen wir uns nicht umwerfen und malen nicht alles schwarz wie die Presse“, sagte Chefcoach Walter am Sonntagvormittag mit etwas Abstand.
Auch die Überschrift auf der Abendblatt-Titelseite („St. Pauli deklassiert den HSV“) trug dazu bei, dass die Verantwortlichen im Volkspark genervt waren. Tatsächlich hatte es am Freitagabend keinen Klassenunterschied gegeben, obwohl St. Pauli nach der frühen Roten Karte gegen Kapitän Sebastian Schonlau in Überzahl drei Tore schoss. Aber jemanden zu „deklassieren“ bedeutet im Sport eben vor allem, einen Gegner überlegener zu besiegen, als es dessen leistungsmäßige Klassifizierung erwarten lässt.
„Die Fans haben viel investiert"
Doch auch die Reaktionen nach dem Spiel im Fanblock des HSV machten deutlich, dass eine 0:3-Niederlage beim Stadtrivalen eben keine ganz normale Niederlage ist. Als Walter mit seiner Mannschaft proaktiv zur Nordtribüne des Millerntor-Stadions ging, um sich bei den Fans für den Support zu bedanken, war es ziemlich still. Wie HSV-Fans bei Twitter berichteten, soll der Vorsänger der Ultras dazu aufgerufen haben, den Spielern den üblichen Zuspruch zu verweigern.
Torhüter Daniel Heuer Fernandes diskutierte zwar noch mit den Anhängern, doch Walter wirkte irritiert. Am Sonntag äußert er aber sein Verständnis für die Reaktion. „Die Fans haben viel investiert. Wenn ich so eine Choreo mache und den Weg gehe, ist es klar, dass sie enttäuscht sind. Beim Rausgehen haben sie uns aber wieder ,HSV, HSV‘ hinterhergerufen. Am Ende kann man auch gemeinsam enttäuscht sein.“
St. Pauli bestrafte Fehler mit hoher Effizienz
Dass vor allem das Ergebnis am Ende ein Tiefschlag für alle Beteiligten war, ist unbestritten. In den vergangenen Spielzeiten wirkten die Niederlagen gegen St. Pauli meist noch lange nach. Wie tief der Schlag nach der bislang höchsten Stadtderbyniederlage im Profifußball für den HSV sitzen wird, zeigt sich womöglich schon am Dienstag (18 Uhr) im Zweitrundenspiel des DFB-Pokals bei Titelverteidiger RB Leipzig, ganz sicher aber am kommenden Sonntag in der Partie gegen den Aufsteiger FC Magdeburg. Spätestens dann muss der HSV zu seiner Form zurückfinden, die er in den vergangenen Wochen bis zum Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern (1:1) gezeigt hat.
Schon gegen den FCK hatte der HSV zu viele Chancen des Gegners zugelassen. St. Pauli bestrafte die individuellen Fehler am Freitag nun mit hoher Effizienz. „Widrigkeiten gehören dazu. Die entstehen momentan aus leichten Fehlern“, sagte Walter am Sonntag und forderte wieder mehr Intensität von seinen Profis. „Wir müssen wieder konsequenter sein – mit und gegen den Ball. Das ist unsere Basis. Deswegen haben wir die wenigsten Gegentore.“
Walter legt sich für das Pokalspiel in Leipzig bereits auf Jonas David fest
Walter legte sich am Sonntag bereits fest, dass Innenverteidiger Jonas David am Dienstag in Leipzig von Beginn an zum Einsatz kommen wird. „Er wird auf jeden Fall spielen, weil ich von ihm überzeugt bin“, sagte Walter. David wird Schonlau mindestens auch in den kommenden zwei Ligaspielen ersetzen müssen. Das Strafmaß für den HSV-Kapitän nach dessen Notbremse könnte am Montag bekannt gegeben werden. Ob Schonlau in Leipzig trotzdem spielen wird, ließ Walter noch offen. David soll in jedem Fall schon Spielpraxis sammeln, die er in dieser Saison bislang nur in Minuteneinsätzen bekam.
Die Abwehr war beim HSV in den vergangenen Monaten das Prunkstück. Trotz des 0:3 hat Walters Team noch immer die wenigsten Gegentore aller Zweitligisten. Im Angriff läuft es dagegen noch nicht wie erhofft. In der oberen Tabellenhälfte hat kein Club so wenig Tore geschossen wie der HSV (17). Paderborn auf Platz zwei hat sogar fast doppelt so viele Treffer erzielt (32). Das Spiel der Hamburger ist extrem zugeschnitten auf Robert Glatzel. Doch auch der Mittelstürmer erwischt mal einen schwachen Tag. Zudem plagen den 28-Jährigen die Folgen eines Hexenschusses. Gegen St. Pauli kam Glatzel nicht einmal gefährlich zum Abschluss.
Walter musste sich Kritik anhören
Walter musste sich aber auch Kritik anhören, weil er selbst mit zehn Mann noch auf Sieg spielte und in der Defensive auch nach dem 0:1 nicht mit einer taktischen Umstellung reagierte. Der Trainer verteidigte sich. „Der Glaube daran, auch mit zehn Mann zu gewinnen, ist da. Darum musst du so agieren. Zu sagen: Nur nicht verlieren – das sind wir nicht.“
Und so will es Walter auch beim Champions-League-Teilnehmer RB Leipzig machen, wo Topstürmer wie Timo Werner oder André Silva auf den HSV warten. Die Leipziger hatten am Sonnabend zur Halbzeit mit 3:0 gegen Hertha BSC geführt, am Ende hieß es 3:2.
HSV News: „Wenn wir dahin fahren, wollen wir gewinnen“
„Wir müssen schon den Ball haben wollen und mit Mut und Intensität dagegenhalten, sonst kann es schnell genauso aussehen“, sagte Walter. Im Halbfinale des Pokalwettbewerbs der vergangenen Saison hatte der HSV gegen den SC Freiburg bereits erlebt, dass man gegen eine Spitzenmannschaft der Bundesliga schnell mit 0:3 zurückliegen kann, wenn man im Spielaufbau einfache Fehler macht. Trotzdem sagt Walter über die Aufgabe am Dienstag: „Wenn wir dahin fahren, wollen wir gewinnen.“
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Und wenn es Walter wieder schafft, diese Überzeugung auf seine Mannschaft zu übertragen, könnte auf den Rückschlag gegen Kaiserslautern und den Tiefschlag gegen St. Pauli spätestens gegen Magdeburg wieder der Befreiungsschlag folgen.