Hamburg. Die Hamburger konnten sich im Pokal bei RB Leipzig nicht für das verlorene Stadtduell rehabilitieren. Doch die Fans reagierten anders.
Die letzten Minuten des Abends verfolgte Tim Walter mit verschränkten Armen. Der Trainer des HSV hatte in seiner Coachingzone wie immer alles gegeben. Doch am Ende musste er auch er einsehen, dass der Champions-League-Teilnehmer und Pokalsieger RB Leipzig eine Nummer zu groß war für den Hamburger Zweitligisten, der sich am Dienstagabend im Zweitrundenspiel des DFB-Pokals zwar lange Zeit teuer verkaufte, am Ende aber keine Chance hatte. Mit 4:0 (2:0) besiegte Leipzig den HSV, der für einen Abend erleben durfte, was Königsklasse bedeutet.
Trotz des klaren Ergebnisses müssen sich die Hamburger für ihre Leistung nicht schämen. Im Gegenteil. Walters Mannschaft spielte vor allem in der ersten Halbzeit mutigen Fußball.
RB Leipzig bestraft den HSV im DFB-Pokal eiskalt
Doch Leipzig zeigte in einzelnen Spielphasen, warum der Club in einer Woche gegen Real Madrid in der Champions League spielt. „Der Unterschied war heute, dass Leipzig die Tore gemacht hat – und wir nicht“, sagte HSV-Verteidiger Jonas David, der nach fast einem Jahr erstmals wieder in der Startelf stand. „Es hat trotzdem Spaß gemacht“, sagte der 22-Jährige.
Die gut 5000 HSV-Fans feierten ihre Mannschaften noch weit nach Spielschluss – anders als vier Tage zuvor nach der schmerzhaften 0:3-Derbyniederlage beim FC St. Pauli am Millerntor.
HSV spielt in Leipzig mutig
Mut, Leidenschaft und Geschlossenheit hatte Trainer Walter von seiner Mannschaft eingefordert. Und tatsächlich spielten die Hamburger auch vor 44.787 Zuschauern in der Red-Bull-Arena von Leipzig mutig und fast schon dominant von hinten heraus. Auch in der Vorwärtsbewegung traute sich der HSV etwas zu. Der beste Hamburger der bisherigen Saison, Ludovit Reis, hatte mit seinem Schuss aus 18 Metern die erste Chance des Spiels (5.).
Reis spielt auf der Doppelacht an der Seite von Anssi Suhonen, so wie es Toni Kroos und Luka Modric bei Real Madrid machen. Und ganz im Stile der Königlichen erzeugte auch der HSV in der ersten Halbzeit eine hohe Dominanz.
Neben Suhonen durfte mit David ein zweites Eigengewächs erstmals in dieser Saison von Beginn an spielen. Kapitän Sebastian Schonlau, der die nächsten zwei Ligaspiele nach seiner Roten Karte im Stadtderby zuschauen muss, saß auch in Leipzig auf der Bank. Trainer Walter hatte David öffentlich schon zwei Tage vor dem Spiel gestärkt. Der 22-Jährige machte es ordentlich, doch bei seinem Fehler vor dem 0:2 war ihm die fehlende Spielpraxis anzumerken.
HSV-Einzelkritik: Muheim sammelte Videomaterial
Hätte der HSV den frisch gekürten Weltfußballer Karim Benzema im Team, wäre er möglicherweise nach 30 Minuten in Führung gelegen. 4:2 lautete die Torschussdifferenz für die Hamburger, 58 Prozent Ballbesitz machte zudem deutlich, dass sich der HSV wie von Walter angekündigt auch gegen den amtierenden Pokalsieger nicht einigelte.
Und wie das Spiel gelaufen wäre, wenn der Schuss von Miro Muheim in der 20. Minute nicht von der Latte an den Pfosten geprallt wäre, sondern ins Netz? Das wird für immer eine unbeantwortete Frage bleiben.
Poulsens Doppelschlag entscheidet das Pokalspiel früh
Denn innerhalb weniger Minuten gab Leipzig die Antwort auf die Frage, ob der HSV wirklich eine Überraschung schaffen könnte. Die Antwort trug den Namen Yussuf Poulsen. Der dänische Vertreter des fehlenden Nationalstürmers Timo Werner (Infekt) entschied das Pokalspiel innerhalb von nur drei Minuten mit zwei fast identischen Toren.
Zwei schnelle Gegenangriffe reichten, um zu zeigen, welcher der beiden Clubs in der Champions League spielt. Jeweils über rechts kombinierte sich RB in den Strafraum. Zunächst drückte Poulsen eine Hereingabe von Mohamed Simakan aus fünf Metern über die Linie (33.), drei Minuten später legte David Silva quer.
Simakans Kopfstoß gegen Jatta sorgt für Ärger
Für Ärger sorgte dann eine Szene kurz vor der Halbzeit. Simakan und Bakery Jatta standen sich wie zwei Bullen kurz vor dem Nahkampf gegenüber und der Leipziger ließ sich zu einem leichten Kopfstoß hinreißen. Eine klare Rote Karte, die Schiedsrichter Benjamin Cortus wohl nur deshalb lediglich mit Gelb ahndete, weil Jatta im Stile eines Stieres stehen blieb, anstatt sich im Stile eines Fußballers hinzuwerfen.
„Es fällt schwer, sich darüber nicht aufzuregen. Wenn der Schiedsrichter es gesehen hat, verstehe ich nicht, warum er da eine Gelbe Karte gibt“, ereiferte sich HSV-Vorstand Jonas Boldt später bei Sky.
- Vor Duell mit HSV: Leipzigs Profis schenken sich Diamantring
- Leipzig ist dem HSV auch wegen der Transferpolitik enteilt
- Derby-Pleite: Wie tief sitzt der Tiefschlag?
Die zweite Halbzeit war dann schnell erzählt. Es passte zum Spiel, dass ausgerechnet Simakan per Kopf das 3:0 erzielte (69.). Der Verteidiger hätte eigentlich gar nicht mehr mitspielen dürfen. Nationalspieler Benjamin Henrichs setzte dann mit seinem Tor zum 4:0 den Schlusspunkt (82.) der Partie. Trainer Walter konnte trotzdem stolz auf die Leistung seiner Mannschaft sein.
Für das Erreichen der zweiten Hauptrunde zahlte der DFB eine Prämie in Höhe von 418.494 Euro. Der Pokalsieger 2023 kann am Ende mit Einnahmen von 4,32 Millionen Euro rechnen. Im Viertelfinale bekommen die Teilnehmer 1,67 Millionen und im Halbfinale rund 3,35 Millionen Euro. Der Finalverlierer erhält 2,88 Millionen aus den TV- und Sponsoringeinnahmen.