Hamburg. Aus Aberglauben – der erste Treffer für den FC St. Pauli gegen den HSV war ein absichtliches Eigentor.

Es gibt viele lustige Fußballsprüche, die sich ins Gedächtnis eingebrannt haben. „Fußball ist wie eine Frikadelle – man weiß nie, was drin ist“, sagte einst St. Paulis Martin Driller. Natürlich setzten auch HSV-Legende Horst Hrubesch („Ich sage nur ein Wort: vielen Dank!“) oder Lothar Matthäus („Das Chancenplus war ausgeglichen“) unvergessliche Glanzpunkte.

Anfang der Woche aber schrieb mich mein Freund Kai, alles andere als ein Fußballkenner, an und teilte mir stolz mit, dass er zum Derby eingeladen worden sei. Er schloss mit der Frage, was er wissen müsse. Spontan dachte ich an Bill Shankly (Liverpool): „Einige Leute halten Fußball für eine Sache von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es viel ernster ist!“

Stadtderby für viele Fans von großer Bedeutung

Und es stimmt schon, lieber Kai, für sehr viele Fans ist der Ausgang des Stadtderbys von herausragender Bedeutung. Von Abneigung bis zu regelrechtem Hass reicht die Palette in beiden Fanlagern. Würdest du dich mit einem St. Paulianer unterhalten, würde er dir vermutlich genussvoll davon erzählen, wie sein Verein dem Stadtrivalen in der Saison 2019/20 mit zwei Siegen die Rückkehr in die Bundesliga vermasselte.

Ein HSV-Anhänger käme schnell auf die überschaubare Titelsammlung der Braun-Weißen – die Zweitligameisterschaft 1977. Der direkte Konter könnte lauten, dass sich der HSV derzeit nur in der ewigen Zweitliga-Tabelle (Platz 63) hocharbeitet, in der die Kiezkicker übrigens Platz zwei hinter Fürth belegen.

Erstes Duell musste an den Rothenbaum verlegt werden

In den 140 Duellen seit 1919 (davon 33 Freundschaftsspiele) kamen allerdings in der Anfangszeit auch einige skurrile Ereignisse zusammen. Dieses unnütze, aber durchaus unterhaltsame Derbywissen will ich dir nicht vorenthalten, damit du auch als Anfänger punkten kannst.

Das erste Duell am 7. Dezember 1919 musste an den Rothenbaum verlegt werden, da der Grandplatz des „Hamburg-St. Pauli Turnvereins“ auf dem Heiligengeistfeld ungeeignet schien. Womöglich ging die Platzverlegung an einigen Spielern vorbei, jedenfalls standen beim Anpfiff nur acht St.-Pauli-Spieler auf dem Platz. Kurz darauf erschien zwar ein neunter Mann, jedoch ohne Trikot. Er musste sich ein altes Germania-Shirt des Gegner leihen. Endstand: 9:0 für den HSV.

Erstes St.-Pauli-Tor ein absichtliches Eigentor

Kurios auch, wie das erste St.-Pauli-Tor gegen den HSV 1923 zustande kam – es war ein absichtliches Eigentor. 5:0 lagen die Rothosen in der Alsterkreis-Liga kurz vor Schluss vorne, als Verteidiger Albert Beier einen Pass von Torwart Hans Martens annahm und den Ball überlegt ins eigene Tor schoss. Kein Witz: 13 Gegentore hatte das HSV-Team bis dahin kassiert, für Beier eine Unglückszahl, die er so elegant korrigieren konnte. 93:14 Tore lautete schließlich die Tordifferenz.

Apropos Tore: Solltest du auf den Spielausgang tippen wollen, bietet sich ein 0:0 kaum an. Nur fünfmal bei 107 Pflichtspielen gab es eine Nullnummer. Den höchsten Sieg landete der HSV 1940 (10:1), St. Pauli siegte während des Zweiten Weltkriegs 1943 mit 8:1.

Derbyfluch wird von beiden Seiten gefürchtet

Auch gut als Spaß-Fakt: Mangels gemeinsamer Teilnahme an Pokalendspielen könnte man glauben, dass alle Duelle in Hamburg angepfiffen wurden. Stimmt nur fast. 1995 standen sich die Teams in Landshut im Biller-Cup gegenüber (Endstand 1:1, 7:6 nach Elfmeterschießen für den HSV). In schlechter Erinnerung blieb das Aufeinandertreffen aber vor allem deshalb, weil sich der Veranstalter mit den Einnahmen davonmachte und weder der HSV noch St. Pauli Antritts- oder Siegprämien gezahlt bekamen.

Unvermittelt auftreten kann in den Stadtduellen auch der von beiden Seiten so gefürchtete Derbyfluch. So gewann der FC St. Pauli zwar 2011 nach 33 Jahren wieder gegen den HSV (1:0 im Volksparkstadion), ergatterte danach aber in zwölf Spielen nur noch einen Punkt und stieg aus Liga eins ab. 2019 wiederum gewann der HSV am 25. Spieltag glorreich 4:0 am Millerntor. Die Ausbeute aus den restlichen neun Partien betrug nur sechs Punkte – zwei Zähler mehr hätten zum direkten Wiederaufstieg genügt.

Aber diese Gruselstatistik bitte nur dezent einsetzen, Kai. Sonst könnte dir jemand wie einst Bruno Labbadia entgegnen, dass dies alles nur „von den Medien hochsterilisiert“ sei. Denn schlauer bist du, was den Spielausgang betrifft, leider immer noch nicht.

Mitarbeit: Broder-Jürgen Trede