Hamburg. Jakobsweg war gestern, heute können HSV-Fans einen ganz besonderen Pilgerweg auf 17 Stationen bis zum Volksparkstadion wandern.

Das Beweisfoto hat Anna Stöcken auf ihrem Handy immer mit dabei. Die HSV-Anhängerin kniet mit ihrem großen Wanderrucksack mitten auf dem Jakobsweg neben einem Wegweiser in Galicien, auf dem die restlichen Kilometer bis Santiago de Compostela angezeigt werden. Noch 18,870 Kilometer bis zum Ziel – wenn das kein Zeichen des Himmels ist.

1887 wurde der HSV gegründet. 1887 ist für HSV-Fans eine magische Zahl. Und deswegen lag es auch nahe, dass der Pilgerweg, den Anna Stöcken für und von HSV-Fans quer durch Hamburg entworfen hat, exakt 18,87 Kilometer lang ist.

Die HSV-Tour umfasst 17 Stationen zwischen Landungsbrücken und Volkspark

An diesem Sonntag war es wieder so weit. Stöcken und sieben Gleichgesinnte trafen sich an den Landungsbrücken, um genau das zu machen: zu pilgern. Vom Hamburger Hafen über St. Pauli, vorbei an Planten un Blomen, um die Binnenalster herum, am Rothenbaum entlang, durch Eppendorf, Stellingen bis hin zum Volksparkstadion. An 17 geschichtsträchtigen und aktuellen Orten, die immer einen Bezug zum HSV haben, wurde pausiert – ehe die Gruppe nach fünf Stunden und 15 Minuten schließlich tatsächlich ihr Ziel erreichte. Die Belohnung: Pommes und Bier im Stadionrestaurant Die Raute.

Die Route haben die HSV-Wanderer vor allem Stöcken zu verdanken. Die Lehrerin ist seit ihrem ersten Besuch im Volksparkstadion als Elfjährige 1999 HSV-Fan, arbeitet seit 17 Jahren ehrenamtlich im Supporters-Club mit – und hat als studierte Theologin gleichzeitig großes Interesse an Religion und dem Pilgern. Ihre Uni-Abschlussarbeit lautete: „Gespielter Ball – gelebte Religion. Die Bezüge zwischen Fußball und christlicher Religion vor dem Hintergrund pädagogischer Arbeit mit Jugendlichen“.

Die Bezüge zwischen dem HSV und Hamburg sind eigentlich klar – allerdings in dieser Vielzahl vielleicht auch nicht. „Es gibt so viele Dinge, die man als HSV-Fan in Hamburg entdecken kann“, sagte Stöcken, die ein Jahr lang eine Route quer durch die Stadt ausgetüftelt hat. Wie kam der Fußball überhaupt in die Hansestadt Hamburg? Wo fanden die ersten Spiele statt? Und was hat das Hotel Vier Jahreszeiten mit dem HSV zu tun? All diese Fragen (und noch viele andere) will und wollte Stöcken auf ihrer Tour beantworten.

Birgit musste nicht lange überlegen, als sie in der vergangenen Woche hörte, dass am Sonntag wieder gepilgert werden sollte. „Für mich ist es das zweite Mal, dass ich hier mitgehe. Ich finde die Idee überragend – und irgendwie findet man immer wieder etwas Neues“, sagte die 51-Jährige, als sie vor der HSV-Bar Sportpub Tankstelle mitten auf dem Kiez eine kurze Verschnaufpause einlegte. Die Schleswig-Holsteinerin aus Trappenkamp ist Allesfahrerin. „Ich bin bei jedem Auswärtsspiel des HSV dabei – sofern ich denn auch eine Karte bekomme“, sagte sie. Nun ist sie Allesfahrerin und Allesgeherin.

Dabei sollte man den Weg vom Hafen bis zum Stadion nicht unterschätzen. „Ich wollte einfach mal meine Grenzen austesten“, sagte Andrea, die sich das ambitionierte Ziel gesetzt hat, an einem normalen Tag bis zu 10.000 Schritte zu gehen. Am Sonntag waren es 25.269 Schritte.

Jeder gemeinsame Schritt gehört zum Ziel dazu. „Die Idee ist, dass man auch dieses Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt“, sagte Stöcken, die im blauen HSV-Hamburg-Pullover am Sonntag unterwegs war. Und auch ihre Mitstreiter und Mitstreiterinnen waren in HSV-Kleidung dabei, was vor allem auf St. Pauli – ein Stadtteil, den Stöcken so nicht ausspricht – für einige Hingucker sorgte. Von Passanten hörten sie immer wieder einen Satz: „Guck mal, HSV-Fans!“

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Auf dem 18,87 Kilometer langen Weg gab es natürlich auch mehr als genügend Zeit, um den 3:2-Sieg des HSV zwei Abende zuvor in Kiel Revue passieren zu lassen. „Das war schon ziemlich unterhaltsam. Für meinen Geschmack fast zu unterhaltsam“, sagte Birgit, die zwar Allesfahrerin ist, aber ausgerechnet für das Holstein-Spiel keine Karten mehr bekommen hatte. Die HSV-Anhängerin, die auch im Supporters-Chor mitsingt, hat das Beste draus gemacht. Mit einer Freundin habe sie das Spiel von zu Hause aus verfolgt – „mit Cola, Korn und Kartoffelchips“.

HSV-Fans lernen die Stadt auf Pilgertour ganz neu kennen

Korn hatte am Sonntagmorgen zwar niemand dabei, aber ein paar Snacks zwischendurch erlaubte sich die Siebenergruppe auf ihrer Wandertour quer durch Hamburg dann doch. Kurios: Direkt am Anfang liefen die Pilger-Fans sogar parallel zum waschechten Jakobsweg. Anna Stöcken zeigte an einer Kreuzung an den Landungsbrücken auf einen blau-gelben Pfeil, der die Richtung bis Santiago de Compostela vorgibt. Doch obwohl Stöcken gerade erst wieder in diesem Sommer in Portugal und Spanien auf dem Jakobsweg 330 Kilometer unterwegs war, könnte man ihrer Meinung nach auch problemlos 1887 Kilometer quer durch Hamburg pilgern und dabei immer wieder neue Dinge entdecken. „Auf diese Art und Weise lernt man auch seine eigene Stadt ganz neu kennen“, sagte sie.

Am Sonnabend wird die Dauerkartenbesitzerin, die bei Heimspielen auf der Nordtribüne in Block 27A zu finden ist, natürlich auch wieder ins Volksparkstadion pilgern. Zum Topspiel gegen Fortuna Düsseldorf (20.30 Uhr) aber nicht 18,87 Kilometer zu Fuß, sondern eher 1,887 Kilometer mit dem Rad.

Weitere Informationen über den HSV-Pilgerweg erhält man über die Webseite www.hsv-pilgerweg.de. Noch steht nicht fest, wann die nächste Tour startet. Die Teilnahme ist aber kostenlos.

Der HSV plant in der WM-Pause eine mehrtägige USA-Marketing-Reise. Nach Abendblatt-Informationen laufen die Vorbereitungen seit Wochen, eine konkrete Tour gibt es aber noch nicht. Nach Angaben der „Bild“ ist in der spielfreien Zeit darüber hinaus ein Trainingslager in Südeuropa geplant. Demnach sollen Spanien oder Portugal als Ziele favorisiert sein.