Hamburg. Der HSV-Aufstieg wird sich nicht nur auf dem Rasen entscheiden. Der Führungsstreit hat nun offenbar einen Wunschkandidaten abgeschreckt.

Viel schöner hätte sich Jonas Boldt den freien Sonntag nicht malen können. Morgens zwei Kaffee in Eppendorf, vormittags ein Kaltgetränk in Eimsbüttel und mittags dann gemütlich die Zweite Liga vorm TV verfolgen. Dazu noch bestes Spätsommerwetter. Herrlich.

Ganz so herrlich war das Wetter am Vortag zwar nicht, aber Boldts Laune war auch schon am Sonnabend hervorragend. „Es ist einfach ein gutes Gefühl, so ein Spiel zu gewinnen, in dem auch nicht alles geklappt hat“, bilanzierte der Sportvorstand am Morgen nach dem 3:2-Auswärtssieg in Kiel zufrieden. Der HSV, sein HSV, hatte am Freitagabend das neunte Auswärtsspiel in Folge und das dritte Pflichtspiel hintereinander gewonnen, zudem für eine Nacht die Tabellenführung erobert. Und das alles, ohne dabei ans Leistungslimit zu gehen.

„Was auffällig ist, dass wir uns von einer nicht so guten Anfangsphase nicht aus der Ruhe bringen lassen“, sagte Boldt am Sonnabendmorgen, während in seinem Rücken die Ersatzspieler trainierten. Der gut gelaunte Boldt lobte den zuletzt herausragenden Torhüter Daniel Heuer Fernandes („Mit Torwarttrainer Sven Höh hat er noch mal einige Schritte nach vorn gemacht“), den immer besser werdenden Laszlo Benes („Wenn er so weitermacht, wird er seine Chance von Anfang an bald wieder bekommen“) und vor allem Trainer Tim Walter als mutmaßlichen Vater des momentanen Erfolgs: „Der Trainer identifiziert sich mit Haut und Haaren mit der Aufgabe HSV. Er macht hervorragende Arbeit.“

HSV-Vorstände Boldt und Wüstefeld pflegen weiter Nicht-Verhältnis

Darf man also annehmen, dass beim krisenerprobten HSV endlich eitel Sonnenschein herrscht? Natürlich nicht! Denn je länger man Boldt am Sonnabend so zuhörte, desto mehr gewann man den Eindruck, dass auf dem Rasen zwar alles im Fluss ist, dass es abseits des Grüns aber weiter – vorsichtig formuliert – Optimierungsbedarf gibt. „Wir werden sehen, wie sich das alles in den nächsten Wochen weiterentwickelt. Die Frage ist ja auch: Wie geht es mit den handelnden Personen weiter?“, stellte Boldt selbst am Sonnabend eine der zentralen Fragen des HSV.

Beantworten kann der 40-Jährige diese aber nicht. „Ich habe eine klare Meinung dazu. Aber ich bin da entspannt“, sagte Boldt, als er konkret nach seiner Zukunft gefragt wurde. „Es liegt eben nicht in meinem Entscheidungsbereich“, sagte der Vorstand, der noch bis kommenden Sommer Vertrag hat. „Irgendwann kommt der Punkt, wo es gut wäre, das zu klären. Vielleicht macht sich auch ein Trainer, ein Spieler oder ein Berater seine Gedanken.“

Noch kurzfristiger läuft nur die Vereinbarung mit Boldts Vorstandspartner Thomas Wüstefeld, dessen Pro-bono-Jahr bereits im Januar endet. Und trotz des sportlichen Erfolgs bleibt es dabei, dass die beiden wichtigsten Männer des HSV auch weiterhin ein Nicht-Verhältnis pflegen. In den 22 Minuten und 18 Sekunden, in denen Boldt am Sonnabend zu nahezu allen wichtigen Themen des HSV Stellung bezog, erwähnte er Wüstefeld kein einziges Mal namentlich. Als es in der Medienrunde am Rande des Platzes schließlich konkret um den 53-Jährigen ging, nannte ihn Boldt lediglich „meinen Kollegen, der sich um die Finanzen kümmert“.

Boldt-Wunschkandidat Lense wird nach Wüstefeld-Veto nicht kommen

Der angesprochene Kollege, „der sich um die Finanzen kümmert“, war es auch, der vor einigen Wochen sein Veto gegen den Boldt-Plan, Sascha Lense als Technischen Direktor zu verpflichten, eingelegt hatte. Genauso wie dann auch der Aufsichtsrat um Chefkontrolleur Marcell Jansen. Da Boldt selbst nicht weiß, wie es mit ihm ab kommenden Sommer weitergeht, wird Lense nach Abendblatt-Informationen in dieser Saison nicht mehr kommen.

Doch wie geht es weiter beim HSV? Bei dieser Frage ist derzeit vor allem der von Boldt namentlich nicht erwähnte Wüste­feld gefragt, der in dieser Woche vermeintlich eine ganze Reihe von wichtigen Zukunftsgesprächen hat. Laut „Bild“-Zeitung ist der HSV-Vorstand am Mittwoch im Finanzausschuss der Stadt geladen, um über die immer noch offene Finanzierung der Stadionmodernisierung zu sprechen. Erstaunlich nur, dass man auf Nachfrage des Abendblatts vonseiten der Stadt nichts von einem Gespräch zwischen Finanzausschuss und Wüstefeld weiß. Auch ein Aufsichtsratstreffen, das nach Abendblatt-Informationen für Mittwoch angedacht war, wurde vorerst abgesagt.

120-Millionen-Angebot: Boldt rollt HSV-Investor Kühne roten Teppich aus

Somit muss Boldt auch auf die seit Wochen vorbereitete Verlängerung mit Trainer Walter warten. „Das werden wir auf der nächsten Sitzung, wenn sie denn ansteht, besprechen“, sagte Boldt, der keinen Hehl daraus macht, dass er irritiert über das zögerliche Vorgehen des Aufsichtsrats ist. „Wir müssen nicht bis zum Ende der Saison warten und schauen, ob wir aufsteigen. Entweder hat man eine Überzeugung oder nicht“, so Boldt. „Von meiner Seite ist die Überzeugung da.“

Die ist im Übrigen auch bei Gesprächsrunde Nummer drei, die in dieser Woche stattfinden soll, eindeutig. So wollen der HSV und Klaus-Michael Kühne noch vor dem Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf noch einmal über das 120-Millionen-Euro-Angebot sprechen, das der Milliardär dem Club vor Wochen unterbreitet hatte.

Während das Präsidium um Marcell Jansen damals ablehnten und Vorstand Wüste­feld sogar vor einem Rechtsstreit mit dem HSV-Investor steht, hat sich Boldt deutlich für die Kühne-Seite positioniert. „Ich stehe solchen Dingen immer sehr positiv gegenüber, wenn einer bereit ist, einem Verein so viel Geld zur Verfügung zu stellen und auch offenkundig Strukturen stabilisieren will, das Stadion auf Vordermann bringen will“, sagte der Sportvorstand. „Es ist schon ein Angebot, mit dem du dich meiner Meinung nach definitiv auseinandersetzen musst. Aber das liegt jetzt primär beim Präsidium.“

Boldt ist beim Gipfeltreffen nicht eingeladen. Schlechte Laune hatte er deswegen an diesem Wochenende aber nicht.