Hamburg. Das Team von Trainer Tim Walter steht nach 1:0 gegen den KSC auf Rang zwei. Dabei glänzten die Hamburger mal wieder als Minimalisten.

Das Resümee am Tag danach fiel trotz des erneuten Sieges irgendwie verhalten aus. Ja, gewonnen. Toll! Ja, schon wieder kein Gegentor kassiert. Super! Und ja, bis auf den zweiten Tabellenplatz geklettert. Auch super-toll! Doch so ganz zufrieden war man nach dem erneuten minimalst möglichen Sieg nicht. Nach dem Motto: Immer 1:0 gewinnen kann einfach nicht immer gut gehen.

Die Rede ist von Borussia Dortmund. Nach zwei 1:0-Siegen in Folge gegen Hertha und nun Hoffenheim steht das BVB-Starensemble mit einer überschaubaren Tordifferenz von nur plus vier dort, wo es meistens auch am Ende der Saison steht: auf dem zweiten Platz. In der Momentaufnahme aber immerhin vor den Bayern.

Sieg gegen KSC: HSV hat überschaubare Tordifferenz

Eine Liga tiefer könnte sich auch der HSV mit Tabellenplatz zwei durchaus anfreunden. Auch die Hamburger haben an diesem Wochenende 1:0 gewonnen – nicht gegen Hoffenheim, sondern gegen den benachbarten KSC. In einem Heimspiel übrigens schon zum zweiten Mal. Auch der HSV hat eine überschaubare Tordifferenz von plus sechs. Und auch die Hamburger sind Zweiter. Aber: Auch der HSV ist trotz zuletzt fünf Siegen in sechs Pflichtspielen nur so halb zufrieden. Denn die Frage, die man in Dortmund und in Hamburg gleichermaßen stellt, lautet: Kann das dauerhaft gut gehen?

Jein, würden die Mitglieder der Hamburger Hip-Hop-Band „Fettes Brot“ jetzt wohl grölen, wenn sie nicht erstens in dieser Woche ihre Auflösung bekanntgegeben hätten und sie zweitens nicht überzeugte St.-Pauli-Anhänger wären. Doch ganz unabhängig von König Boris, Doktor Renz und Björn Beton kann man auch im Volkspark gute Gründe für das HSV-Glas ist halbvoll und das HSV-Glas ist halbleer finden. „Wir sind schon wieder nicht gut ins Spiel gekommen. Karlsruhe hatte einige gute Torchancen, Ferro (Torhüter Daniel Heuer Fernandes, die Red.) hält überragend“, mäkelte beispielsweise Jonas Meffert am späten Sonnabend, nur wenige Minuten, ehe er in seinen 28. Geburtstag reinfeiern konnte. Doch Geburtstagskind Meffert lobte eben auch: „Die zweite Halbzeit waren wir dafür sehr reif und erwachsen. Das hat mir richtig gut gefallen.“

Heuer Fernandes überragt mal wieder beim HSV

Noch am Spieltag hatte das Abendblatt „Bobby oder Bayern“ getitelt – und damit auf die Hamburger Art und Weise des Toreschießens erinnert. Denn entweder trifft meistens Robert „Bobby“ Glatzel – oder Trainer Tim Walter setzt auf eine flexible Offensivreihe mit viel Rotation.

Am späten Sonnabend waren allerdings weder Bobby noch das Bayern-System entscheidend, sondern Borussia Dortmunds Mühsam-ernährt-sich-das-Eichhörnchen-Strategie. So reichte in der eher schwachen ersten HSV-Halbzeit ein Geniestreich von Mittelfeldmann Ludovit Reis, um mit 1:0 in Führung zu gehen – und diese Führung vor allem dank des herausragenden Heuer Fernandes bis zum Ende des Spiels auch zu verteidigen.

„Unsere Defensive macht uns derzeit stark“, gab der viel gelobte direkt nach dem Spiel weniger spektakulär als während des Spiels zu Protokoll. „Unsere Philosophie ist, defensiv gut zu stehen, im Ballbesitz clever und abgezockt zu sein. Das passt momentan“, analysierte Heuer Fernandes trocken. „Wir machen die Tore eben, wenn wir sie brauchen.“

Heuer Fernandes und seine Hamburger sind die Minimalisten der Zweiten Liga. Nirgendwo fallen weniger Tore als in HSV-Partien (zwölf Tore in sieben Spielen), keine Mannschaft kassierte weniger Gegentore als der HSV (drei), und kein Team spielte häufiger zu null (fünfmal). Gerade einmal neun selbst erzielte Tore reichen für fünf Siege und Platz zwei.

Sieg gegen KSC: HSV-Trainer Walter mit taktischem Kniff

Klingt alles ganz einfach. Es geht aber natürlich auch kompliziert. Denn dass der HSV nach der eher enttäuschenden ersten Halbzeit eine sehr ordentliche zweite Halbzeit spielte, lag laut Mittelfeldchef Meffert vor allem auch an den Umstellungen, die Trainer Walter in der Pause vornahm.

Darauf angesprochen referierte der Coach nach dem Spiel über ein „anderes Anlaufverhalten“ in Halbzeit zwei, die „nicht mehr abkippenden Kittel und Reis“ und das zuvor „fehlende Durchschieben auf der rechten Seite“. „Das haben wir dann in der zweiten Halbzeit richtig gut gemacht.“ Erst einmal in Fahrt dozierte Walter über „mehr Überzahl im Zentrum“ und „gute Aktionen im letzten Drittel“. Sein Fazit: „Irgendwann müssen wir dann aber die Bude mal wieder treffen – nicht nur einmal.“

Bislang sind Glatzel (vier Saisontore) und der gegen Karlsruhe gesperrte Ransford Königsdörffer (zwei Treffer) die einzigen Offensivkräfte, die für den HSV in dieser Saison getroffen haben. Da sind selbst die Dortmunder Minimalisten deutlich breiter aufgestellt. Gleich sechs BVB-Offensivkräfte haben sich bislang in die Torschützenliste eingetragen.

Borussia? Bayern? Bobby? Am Ende ist das wohl alles Banane! Sagt einer, der ohnehin nie ein Tor erzielen wird. Torhüter Daniel Heuer Fernandes ist und bleibt ein überzeugter Minimalist. „Effektiv ist gut“, sagt der Keeper – und denkt bereits an den kommenden Freitag. Da trifft der HSV auf Holstein Kiel – und könnte (zumindest für eine Nacht) erstmals in dieser Saison Tabellenführer werden. Einen Tag später könnte dann auch Borussia Dortmund beim Auswärtsspiel in Leipzig in der Ersten Liga nachziehen. Übrigens: Beiden Clubs würde ein 1:0-Sieg schon reichen.

Schema:

HSV: Heuer Fernandes – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Muheim – Meffert – Reis, Kittel (76. Benes) – Jatta (90. David), Glatzel, Dompé (90.+4 Bilbija).

  • KSC: Gersbeck – Thiede (67. Sebastian Jung), Ambrosius, Franke, Heise – Breithaupt (78. Rapp) – Gondorf, Wanitzek – Nebel (90. Cueto) – Batmaz (67. Kaufmann), Schleusener.

  • Tor: 1:0 Reis (42.).

  • Gelbe Karten: Muheim – Nebel (2), Ambrosius (3).

  • Schiedsrichter: Tobias Reichel (Stuttgart).

  • Zuschauer: 45.623.

  • Statistik: Ballbesitz: 56:44 Prozent, Laufdistanz: 114:114 Kilometer, Sprints: 209:214, Ecken: 5:4, Torschüsse: 16:11.