Hamburg. Robert Glatzel ist auch gegen den KSC der einzige HSV-Stürmer – weil Tim Walter zur Not wie sein Ex-Club spielen will.

Zum Abschluss der Transferperiode gönnte sich der HSV einen Spaß. Ein Video, das der Zweitligist vor dem Heimspiel gegen den Karlsruher SC an diesem Sonnabend (20.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) auf Twitter postete, zeigte ein Faxgerät auf der Geschäftsstelle, das aus dem Fenster geschmissen wird. Das Handy, mit dem die Verhandlungen über Neuzugänge geführt wurden, wird frühzeitig in die Schublade gelegt. Und auch als kurz vor Transferschluss noch der bei fast allen Topclubs angebotene CR7 alias Cristiano Ronaldo auf dem Display aufleuchtet, wird der Anruf einfach weggedrückt.

Was beim HSV nur ein Witz war, wurde beim FC Bayern München zwischenzeitlich ernsthaft diskutiert. Nach kurzer Bedenkzeit entschieden sich die Münchner aber gegen einen CR7-Transfer und für ihre variable Offensive aus lauter schnellen und wendigen Stürmern, zu denen sich nach dem Abgang von Superstar Robert Lewandowski der neue Superstar namens Sadio Mané aus Liverpool gesellte.

HSV News: Robert Glatzel ist die Torversicherung

Tore schießen ohne Robert? Um diese Frage ging es in diesem Sommer auch beim HSV. Was tun, wenn sich die Hamburger Torversicherung Robert Glatzel mal verletzen sollte oder gesperrt fehlt? Die Antwort lautet: Bayern. So wie es die Bayern ohne Lewandowski machen, will es auch der HSV tun, sollte der Toptor­jäger, der eigentlich nie fehlt, doch mal fehlen. „Wir sind sehr flexibel vorne mit den Spielern, die wir geholt haben“, sagte Trainer Tim Walter vor dem Spiel gegen seinen Ex-Club Karlsruher SC.

Bei Walters anderem Ex-Club, dem FC Bayern München, kann man sehen, wie es ohne echten Stoßstürmer geht. Aber können Jean-Luc Dompé, Ransford Königsdörffer oder Filip Bilbija, was Serge Gnabry, Leroy Sané oder Kingsley Coman können? Die natürliche Antwort: Nein. Könnte diese Notbesetzung trotzdem zum Aufstieg reichen? Vielleicht.

"Wir sind nicht nur auf Bobby angewiesen"

Walter rechnet vor: „Wir hatten vergangene Saison 17 verschiedene Torschützen. Es ist nicht so, dass wir nur auf Bobby angewiesen sind. Klar hat er einen großen Anteil an unseren Toren.“ Aber eben nicht nur er. „Und deswegen kann man auch Dinge kompensieren. Das war immer unser Ziel und das wollen wir auch, ansonsten hätten wir schon etwas anderes gemacht.“

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich Walter schon in der vergangenen Saison eine echte Alternative zu Glatzel gewünscht haben soll. Und auch in diesem Sommer prüfte der HSV verschiedene Optionen. Sampdoria Genuas Manuel de Luca (24) wurde lange Zeit gehandelt. Intern sprachen die Verantwortlichen auch über Phillip Tietz (25/Darmstadt 98), Luca Pfeiffer (26, gerade aus Midtjylland zum VfB Stuttgart gewechselt) und Tim Kleindienst (26/Heidenheim). Doch für sie alle galt das gleiche Problem: Sie waren für den HSV zu teuer.

Kaufmann, Wintzheimer und Meißner abgegeben

Trotzdem leisteten sich die Hamburger den Luxus, in diesem Sommer mit Mikkel Kaufmann, Manuel Wintzheimer und Robin Meißner gleich drei Angreifer abzugeben, die sich im Sturmzentrum am wohlsten fühlen. Dafür kam mit Königsdörffer von Dynamo Dresden nur eine halbe Neun dazu. Aber im Zweifel soll es beim HSV nun eben auch mit einer falschen Neun gehen. So wie es Spanien 2012 machte, als das Land quasi ohne Stürmer (und mit Edeljoker Fernando Torres) Europameister wurde. Oder wie es Deutschland 2014 zunächst mit Mario Götze versuchte, um am Ende doch mit Miroslav Klose (und Jokerheld Götze) Weltmeister zu werden.

Potenzielle Kandidaten für die falsche Neun beim HSV neben Königsdörffer: Bilbija, Dompé oder auch Bakery Jatta. Alle vier fühlen sich aber am wohlsten, wenn sie aus der Tiefe des Raumes kommen und in die Tiefe gehen, anstatt mit dem Rücken zum Tor zu spielen. Von diesem Typ Stürmer hat der HSV nur Glatzel. Der 28-Jährige, der in der vergangenen Saison 27 Pflichtspieltreffer erzielte, hat seit seinem Wechsel nach Hamburg noch kein Spiel verpasst. Auch aktuell macht „Bobby“ nicht den Eindruck, als dass man sich um seinen Körper Sorgen machen müsste.

„Mit unserer Art können wir das auffangen“

Und wenn doch etwas passiert? Theoretisch könnte der HSV dann einen vereinslosen Spieler verpflichten. Und Mitte November ist die Hinrunde ja auch schon wieder vorbei. „Wir werden das auch im Fall eines möglichen Ausfalls, den wir nicht hoffen, kompensieren können“, sagt Walter und klopft dreimal auf Holz. „Mit unserer Art können wir das auffangen.“ Möglicherweise könnte ein theoretischer Ausfall Glatzels auch mal mit einem Spieler aus der eigenen U21 aufgefangen werden. Mit Daouda Beleme stellt der HSV den aktuellen Toptorschützen der Regionalliga Nord.

Der 21-Jährige, der vor einem Jahr vom FC St. Pauli kam, hat in den ersten sieben Spielen siebenmal getroffen. Beleme hat aktuell einen Lauf. Ob er das Potenzial hat, bei den HSV-Profis zu spielen, ist aber fraglich. Intern wird dem Stürmer zugetraut, in jedem Fall noch eine Liga höher zu spielen. In der Zweiten Liga könnte er aber an Grenzen gelangen. Bei den Verantwortlichen der Profis wird Belemes Quote aber registriert. Eine Einladung zum Training bei Walter gab es bislang nicht. Möglich, dass er in der Länderspielpause mal vorspielen darf. Konkrete Pläne gibt es dazu aber noch nicht.

HSV News: Bobby oder Bayern

Und so heißt es beim HSV nun: Bobby oder Bayern. Also mit „Bobby“ Glatzel – oder mit dem System des FC Bayern. In den ersten vier Bundesligaspielen war die Tormaschinerie der Münchner bereits 16-mal erfolgreich, was den Sportjournalisten Tobias Holtkamp bei Twitter zu dem Spruch inspirierte: „Seit der Bremsklotz Lewandowski weg ist…“ Nicht nur der HSV kann eben witzig sein.