Hamburg. Die Partien der nächsten beiden HSV-Gegner sind Coronabedingt ausgefallen. Kann das Virus das Aufstiegsrennen mitentscheiden?
35 Stunden und 52 Minuten. So viel Zeit lag zwischen Meldung eins und Meldung zwei der Deutschen Fußball Liga (DFL), die beide für sich eher unspektakulär daherkamen. Zusammen betrachtet könnten die jeweils zwei Sätze, die von der DFL am Freitag um 11.09 Uhr und am späten Sonnabend um 22.01 Uhr verschickt wurden, aber eine gewichtige Rolle im diesjährigen Aufstiegsrennen spielen. Auch für den HSV.
Aber alles schön der Reihe nach: Zunächst war es die Partie zwischen Kiel und Heidenheim, die nach vier Corona-Fällen im Team von Holstein am vergangenen Freitag kurzfristig abgesagt wurde. Zur Erinnerung: Kiel war vor dem Bochum-Spiel der letzte HSV-Gegner, Heidenheim ist der kommende HSV-Gegner. Einen Tag später, am Sonnabend, wurde dann auch noch die Partie von Hannover 96 und den Würzburger Kickers nach einem Corona-Fall im Team von Hannover, dem ersten HSV-Gegner nach der Länderspielpause, abgesagt.
Fünf Corona-Fälle, zwei Spielabsagen und eine große Diskussion darüber, inwieweit die neuen Fälle exakt ein Jahr nach dem ersten Abbruch der Saison erneut den ganzen Spielplan ins Wanken bringen könnten. Oder in anderen Worten: alles Gute zum Jahrestag!
HSV schiebt eine weitere PCR-Testung ein
Beim HSV hat man die Nachrichten aus Hannover und vor allem aus Kiel jedenfalls mit großem Interesse verfolgt. Da zwischen der Partie gegen Holstein (1:1) am vergangenen Montag und der letzten Testung am Donnerstag kurz vor der Abfahrt nach Bochum (2:0) nicht einmal drei Tage lagen, hat man sich zu der erneuten Testung an diesem Montag entschieden, auf Nummer sicher zu gehen. Dabei wurde eine Person beim HSV positiv auf das Coronavirus getestet. Neben dem üblichen PCR-Test, den das strenge DFL-Hygienekonzept vorsieht, sollen alle Spieler vor dem Nachmittagstraining noch einen weiteren PCR-Schnelltest der SanaGroup des Hamburger Unternehmers Thomas Wüstefeld erhalten.
Der Vorteil: Während bei den verpflichtenden DFL-Labortests die Ergebnisse erst am Dienstag erwartet werden, sind durch die Wüstefeld-Tests die Ergebnisse schon nach rund 30 Minuten vor dem Training da. Sollte also beim HSV als Spätfolge des Kiel-Spiels ein positiver Fall dabei sein, würde dieser noch vor dem Training von der Gruppe getrennt werden können.
Ohnehin wird das Corona-Protokoll beim HSV vom Hygienebeauftragten und Teammanager Lennart Coerdt sehr penibel eingehalten. Seit einem Jahr reist der HSV in zwei unterschiedlichen Bussen, zieht sich in zwei unterschiedlichen Kabinen um. Sauna, Kaltwasserbetten und Kontakte im Kabinentrakt sind verboten, genauso wie Shakehands oder Umarmungen zur Begrüßung. Erst nach den Testungen dürfen die Spieler beim Training auf ihre Masken verzichten.
Ex-HSV-Sportchef Becker ordnet die Lage ein
Doch all diese Maßnahmen bieten natürlich nur bedingten Schutz. Das weiß auch der frühere HSV-Sportchef Ralf Becker, der die aktuellen Fälle in Hannover und Kiel ebenfalls mit großem Interesse registriert hat. Aus seiner Sicht ist vor allem die Situation seines Ex-Clubs Holstein mit seinem aktuellen Club Dynamo Dresden vergleichbar. Die Sachsen mussten nach dem Neustart in der vergangenen Saison acht Partien innerhalb von 22 Tagen spielen und stiegen am Ende sang- und klanglos ab. Nun drohen den Kielern nach der Länderspielpause acht Spiele innerhalb von 29 Tagen.
Zum Vergleich: Der HSV braucht im gleichen Zeitraum lediglich fünfmal anzutreten. „Die schlichte Anzahl der Spiele ist aus meiner Sicht das kleinere Problem“, sagt Becker im Gespräch mit dem Abendblatt. „Als Fußballprofi sollte man alle drei bis vier Tage Fußball spielen können. Das viel größere Problem bei uns war, dass wir quasi direkt aus der 14-tägigen häuslichen Quarantäne auf den Platz mussten. Wir konnten gar nicht die Substanz aufbauen, uns auf diese zahlreichen Spiele im Drei- bis Viertagesrhythmus vorzubereiten. Im Fall von Kiel könnte sich aber die Länderspielpause als großes Glück erweisen.“
HSV-Gegner Hannover und Heidenheim betroffen
Das gilt natürlich auch für Hannover 96, deren Partie am kommenden Freitag gegen Kiel wegen Corona-Fällen in beiden Teams voraussichtlich abgesagt wird. Sollte dies der Fall sein, dann hätten die Niedersachsen bis zum HSV-Spiel am 4. April 29 Tage nicht gespielt. Für ein rechtzeitiges Aufbau- und Fitnesstraining wäre die lange Pause ein Segen, für den Spielrhythmus ein Fluch.
Auch Heidenheim, der nächste HSV-Gegner am kommenden Sonnabend, hat vor der Partie im Volkspark unverschuldet eine 15-tägige Zwangspause. Dabei sind Auswirkungen durch positive Fälle in Heidenheim nichts Neues. Schon mehrfach hatte die Mannschaft von Frank Schmidt in dieser Spielzeit Corona-Fälle zu beklagen – auch vor dem letzten Aufeinandertreffen mit dem HSV. In die Mannschafts-Quarantäne musste das Team seinerzeit aber nicht.
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Die Vermutung vieler ist, dass auch die Wahlen an diesem Wochenende dazu beigetragen haben, dass die Politik nun möglicherweise härter als noch vor ein paar Wochen vorgeht. Die These: Besonders nach den zahlreichen Diskussionen rund um die Club-WM der Bayern und der mutmaßlichen Sonderbehandlung des Fußballs will sich die Politik an dieser Stelle nicht angreifbar machen.
Holstein Kiel hat reichlich Corona-Erfahrung
Bei den Kielern, die im Aufstiegsrennen nun ins Hintertreffen geraten könnten, will man aber auf keinen Fall mit der Politik aneinandergeraten. Der Club habe „vollstes Vertrauen in die Entscheidungen der Behörden“, sagte Störche-Sportchef Uwe Stöver. Man trage diese „wie schon in den vergangenen Monaten selbstverständlich vollumfänglich mit“.
Tatsächlich sind positive Corona-Fälle auch bei Holstein nichts Neues. Die Kieler hat es in dieser Spielzeit bereits zum dritten Mal getroffen. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr, am 14. März 2020, war Stefan Thesker positiv auf das Virus getestet worden. In der Hinrunde hatte es dann Thomas Dähne getroffen.
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Doch als typische Norddeutsche („Es gibt kein unpassendes Wetter, sondern nur unpassende Kleidung“) können auch die Kieler gut mit den schlechten Nachrichten umgehen. Kapitän Hauke Wahl ließ seine Instagram-Follower wissen, dass er die Zwangsfreizeit mit ein paar Lektionen Spanisch in seiner neuen Sprachlern-App nutzen würde: „Könnte ja sein, dass Real oder Barça anrufen. 14 Tage sind lang, da kann viel passieren.“