Hamburg/Würzburg. Nach elf Spielen ohne Niederlage lassen die Hamburger beim Tabellenletzten vieles vermissen – und verlieren auch Onana.

Kriegt der HSV im Kampf um den Aufstieg schon wieder die Krise? Nach zwei Unentschieden leistete sich der einst so souveräne Tabellenführer der 2. Bundesliga einen kompletten Aussetzer.

Beim 2:3 (0:2) beim Klassenletzten Würzburger Kickers ließ der HSV jegliche Bundesliga-Reife vermissen. Und am Montag könnten Greuther Fürth oder Holstein Kiel im direkten Duell den HSV von der Spitze stoßen.

„Die Niederlage war überflüssig und tut weh, aber sie ist verdient“, gestand Hamburgs Trainer Daniel Thioune später am Sky-Mikrofon: „Wir haben nicht zu unserem Spiel gefunden. Würzburg war in den Momenten da, in denen wir Situationen nicht klar genug gespielt haben.“

Letzter gegen Ersten, schlechteste Abwehr gegen besten Angriff: In der Theorie schien das Duell der Würzburger Kickers gegen den HSV ein ungleiches. Doch auch wenn die Franken 30 Punkte von ihrem Gegner trennten: Zuletzt zeigten sie aufsteigende Form, während die Hamburger schwächelten.

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Der letzte Eindruck täuschte offenbar nicht.

HSV startet in Würzburg mit Onana und Narey

Aber der Reihe nach. HSV-Trainer Thioune musste seine Innenverteidigung nach den Ausfällen von Stephan Ambrosius (gesperrt) und Toni Leistner (verletzt) umstellen. Erwartungsgemäß vertraute er den Allroundern Moritz Heyer und Gideon Jung die Aufgaben an. Auf eine Nominierung von Rick van Drongelen verzichtete Thioune, der Niederländer könnte nach seinem Kreuzbandriss dann im Derby beim FC St. Pauli am 1. März sein Comeback geben.

Überraschender war da schon, dass Jeremy Dudziak und Bakery Jatta zunächst auf der Bank saßen – beide hatten zuletzt allerdings kleinere Verletzungen wegzustecken. "Jeremy ist erst am Donnerstag ins Training zurückgekehrt. Aber ich werde ihn sicher im Lauf des Spiels noch reinschmeißen", sagte Thioune vor dem Anpfiff bei Sky. Stattdessen durften Amadou Onana und Khaled Narey beginnen und Aaron Hunt erneut den Spielgestalter im offensiven Mittelfeld geben.

 Doch der Plan ging nicht auf. Der HSV spielte wie eine Mannschaft, die etwas zu verlieren hat, die Kickers wie eine Mannschaft, die nur noch gewinnen kann. Und dann kam auch noch Pech dazu: Nach einem Foul an HSV-Kapitän Tim Leibold schlenzte Sonny Kittel einen Freistoß aus gut 20 Metern an den Außenpfosten (10.). Es sollte die einzige nennenswerte offensive Aktion des HSV in der ersten Halbzeit bleiben.

Ulreich lässt Haseks Schuss durchrutschen

Alles andere spielte sich auf der gegenüberliegenden Seite ab. Das erste Tor schenkte sich Sven Ulreich fast selbst ein, als er einen Onana-Rückpass durchrutschen ließ und den Ball erst im letzten Moment von der Linie schlagen konnte (11.). Der Fehler war schon wieder vergessen, als der HSV-Keeper einen Schuss von Martin Hasek stark abwehrte (17.).

Kurz danach aber zeigte sich Ulreich wieder von seiner wackligen Seite. Doch Haseks Schuss zum 1:0, der dem Keeper durch die Finger flutschte, hatte eine Vorgeschichte: Jan Gyamerah schoss in Höhe der Mittellinie Verteidigerkollege Moritz Heyer so an, dass der Abpraller zur Vorlage für Hasek wurde (19.).

Nein, an Ulreich allein lag es sicher nicht, im Gegenteil: Beim Kopfball von Marvin Pieringer verhinderte der HSV-Torwart erneut Schlimmeres (28.). Und beim 2:0 war er machtlos. Vielmehr muss sich Jung fragen lassen, warum er es nicht für nötig befand, nach Daniel Hägeles Hereingabe den Ball aus dem Strafraum zu befördern, was wohl angeraten gewesen wäre. So konnte Douglas aus halbrechter Position den Ball ins lange Eck des HSV-Tors schießen (30.).

Bezeichnend: Für den Innenverteidiger, der im Hinspiel noch wegen eines falsch positiven Corona-Tests gefehlt hatte, war es das erste Tor seit mehr als fünf Jahren. Der HSV machte an diesem Sonntag so einiges möglich.

HSV-Einzelkritik zum Spiel in Würzburg

0:2 beim Tabellenletzten nach einer halben Stunde – eine Reaktion war gefordert, aber sie blieb aus. Der HSV konnte sogar von Glück reden, dass er nicht mit drei Toren Rückstand in die Pause ging, weil Pieringer im Abseits stand, bevor er zum möglichen 3:0 einschieben konnte (41.).

Thioune hatte genug gesehen und wechselte zur zweiten Halbzeit Dudziak und Manuel Wintzheimer für Hunt und Narey. Und siehe da: Der HSV besann sich plötzlich seines Angriffsspiels. Wintzheimer scheiterte aus 16 Metern an Kickers-Torwart Hendrik Bonmann (49.), Leibold aus aussichtsreicher Position am Kopf von Hägele (53.).

Doch handgestoppte 43 Sekunden nach dieser zweiten guten Chance führten die Kickers die Bemühungen ad absurdum, als Patrick Sontheimer nach einem Konter aus gut 20 Metern zum 3:0 traf (54.). Kein Hamburger Verteidiger hatte sich bemüßigt gefühlt, das zu verhindern.

Wood trifft erstmals nach 27 Monaten – zu spät

Der K.o.? Nicht ganz. Ridge Munsy hätte dafür sorgen können, scheiterte aber an Ulreich (66.). Und so konnte Dudziak die Hamburger Hoffnungen wiederbeleben. Der ansonsten unsichtbare Simon Terodde legte für den Spielmacher ab, bevor der den Ball technisch anspruchsvoll mit dem Spann ins Kickers-Tor schießen konnte.

Inzwischen war Youngster Ogechika Heil für Kittel ins Spiel gekommen, was insofern bemerkenswert ist, als auch Bobby Wood und Jatta Optionen gewesen wären. Auf Jatta sollte Thioune an diesem Tag ganz verzichten – möglicherweise machte dem schnellen Flügelspieler die Fußprellung doch mehr zu schaffen, als von Thioune erhofft.

Wood kam zwar noch für die Schlussphase. Und tatsächlich konnte der US-Stürmer nach erneuter Terodde-Ablage noch per Kopf verkürzen (89.). Für Wood war es das erste Tor seit November 2018, damals hatte er für Hannover 96 getroffen.

Onana fliegt vom Platz

Noch einmal Hoffnung? Ja, aber der nächste Rückschlag folgte prompt: Onana sah nach einem Foul am eigenen Strafraum die Gelb-Rote Karte (90.).

Wenig später war die erste Niederlage nach elf Spielen besiegelt. „Das war viel zu wenig von uns. Wir haben von der ersten Minute an die richtige Einstellung vermissen lassen“, gestand HSV-Kapitän Tim Leibold. Das Derby beim FC St. Pauli könnte für den HSV zur Unzeit kommen. Oder gerade recht.