Hamburg. Dem unterhaltsamen Derby gegen St. Pauli sollen drei Punkte beim Nordrivalen Kiel folgen. Beide HSV-Konkurrenten ähneln sich.
Das Praktische an so einem Derby ist natürlich auch der Anfahrtsweg. Rein ins Auto, dreimal blinken – und schon ist man da. Wenn man dann noch ein schönes Fußballspiel geboten bekommt, dann kann man zufrieden einen Haken hinter seinen Arbeitstag machen. So erging es am Wochenende auch HSV-Co-Trainer Hannes Drews.
Der Übergangscoach, der bei Nortorf wohnt, durfte sich als Zuschauer über ein rassiges HSV-Derby in unmittelbarer Nachbarschaft freuen: Holstein Kiel II empfing am Sonntag im Citti-Fußball Park in Kiel die U 21 des HSV. Es war das Derby nach dem Derby. Einerseits. Und andererseits das Derby vor dem nächsten Derby. Denn: Bereits am kommenden Spieltag treffen Kiel und der HSV erneut aufeinander. Dann aber die Profis.
„Vor Kiel habe ich höchsten Respekt. Die werden in der Tabelle vorne bleiben. Aber wir sind ja jetzt Derbyerprobt“, sagte Sportdirektor Michael Mutzel. Am Tag nach Derby Nummer eins (gegen den FC St. Pauli) und vor Derby Nummer zwei (gegen Kiel II).
HSV-Manager Mutzel lobt Torjäger Terodde
Doch natürlich war am Morgen nach dem unterhaltsamen 2:2 gegen den FC St. Pauli noch das Stadtduell vom Vorabend in aller Munde. Er habe vor allem ein sehr gutes Fußballspiel gesehen, gab Mutzel am Rande des Trainingsplatzes im Volkspark zu Protokoll – und untertrieb damit sogar ein wenig. Denn das Unentschieden hielt alles bereit, was man sich von so einem Spiel versprechen konnte. Außer als Fan den Sieg.
„St. Pauli hat das taktisch sehr, sehr gut gemacht. Die haben uns das Leben schwer gemacht“, lobte Mutzel, der sich trotz des ausbleibenden Derbysiegs mit dem Auftreten seiner Mannschaft identifizieren konnte. Angefangen beim doppelten Torschützen Simon Terodde über die fleißigen Vorbereiter Josha Vagnoman und Jeremy Dudziak bis hin zum herausragenden Abwehr-Spielmacher Jan Gyamerah.
Dass nach erneut zwei Toren aber vor allem nach Terodde gefragt wurde, überraschte Mutzel am Sonnabend nicht. „Bei Terodde bleiben natürlich die Tore stehen“, sagte er. „Aber was für mich viel mehr zählt, ist, wie er anschiebt, wie er präsent ist und, dass er in der Halbzeit mal was sagt. Das sind alles Dinge, die man von außen nicht so wirklich mitbekommt. Aber wir bekommen es in der Kabine mit. Und wir wissen, dass es das ist, was extrem hilft.“
Wie Terodde den HSV mitreißt
Mutzel erinnerte gleich an zwei Terodde-Szenen, die beide nichts mit seinen Toren zu tun hatten. Szene Nummer eins: Direkt nach dem Nackenschlag von St. Paulis Tor zum 1:2 war es Terodde, der im Sprint von ganz vorne zurücklief, um sich den Ball zu schnappen und mit diesem unter dem Arm zum Anstoßpunkt zu laufen. Sein Signal an die Kollegen: Wir schaffen das!
Und Szene Nummer zwei: Als der eingewechselte Klaus Gjasula kurz vor Schluss den Ball vertändelte und St. Pauli fast den dritten Treffer erzielte, sprintete Terodde erneut über den ganzen Platz zurück, rüttelte die schläfrige Hintermannschaft auf. Das Signal diesmal: Reißt euch zusammen!
„In Sachen Mentalität sind wir besser aufgestellt als in der vergangenen Saison“, lobte Mutzel am Morgen danach zufrieden. „In dieser Zweiten Liga bekommt man nichts geschenkt. Wir dürfen uns auf keinen Fall ausruhen.“
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Wie St. Pauli den HSV unter Druck setzte
Tatsächlich hatte St. Pauli durch sein mutiges und freches Auftreten den Tabellenführer am Freitag vor bislang in dieser Saison noch unbekannte Probleme gestellt. Die Mannschaft von Trainer Timo Schultz presste hoch, spielte 90 Minuten lang nach vorne und erlaubte dem HSV keinen Moment, um Luft zu holen. Wenn man so wollte, dann war dieses Derby die beste Generalprobe für – das nächste Derby. Denn St. Paulis Rasselbande trat an diesem Abend in etwa so auf, wie der kommende HSV-Gegner schon in der gesamten Saison auftritt.
„Mich überrascht nicht, dass Kiel oben in der Tabelle dabei ist“, sagte Mutzel nur wenige Minuten, bevor sich der Tabellendritte der Zweiten Liga ein 1:1 beim FC Erzgebirge Aue erkämpfte. „Kiel hat eine eingespielte Mannschaft, hat kaum einen Spieler verloren. Das Team spielt seit zwei Jahren zusammen, auch der Trainer ist länger da. Schon letztes Jahr hatte Kiel eine gute Mannschaft. Im zweiten Jahr ist man noch gefestigter. Das wird eine harte Nuss.“
HSV hadert mit seinen Wechseln
Doch harte Nüsse gilt es bekanntermaßen zu knacken. Dafür ist in erster Linie Chefstratege Daniel Thioune verantwortlich, der Woche für Woche seinen Matchplan ändert. Anders als im vergangenen Jahr, als Vorgänger Dieter Hecking lange Zeit nahezu ausschließlich auf sein präferiertes 4-3-3-System setzte, scheint Thioune höchstes Vergnügen am wöchentlichen Rasenschach zu haben.
Dass dabei auch mal etwas schiefgehen kann, liegt in der Natur der Sache. Am Freitag gegen St. Pauli war es ein Dreierwechsel (Kittel/Kinsombi/Dudziak für Wintzheimer/Narey/Hunt) Mitte der zweiten Hälfte, der nicht für die erhofften Impulse gesorgt hatte. „Wir haben versucht, noch mal anzuschieben. Das ist uns nicht so gut gelungen. Da hätte ich mir mehr Energie gewünscht“, räumte Thioune selbst ein.
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Am Morgen danach wurde das Remis gegen St. Pauli direkt ausführlich analysiert, anschließend trainiert, dann zwei Tage frei gegeben. Thiounes Maxime: Durchatmen, Kräfte sammeln und rein ins nächste Derbyvergnügen.
Anpfiff ist am kommenden Montag um 20.30 Uhr. Den ungefähren Anfahrtsweg ins Holstein-Stadion dürfte zumindest Drews kennen. Und gegen ein ähnliches Ergebnis wie am Sonntag wird er auch am Montag nichts einzuwenden haben. Die U21 des HSV gewann in Kiel 3:1.