Hamburg. Dem Torjäger gelingt im Hamburger Stadtderby der vierte Doppelpack. Zum Sieg reicht es für den HSV dennoch erstmals nicht.

Direkt nach dem Abpfiff eines höchst unterhaltsamen Fußballabends konnten sich weder Timo Schultz noch Daniel Thioune das Grinsen verkneifen. Die beiden Fußballlehrer fielen sich nur wenige Sekunden nach dem letzten Pfiff des Abends in die Arme, strahlten beide und schienen sich gegenseitig zu beglückwünschen.

Und tatsächlich bot das 2:2 (1:1) des HSV gegen den FC St. Pauli im Hamburger Derby hierfür auch eine Vielzahl von Gründen. Es war ein durch und durch unterhaltsamer Fußballabend, der keinen Verlierer verdient hatte. „Als Fußballfan muss man sagen: Es war ein geiles Derby“, sagte St. Paulis Vorzeigekämpfer Marvin Knoll im Sky-Interview. Der HSV bleibt trotz des ersten Punktverlustes auch nach dem sechsten Spieltag ungeschlagener Tabellenführer, St. Pauli bestätigt den guten Saisonstart.

Der Start in dieses abwechslungsreiche Derby 93 Minuten zuvor ging auch klar an die Gäste vom Kiez. Bereits in den ersten fünf Minuten deutete Sturmriese Simon Makienok (2,01 Meter) zweimal an, dass er an diesem Abend ein Großer werden wollte. Richtig groß war es dann aber erst, was dem HSV direkt mit dem ersten Spielzug gelang: Traumpass des herausragenden Jan Gyamerah auf Josha Vagnoman, den Thioune überraschenderweise von Anfang an aufbot. Seine herrliche Flanke musste HSV-Sturmgigant Simon Terodde nur noch einnicken. Nach nur zwölf Minuten hieß es also bereits in zwei Duellen 1:0: Simon (Terodde) gegen Simon (Makienok) – und natürlich HSV gegen St. Pauli.

HSV und FC St. Pauli in der Einzelkritik:

St. Pauli gelingt Ausgleich in packendem Derby

Die frühe Führung tat den Gastgebern gut. Die Dreierkette stand nun sicher. Und nur wenig später hätte Terodde sogar ein zweites Mal treffen können, scheiterte aber nur knapp am Pfosten. Allerdings blieben die nicht weitgereisten Gäste jederzeit gefährlich, hätten bereits nach knapp einer halben Stunde durch eine Dreierchance (Daniel Kofi Kyereh, Rodrigo Zalazar, Luca-Milan Zander) ausgleichen können, was nach gut einer halben Stunde dann nachgeholt wurde: Makienok legte auf Zalazar ab, der zog ab und traf – 1:1.

Dabei blieb es auch nach 45 abwechslungsreichen Minuten. Die 1000 HSV-Fans verabschiedeten ihre Helden trotzdem mit freundlichem Applaus in die Halbzeit. Nur Trainer Thioune wollte nicht direkt in die Kabine. Der HSV-Coach saß noch Minuten nach dem Halbzeitpfiff mit Co-Trainer Merlin Polzin zusammen und beriet intensiv, was man im zweiten Durchgang noch besser machen könnte.

HSV drängt, doch Makienok dreht für St. Pauli das Derby

Im Gegensatz zur vergangenen Woche gegen Würzburg musste Thioune seine Mannschaft in der Halbzeit nicht wachrütteln und verzichtete daher zunächst auch auf Wechsel und Umstellungen. Auch St. Paulis Trainer Timo Schultz ließ es laufen – es lief ja auch.

Der HSV wirkte zunächst etwas gewillter, den ersten Derbysieg im Volksparkstadion seit 2001 zu erzwingen. Immer wieder war es die rechte Seite mit Gyamerah, Vagnoman und Narey, die St. Pauli unter Druck setzte. Im Gegensatz zur ersten Hälfte fanden die Flanken aber zunächst nicht den Zielspieler namens Terodde. Eine einstudierte Freistoßvariante landete über Umwege und Leibolds Hereingabe eher zufällig auf dem rechten Fuß des Torjägers, der zur Abwechslung mal das Tor verfehlte (60.). Zuvor hatte Finn Ole Becker mit einem Fernschuss HSV-Torhüter Sven Ulreich zu einer Flugeinlage gezwungen.

Thioune wollte sein erstes Derby als HSV-Trainer unbedingt gewinnen und brachte mit David Kinsombi, Sonny Kittel und Jeremy Dudziak gleich drei frische Spieler auf einen Schlag (70.). Der Fluss des HSV-Spiels war fortan aber gestört. St. Pauli spürte, dass hier noch etwas ging und kam tatsächlich zur Führung. Der eingewechselte Lukas Daschner brachte den Ball in die Spitze, wo er über Kyereh bei Makienok landete. Der Däne war einen Schritt schneller als Leibold und traf mit der Pike aus elf Metern zum überraschenden 2:1 (82.).

Gjasula-Bock bedeutet fast den HSV-K.o.

Für einen Moment sah es so aus, als ob der Kiezclub seine dritte Stadtmeisterschaft in Folge feiern würde. Doch dieses Gefühl sollte nur zwei Minuten anhalten, denn der HSV kam sofort zurück. Amadou Onana hob den Ball an die Strafraumkante, wo Dudziak per Kopf direkt zu Terodde legte. Und was der Stürmer dann machte, war Extraklasse. Mit einem kurzen Kontakt legte er sich den Ball in Bedrängnis mit dem linken auf den rechten Fuß und schloss mit einem zweiten kurzen Kontakt formvollendet ab. Der 2:2-Ausgleich (84.).

Der HSV wollte noch mehr, wäre nach einem bösen Ballverlust von Klaus Gjasula und dem folgenden Konter aber beinahe erneut in Rückstand gegangen. Der eingewechselte Leon Flach war am langen Pfosten allerdings einen Fuß zu kurz (89.). Der HSV pustete durch. Nur Terodde war außer sich und schimpfte mit seinen Teamkollegen, ruhiger zu spielen.

Wenig später pfiff Manuel Gräfe das Derby ab. Am Ende stand im 104. Stadtderby das 2:2, mit dem beide Mannschaften gut leben können. Der HSV bleibt ungeschlagen Tabellenführer, und St. Pauli darf sich weiterhin amtierender Stadtmeister nennen.

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Teroddes „Scheißtor“ rettet HSV einen Punkt

Und Terodde setzt sich in der Torjägerliste der Zweiten Liga mit nun acht Toren weiter ab. „Simon Terodde Fußballgott“ rief ein Fan, als der Doppelpacker um 20.37 Uhr nach seinen Interviews in die Kabine ging.

„Wir wollten unbedingt gewinnen. Ich bin aber superglücklich, dass wir dieses Scheißtor am Ende noch gemacht haben“, sagte Terodde. Der Bocholter darf sich als Derbyheld fühlen, auch wenn ihm das Siegtor nicht mehr gelang (Thioune: „Dann hätten wir ihn vom Platz getragen“). Auch über den Punkt war Terodde froh: „Ich bin superglücklich und hochzufrieden, dass wir nach dem Nackenschlag den Ausgleich noch gemacht haben. Das ist so wichtig für uns. Die Hamburger Fans sollen glücklich sein.“

Thioune war trotz der ersten verpassten Punkte ebenfalls zufrieden​: „Wir hatten einen Rucksack aus der Vergangenheit. Der war nach dem 1:2 extrem schwer. Wie wir reagiert haben, war klasse. Es war gerecht, dass wir das Feld nicht als Verlierer verlassen haben.“

Die Derby-Statistik:

  • HSV: Ulreich – Gyamerah, Ambrosius, Heyer – Onana (87. Gjasula), Hunt (70. Dudziak) – Vagnoman (78. Wood), Narey (70. Kinsombi), Wintzheimer (70. Kittel), Leibold – Terodde. – Trainer: Thioune
  • St. Pauli: Himmelmann – Ohlsson, Knoll, Buballa – Zander (74. Lankford), Becker (87. Lawrence), Benatelli, Dittgen (70. Daschner) – Zalazar (71. Avevor), Kyereh – Makienok (87. Flach). – Trainer: Schultz
  • Schiedsrichter: Manuel Gräfe (Berlin)
  • Tore: 1:0 Terodde (12.), 1:1 Zalazar (35.), 1:2 Makienok (82.), 2:2 Terodde (84.)
  • Zuschauer: 1000
  • Gelbe Karten: Kittel (2) – Dittgen
  • Torschüsse: 17:13
  • Ecken: 11:2
  • Ballbesitz: 55:45 Prozent