Hamburg. Nach der Derby-Niederlage des VfB Stuttgart haben die Hamburger ihr Ziel in der eigenen Hand. Doch es gibt Sorgen.
Am Sonntagvormittag stand der Tennisball im Mittelpunkt des HSV-Geschehens. Zwei Tage nach dem kräfte- und nervenzehrenden 1:0-Sieg bei Dynamo Dresden am Freitagabend ließ Trainer Dieter Hecking seine Stammkräfte im Volkspark bei kognitiven Übungen regenerieren. Auch die Torhüter hatten es mit gelben Filzbällen zu tun, die ihnen Torwarttrainer Kai Rabe um die Ohren schlug. Und die Reservisten vom Freitag? Die spielten zwar mit richtigen Fußbällen, das Ganze aber bei einer Runde Fußballtennis.
Wie schon vor der Partie in Dresden, als die HSV-Profis zum Fußballgolf fuhren, stehen vor dem Heimspiel gegen den VfL Osnabrück am Dienstag (18.30 Uhr) Entspannungsübungen auf dem Programm. „Die vergangenen Spiele haben Kraft gekostet. Wir merken diese Schlagzahl, die wir seit Corona haben. Wir müssen jetzt gucken, wer frisch ist und das Tempo gehen kann“, sagte Hecking.
HSV trennen drei Siege vom Aufstieg
Um in der Sprache des Tennis zu bleiben: Drei Sätze muss der HSV in dieser Saison noch gehen. Möglicherweise wird es sogar noch ein Fünfsatzmatch, wenn am Ende noch zwei Relegationssätze dazukommen. Die wichtigste Nachricht für den HSV an diesem Wochenende aber lautete: Der Aufstieg ist wieder in eigener Hand. Nach dem 1:2 des VfB Stuttgart am Sonntag im Derby beim Karlsruher SC bleiben die Hamburger auf dem zweiten Tabellenplatz.
Jetzt heißt es: noch drei Siege bis zur Bundesliga. Oder anders ausgedrückt: Spiel, Satz, Sieg? Der Kampf um den Aufstieg wird in jedem Fall wie schon vor einem Jahr zum Schneckenrennen. Am Ende werden die Clubs aufsteigen, die den größeren Willen zeigen. „Wir sind davon überzeugt, dass wir den Aufstieg schaffen können“, sagte Hecking nach dem späten Sieg in Dresden.
Bilder des HSV-Siegs bei Dynamo Dresden:
HSV besiegt bei Dynamo Dresden das Last-Minute-Trauma
Vor den letzten zwei Wochen der Saison sind allerdings auch beim HSV die Strapazen der vergangenen Spiele zu spüren. Mental und physisch. Gegen Osnabrück muss Hecking in der Abwehr definitiv auf Jordan Beyer (Zerrung im Hüftbeuger) und den gelbgesperrten Rick van Drongelen verzichten. Weil auch Ewerton vor einer möglichen Relegation nicht mehr spielen wird, bleibt Hecking mit Gideon Jung nur noch eine Alternative für die Position im Abwehrzentrum an der Seite von Timo Letschert.
Jung wäre auch ein Kandidat gewesen, im defensiven Mittelfeld zu spielen, denn hier hat Hecking ebenfalls Sorgen. Jeremy Dudziak verletzte sich in Dresden in der Halbzeitpause beim Warmmachen und wird wohl gegen Osnabrück fehlen. David Kinsombi, der einen Schlag auf das Knie bekam, trainierte am Sonntag dagegen zumindest wieder mit dem Tennisball.
So stellt sich die Mannschaft auch im zentralen Mittelfeld nahezu wieder von selbst auf. Hecking ist daher „heilfroh“, dass Kapitän Aaron Hunt so stabil spielt wie seit zwei Jahren nicht mehr. Seit der Corona-Pause hat der 33-Jährige alle Spiele von Beginn an bestritten. Gegen Kiel und in Dresden war er der Stabilisator eines phasenweise instabilen HSV-Systems. „Aaron ist ein außergewöhnlicher Fußballer“, sagte Hecking. „Er zieht Bälle, er kann nach wie vor das Spiel auf sich ziehen. Er macht das seit Wochen richtig gut und geht als Kapitän voran.“ Hecking freute sich daher auch, dass Hunt nach dem 20. Saisoneinsatz eine Vertragsverlängerung um ein Jahr erreicht hat. „Wenn Aaron die Fitness hat, ist er für diese Mannschaft eine Lebensversicherung“, so Hecking.
Sieg in Dresden – der HSV in der Einzelkritik
Das waren zuletzt vor allem auch Joel Pohjanpalo und Tim Leibold. Letztgenannter legte in Dresden schon zum 19. Mal in dieser Saison ein Tor auf. Schon fünfmal war es im Laufe der Rückrunde Pohjanpalo, der Leibolds Vorlage verwertete. Vom „Phänomen Leibe“ und vom „Garant Joel“ sprach Hecking nach dem Dresden-Spiel. Hunt, Leibold und Pohjanpalo sind aktuell die Hoffnungsträger des HSV für die verbleibenden drei Spiele gegen Osnabrück, in Heidenheim und zum Abschluss gegen Sandhausen. Dass all diese Spiele wieder zur Zitterpartie werden, dürfte nach den HSV-Ergebnissen der vergangenen Wochen klar sein. „Wir müssen sehr viele Körner investieren. Die Mannschaft geht immer an die Grenze“, sagte Hecking.
Vor allem am kommenden Sonntag beim heimstarken 1. FC Heidenheim wird dem HSV alles abverlangt werden. Die Schwaben sind im eigenen Stadion eine Macht, haben die vergangenen vier Spiele in der Voith-Arena alle gewonnen. Der kleine Club von der Ostalb will in dieser Saison die große Chance wahrnehmen und das Märchen vollenden, an dem die Macher um Trainer Frank Schmidt seit Jahren arbeiten.
Wird Osnabrück wieder zum Favoritenschreck?
Vor Heidenheim heißt der Gegner allerdings Osnabrück. Und der noch abstiegsbedrohte VfL weiß, wie man die großen Teams der Liga ärgert. Zuletzt gab es auswärts für das Team von Trainer Daniel Thioune ein 1:1 bei Spitzenreiter Arminia Bielefeld, ein 2:0 bei Greuther Fürth und ein 0:0 beim VfB Stuttgart. „Es wird wieder ein sehr intensives Spiel. Osnabrück wird uns auch nichts schenken“, sagte HSV-Coach Hecking.
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Über die große Aufstiegschance und die Endspiele, die seine Mannschaft jetzt hat, wird er vor dem Spiel sicher nichts sagen. Satz Nummer eins steht am Dienstag im Volksparkstadion an. „Es geht jetzt Fall auf Fall“, sagte Hecking nur. Oder wie man es beim Tennis formulieren würde: Schlag auf Schlag.