Dresden. 19. Vorlage, achtes Tor: Die Erfolgskombination lässt die Hamburger vom Aufstieg träumen. Doch in Dresden gab es einen neuen Ausfall.
Joel Pohjanpalo lag noch immer am Boden, als die meisten seiner Kollegen schon auf dem Weg in die Kabine waren. Dann kam zunächst Martin Harnik auf ihn zu, es folgten Physiotherapeut Christian Tambach und schließlich Sportdirektor Michael Mutzel. Alle drei wollten den Finnen schütteln und herzen. Sie wussten, bei wem sie sich an diesem Abend ganz besonders bedanken mussten.
Mit seinem achten Saisontor im elften Spiel hatte Pohjanpalo den HSV zum 1:0 (0:0)-Sieg beim Zweitliga-Letzten Dynamo Dresden geführt. Vier Tage nach dem Last-Minute-Drama gegen Holstein Kiel (3:3) ließ der Stürmer diesmal die Hamburger spät jubeln und damit weiter vom direkten Aufstieg in die Bundesliga träumen.
Dieter Hecking lobte Moral der Mannschaft
Zumindest bis Sonntag steht der HSV nach dem ersten Auswärtssieg seit dem 3. Februar wieder auf dem zweiten Platz – einen Punkt vor dem VfB Stuttgart (Sonntag in Karlsruhe) und fünf Punkte hinter Arminia Bielefeld (0:0 in Sandhausen). „Leibe und Joel haben uns heute gerettet“, sagte HSV-Stürmer Harnik und adelte damit neben dem Torschützen auch den Vorlagengeber Tim Leibold, der mit seinem 19. Assist den Weg zum Sieg gegen Lieblingsgegner Dresden (vier Spiele, vier Siege) ebnete.
Trainer Dieter Hecking lobte dagegen die Moral der ganzen Mannschaft. „Sie ist wie immer an die Grenze gegangen. Das war nicht leicht unter den Umständen. Der Wille aber ist immer da“, sagte Hecking und sprach damit die vielen späten Gegentore und unnötigen Punktverluste der vergangenen Wochen an.
Um die Stimmung im Team nach den Rückschlägen zu lockern, war der HSV am Mittwoch zu einer Runde Fußballgolf nach Soltau gefahren. Eine Aktion, die offenbar wirkte. Denn die Einstellung der Mannschaft stimmte auch in Dresden. „Die Atmosphäre in der Mannschaft war trotz der tragischen Spielverläufe in letzter Zeit immer gut. Alle halten zusammen“, sagte Harnik, der in der ersten Halbzeit gleich mehrere Großchancen vergeben hatte.
Der HSV startete nervös in Spiel
Hecking hatte mit Harnik für Bakery Jatta seine Startelf nur auf einer Position verändert. „Es geht darum, eine eingespielte Mannschaft auf dem Platz zu haben“, sagte Hecking vor dem Spiel. Von einer eingespielten HSV-Mannschaft war im Rudolf-Harbig-Stadion von Dresden aber zunächst nicht viel zu sehen.
Die Hamburger begannen nervös. Vor allem Adrian Fein war die Verunsicherung im Mittelfeld anzumerken. Erst als der HSV merkte, dass Dynamo von Beginn an nur auf Unentschieden spielte, traute sich Heckings Elf mehr zu. Gegen die müden Dresdner, die noch am Dienstag gegen Fürth 1:1 gespielt hatten, reichte oft ein Ball in die Tiefe, um in die gefährliche Zone zu kommen. Doch was der HSV aus diesen Räumen und Chancen machte, war lange Zeit viel zu wenig. Vor allem Harnik vergab eine Gelegenheit nach der nächsten (7./19./29.).
Auch in Halbzeit zwei tat sich der HSV schwer gegen das Dresdner Abwehrbollwerk. Erst mit dem Wechsel von Jatta für Sonny Kittel wurden die Hamburger wieder gefährlich. Jatta war es dann auch, der Leibold in der 84. Minute freispielte. Der Linksverteidiger legte wie so oft in den vergangenen Wochen auf Pohjanpalo, der erneut an der richtigen Stelle stand und den Siegtreffer erzielte. „Joel ist im Moment unser Garant“, sagte Hecking, der auch den Vorlagengeber lobte. „Leibe ist ein Phänomen. Was diese kleine Person Woche für Woche leistet, ist außergewöhnlich.“
Am Dienstag geht es gegen Aufsteiger VfL Osnabrück
Der 1,74 Meter große Leibold, der bislang alle 31 Spiele von der ersten bis zur letzten Minute auf dem Platz stand, könnte in dieser Saison sogar noch einen Vorlagenrekord in der Zweitligageschichte übertreffen (20 Assists).
Leibold und Pohjanpalo – diese Kombination ist für den HSV Gold wert. „Heute war es wichtig, dass wir zu null gespielt haben“, sagte der Torschütze, der sich aber auch selbstkritisch zeigte. „Es ist immer ein gutes Gefühl, nach einem guten Spiel zu gewinnen. Aber es ist ein besseres Gefühl, wenn man Spiele gewinnt, in denen man nicht unbedingt die beste Leistung gezeigt hat.“
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Pohjanpalo war es am Ende egal, dass der HSV keinen Schönheitspreis gewann. Schon am Dienstag (18.30 Uhr) geht es für den HSV gegen Aufsteiger VfL Osnabrück darum, den Vorsprung vor allem auf Verfolger Heidenheim zu halten. „Wir müssen jetzt unsere Wunden lecken“, sagte Hecking. Bitter für den HSV: Jeremy Dudziak hatte sich in der Halbzeitpause eine Muskelverletzung zugezogen und wird gegen Osnabrück fehlen. „Das sah nicht gut aus“, so Hecking.
Auch David Kinsombi musste nach einem Schlag auf das Knie angeschlagen raus. Zudem fällt Jordan Beyer mit einer Zerrung am Hüftbeuger mindestens am Dienstag aus. Der Verteidiger wäre eine Option gewesen, den gesperrten Rick van Drongelen zu ersetzen. Nun wird Gideon Jung gegen Osnabrück in der Innenverteidigung an der Seite von Timo Letschert spielen.
In den kommenden zwei Tagen wird nun vor allem die Regeneration auf dem Programm stehen. Und möglicherweise wieder eine Runde Fußballgolf. Hecking scherzte nach dem Spiel zumindest schon. „Ich werde am Sonntag alleine spielen. Ich habe versagt am Mittwoch und muss üben.“
Nach langer Zeit konnte der Trainer am Freitag mal wieder als Letzter lachen.