Hamburg. Zum neunten Mal in Folge beklagt der Club einen Jahresfehlbetrag, diesmal acht Millionen Euro. Minus Nummer zehn folgt. Warum nur?
Auf dem Trainingsplatz am Volkspark mussten die Zuschauer am Donnerstagmittag schon genau hinschauen, um den taktischen Zahlensalat zu entschlüsseln. Der HSV hatte den dänischen Erstligisten Aalborg BK zu Gast und nutzte die Möglichkeit, verschiedene Spielsysteme einzustudieren. Zunächst setzte Trainer Dieter Hecking auf eine 3-4-3-Taktik, nach der Pause wechselte er zu einem 4-1-4-1-System, ehe er zum Ende auf 4-1-3-2 umstellte.
Es dauerte aber nicht lange, ehe wenige Stunden nach dem Abpfiff ganz andere Zahlen rund um den HSV für Gesprächsstoff sorgten: die jährlichen „Zahlen des Grauens“. So hatte das Abendblatt vor ziemlich genau einem Jahr getitelt, als die HSV AG das achte Millionenminus in Folge in Höhe von 5,8 Millionen Euro veröffentlicht hatte. Und wenig überraschend fällt der Jahresfehlbetrag für das abgelaufene Geschäftsjahr 2018/19 mit 7,963 Millionen Euro sogar höher aus. Eine schlechte Nachricht, die aber – glaubt man den HSV-Verantwortlichen – immerhin besser als zunächst befürchtet daherkommt. „Die Zahlen sind deutlich niedriger, als wir es vor der vergangenen Saison erwartet hatten“, hatte Clubchef Bernd Hoffmann bereits am Montag dem Abendblatt gesagt.
Drei Tage später räumte Finanzvorstand Frank Wettstein auf der clubeigenen Homepage HSV.de nun ein, dass der isolierte Blick auf das erneute Millionenminus ein düsteres Bild zeige. Aber: „Wir haben weiterhin ein gutes Eigenkapitalpolster und halten ausreichend Finanzreserven in Form von Liquidität und Kreditlinien vor.“ Sein Schwarze-Null-Versprechen: „Wenn wir dies so beibehalten, dann wird das Ziel in absehbarer Zeit erreicht.“
Auch 2019/20 wird ein Millionenminus befürchtet
Diese absehbare Zeit ist allerdings relativ. Nach Abendblatt-Informationen rechnet der HSV im laufenden Geschäftsjahr noch einmal mit einem vergleichbar hohen Jahresfehlbetrag wie im gerade abgeschlossenen. Es wäre dann das Jubiläumsminus Nummer zehn, was noch keinem anderen deutschen Proficlub gelungen ist. Zum Vergleich: Der FC St. Pauli schreibt bereits seit acht Jahren in Folge positive Zahlen.
Bleibt die Frage nach dem Warum. „Seit der Ausgliederung hat der HSV permanent an die Tür zur Zweiten Bundesliga geklopft“, erklärt Wettstein. „Daher lag das Hauptaugenmerk im gesamten Zeitraum zuvorderst auf der Vermeidung des Abstiegs, direkt gefolgt von der Absicherung des HSV für den Fall der Zugehörigkeit zur zweiten Spielklasse. Zumindest Letzteres ist gelungen, und das ist bedeutend wichtiger als der Ausweis von Jahresergebnissen.“
Nun denn. Einen etwas genaueren Blick auf das nun vorgelegte Jahresergebnis kann man den Verantwortlichen nicht ersparen. Der Gesamtumsatz schmolz von 133,6 auf 126 Millionen Euro, was man natürlich vor allem mit dem Abstieg in die Zweite Liga erklären kann. Allein die medialen Verwertungsrechte, die sich zum Großteil aus den TV-Geldern zusammensetzen, verringerten sich von 40,1 auf 27,3 Millionen Euro.
91,2 Millionen Euro Verbindlichkeiten? Halb so schlimm!
Somit war es auch nicht weiter verwunderlich, dass auch die Verbindlichkeiten von 85,5 auf 91,2 Millionen Euro stiegen. Doch auch hier die gute Nachricht: Es hätte ja auch alles noch viel schlimmer kommen können.
„Erfreulicherweise konnten wir feststellen, dass sowohl unsere Zuschauer als auch Partner uns weiterhin treu zur Seite stehen“, sagt Wettstein, der seit 2014 fünf negative Geschäftsberichte in Folge zu verantworten hat. Und weiter: „Ebenso bedeutsam war der Kaderumbruch mit der Reduktion des Lizenzspieleretats. Hier ist es gelungen, die Aufwendungen für die Lizenzmannschaft um gut 50 Prozent zu reduzieren, gleichzeitig aber auch Transfererlöse von fast 28 Millionen Euro zu erzielen. Nicht zuletzt ist das Erreichen des DFB-Pokalhalbfinales natürlich auch aus kaufmännischer Sicht erfreulich gewesen.“
Mit anderen Worten: alles halb so schlimm. Im ebenfalls veröffentlichten Lagebericht heißt es nun sogar: „Die Vermögens- und Finanzlage wird im Hinblick auf den fortschreitenden Restrukturierungsprozess der Finanzverbindlichkeiten weiterhin als zufriedenstellend beurteilt.“
2017/18: 5,4 Millionen Euro für Entlassungen
Anders als im vergangenen Jahr machte der HSV keine Angaben darüber, wie viele Millionen den Club all die Freistellungen für leitende Angestellte gekostet haben. Im Geschäftsjahr 2017/18 wurde dieser Posten mit aberwitzigen 5,4 Millionen Euro ausgewiesen. Immerhin: Die Belastungen durch die beurlaubten Christian Titz, Hannes Wolf und Co. sollen im Jahr 2018/19 deutlich geringer ausgefallen sein. Genauso wie übrigens auch die Prämienzahlungen. So sparte der HSV nach Abendblatt-Informationen rund drei Millionen Euro, die im Aufstiegsfall fällig geworden wären. Wettstein wollte diese Summe nicht kommentieren, sagte aber: „Dennoch hätten wir das Saisonende gern anders gestaltet.“
Ganz anders gestalten will auch Hoffmann die jährlichen Schreckensmeldungen. „Wir sind wirtschaftlich gut aufgestellt“, hatte der Clubchef bereits am Montag im Abendblatt-Podcast gesagt – und einen positiven Geschäftsbericht ab der Saison 2020/21 in Aussicht gestellt.
Bilanzierter Verlust seit 2011: 74 Millionen Euro
Hoffmann war es auch, dem tatsächlich der letzte positive Jahresabschluss beim HSV gelungen war. Allerdings liegt dieser bereits neun Jahre zurück und bezieht sich auf Hoffmanns erste Amtszeit als HSV-Vorstandsvorsitzender. Seitdem hat sich der bilanzierte Verlust auf 74 Millionen Euro summiert.
Doch was waren nun die entscheidenden Kennzahlen dieses Donnerstags? Eine schwierige Frage, auf die zumindest Trainer Dieter Hecking eine ganz einfache Antwort hatte: 1:0. So ging nämlich das Testspiel des HSV gegen Aalborg aus. Topverdiener Bobby Wood hatte das Tor des Tages bereits nach neun Minuten erzielt – lange bevor in Hamburgs Redaktionen das große Rechnen begann.
Die Bilder des HSV-Spiels gegen Aalborg:
HSV gewinnt am Volkspark Testspiel gegen Aalborg BK