Hamburg/Wolfsburg. Vor dem Relegations-Endspiel hat sich das Abendblatt bei Experten umgehört, die sowohl für den HSV als auch Wolfsburg aktiv waren.

Zum 40. Mal treffen am Sonnabend der HSV und der VfL Wolfsburg in der Bundesliga aufeinander – und nie war es für beide Mannschaften gleichermaßen so wichtig wie diesmal. Vor dem Endspiel um den direkten Klassenerhalt sprachen Kai Schiller und Timo Keller mit einem Dutzend HSV-VfLern oder VfL-HSVern und baten alle, einen Tipp für das Saisonfinale abzugeben. Das unerwartete Ergebnis: nur ein Einziger aus der Expertenrunde tippte auf einen Wolfsburger Sieg.

Stefan Schnoor (HSV: 1988 bis 1998, VfL Wolfsburg: 2001 bis 2006)

Stefan Schnoor Anfang des Jahres im VfL-Trikot
Stefan Schnoor Anfang des Jahres im VfL-Trikot © Imago/Nordphoto

Um eine Karte für „das Spiel der Spiele“, wie Stefan Schnoor das Saisonfinale nennt, braucht sich der frühere HSV-VfLer nicht zu bemühen. „Über die Traditionsmannschaft des HSV bekomme ich glücklicherweise immer ein Ticket“, sagt Schnoor, der dem HSV als Wahl-Hamburger zwar etwas mehr die Daumen drückt, aber auf eine salomonische Lösung hofft: „Mein Wunsch wäre, dass der HSV mit einem Tor Vorsprung gewinnt, gleichzeitig aber der FC Augsburg hoch gegen Hoffenheim verliert. Dann müsste Augsburg in die Relegation, und alle wären glücklich.“ Einen gut gemeinten Rat hat der frühere Beinhart-Verteidiger auch noch parat: „Papadopoulos darf es nicht zulassen, dass Mario Gomez im HSV-Strafraum auftaucht. Sonst wird es brandgefährlich.“

Schnoors Tipp: 1:0 für den HSV

Willi Reimann (HSV-Spieler 1974-81, HSV-Trainer 1987 bis 1990, VfL-Trainer 1995 bis 1998)

Willi Reimann 2012 in HSV-Kluft bei einem Wohltätigkeitsturnier
Willi Reimann 2012 in HSV-Kluft bei einem Wohltätigkeitsturnier © Imago/Schupfner

Willi Reimann ist gerade auf dem Golfplatz an der Wendlohe, als der frühere Hamburger und Wolfsburger ans Telefon geht. „Viel Zeit habe ich nicht, ich befinde mich gerade auf einem Par drei“, sagt der Hobbygolfer, der für einen kurzen Plausch über das Saisonfinale seiner beiden Ex-Clubs dann aber natürlich doch zu haben ist. „Ich erwarte vor allem ein kämpferisches Duell“, sagt der frühere Stürmer, der immerhin 175 Bundesligaspiele für den HSV bestritten hat. Das Endspiel um den direkten Klassenerhalt werde er mit Freunden zu Hause von der Couch aus verfolgen, sagt Reimann, der sich sicher ist: „Wer in diesem Spiel das erste Tor macht, der wird am Ende auch gewinnen.“

Reimanns Tipp: „Dieses Duell ist nicht tippbar.“

Detlev Dammeier (HSV: 1989 bis 1992, VfL: 1992 bis 2000)

Detlev Dammeier Anfang des Jahres bei seiner Vorstellung als Trainer von Lupo Martini Wolfsburg
Detlev Dammeier Anfang des Jahres bei seiner Vorstellung als Trainer von Lupo Martini Wolfsburg © Imago/regios24

Das Duell seiner Ex-Clubs wird sich Detlev Dammeier in Wolfsburg am Fernseher angucken. Zuvor schaut er beim Regionalligisten Lupo Martini vorbei, den der 48-Jährige im Sommer als Trainer übernimmt. Lange muss er daher nicht überlegen, wem er die Daumen drückt. „Ich bin ja viel länger in Wolfsburg gewesen, der VfL ist mir viel, viel näher“, sagt der einstige Mittelfeldspieler, der für den Club vom Mittellandkanal auch noch in der Traditionsmannschaft kickt. Worauf es in so einem Endspiel ankommt, weiß Dammeier. „Es ist reine Nervensache. Wichtig ist, dass du nicht überdrehst. Da sehe ich beim HSV vorm eigenen Publikum die größere Gefahr“, so der Ex-Profi. Auf der anderen Seite: „Die Hamburger sind solche Spiele schon gewohnt.“

Sein Tipp: Die Partie endet 1:1

Holger Ballwanz (HSV: 1987 bis 1992, VfL: 1992 bis 2000)

Holger Ballwanz ist Fanbeauftragter des VfL
Holger Ballwanz ist Fanbeauftragter des VfL © Imago/Rust

Als Fanbeauftragter des VfL wird Holger Ballwanz am Sonnabend wieder mitten zwischen den rund 5000 VfL-Fans stehen. Dementsprechend ist auch klar, wem er die Daumen drückt. Deswegen sagt „Balli“: „Ich bin seit fast 25 Jahren in Wolfsburg, habe fast gar keinen Bezug mehr zum HSV. Club, Stadt und die Menschen in Wolfsburg sind mir total ans Herz gewachsen.“ In dem „Relegations-Endspiel“, so Ballwanz, gehe es darum, wer die besseren Nerven behält. „Ob das dann reicht, um sich auch durchzusetzen, wird sich zeigen.“

Einen Ergebnistipp will der frühere Verteidiger nicht abgeben, nur so viel: „Am Ende steht ein Ergebnis für uns, das mindestens für den 15. Tabellenplatz reichen wird. Hoffnung machen mir bis auf wenige Ausnahmen die letzten Auswärtsauftritte.“

Marijan Kovacevic (HSV: 1993 bis 1997, Wolfsburg: 1997 bis 1999)

Marijan Kovacevic 2016 als Trainer von 1860 München II
Marijan Kovacevic 2016 als Trainer von 1860 München II © Imago/Foto2press

Seine aktive Zeit beim HSV und beim VfL ist schon eine ganze Weile her, aber die „besondere Brisanz“ beim Duell zwischen seinen beiden Ex-Clubs kann Marijan Kovacevic regelrecht fühlen. „Es ist ein klassisches Alles-oder-nichts-Spiel“, sagt der gebürtige Hamburger, der mittlerweile beim SV Elversberg als Sportlicher Leiter arbeitet. Zuvor war er zehn Jahre lang beim VfB Stuttgart unter Vertrag und kann sich noch gut erinnern, wie er im Saisonendspurt vor zwei Jahren das HSV-Training scouten musste. „Schon damals hat die ganze Stadt vibriert. Ein Abstieg ist für Hamburg unvorstellbar.“ Nicht nur für Hamburg, sondern auch für Kovacevic.

Sein Tipp: 1:0 für den HSV

Roy Präger (VfL von 1995 -99 u. 2002-05, HSV 99-02)

Roy Präger beim Hallenfußball im Januar
Roy Präger beim Hallenfußball im Januar © Imago/Nordphoto

Es ist bereits spät, als Roy Präger als letzter Wolfsburg-Hamburger doch noch ans Telefon geht. „Ich war den ganzen Tag unterwegs, jetzt fahre ich mit dem Auto nach Hause“, sagt der Sportliche Leiter der VfL-Fußballschule entschuldigend. Das Endspiel am Sonnabend in Hamburg? „Die Ausgangslage ist ja klar“, sagt Präger. „Der HSV muss gewinnen, wird versuchen, uns direkt unter Druck zu setzen. Wir müssen und werden entsprechend dagegenhalten.“ Bereits am Freitag reist der frühere Publikumsliebling beider Clubs mit seiner Familie in seine alte Wahlheimat, hat aufgrund der Brisanz aber einen Sponsorentermin am Spieltag vorerst abgesagt. „Ich drücke dem HSV in fast jedem Spiel die Daumen. Aber am Sonnabend geht das natürlich nicht“, sagt der einstige Stürmer.

Prägers Tipp: 1:1

Hasan Salihamidzic (HSV: 1992 bis 1998, Wolfsburg: 2011/12)

Hasan Salihamidzic (l., gegen Marcell Jansen) traf 2011 mit Wolfsburg auf den HSV
Hasan Salihamidzic (l., gegen Marcell Jansen) traf 2011 mit Wolfsburg auf den HSV © Witters

Bei der Frage, ob Hasan Salihamidzic eher seinem ersten oder seinem letzten Bundesligaclub die Daumen drückt, braucht der Bosnier keine Sekunde zum Nachdenken. „Ist das jetzt ernst gemeint?“, stellt „Brazzo“ die Gegenfrage. „Mein Herz schlägt natürlich voll und ganz für den HSV.“ Deswegen wird der Botschafter des FC Bayern selbstverständlich auch im fernen München beim Spiel des Rekordmeisters gegen Freiburg immer wieder auf sein Handy schauen. „Ich habe aber ein gutes Gefühl. Der HSV hat ein Heimspiel, und die Mannschaft hat sich Selbstvertrauen aus dem Spiel gegen Schalke geholt“, sagt Salihamidzic.

Sein Tipp: Der HSV gewinnt 2:1

André Breitenreiter (HSV: 1994 bis 1997, Wolfsburg: 1997 bis 1999)

André Breitenreiter will mit Hannover 96 die Relegation gegen einen seiner Ex-Clubs umgehen
André Breitenreiter will mit Hannover 96 die Relegation gegen einen seiner Ex-Clubs umgehen © Imago/Sven Simon

Für Hannovers Trainer André Breitenreiter ist die Ausgangslage klar: Der frühere HSV-Wolfsburger will in einer möglichen Relegation mit keinem seiner beiden Ex-Clubs etwas zu tun bekommen. Einen Punkt brauchen Breitenreiter und Hannover 96 am Sonntag in Sandhausen noch, um auch ohne ein Wiedersehen in der Relegation in die Bundesliga aufzusteigen. „Das Spiel zwischen dem HSV und Wolfsburg wird für beide Mannschaften ein absolutes Endspiel“, sagt der Coach, der auf ein TV-Studium dieses Finals allerdings verzichten muss. Pünktlich mit dem Anpfiff um 15.30 Uhr hebt Hannovers Mannschaftsflieger am Sonnabend Richtung Süden ab, das Ergebnis aus Hamburg dürfte er am Gepäckband am Flughafen erfahren.

Sein Tipp: kein Tipp

Michael Spies (HSV: 1992 bis 1994, VfL: 1995 bis 1998)

Michael Spies 1992 als HSV-Profi
Michael Spies 1992 als HSV-Profi © Witters

Auf die Reise nach Hamburg wird sich Michael Spies, der im Kreis Gifhorn zu Hause ist, nicht machen: „Ich schaue mit Freunden und Bekannten. Ob wir uns bei mir oder woanders treffen, entscheiden wir spontan.“ Er hält den Wolfsburgern die Daumen, mit der Region verbindet ihn mehr. „Mit dem VfL hatte ich größere Erfolge, bin 1997 aufgestiegen.“ Sein Tipp an die Grün-Weißen: „Der VfL darf nicht zu zögerlich sein und nicht auf das Unentschieden gehen.“ Gewinnen werde die Mannschaft, „die mehr Mut hat und ohne Angst oder Nervosität in das Spiel geht“. Hoffnung macht ihm, dass sich der VfL auswärts zuletzt besser präsentiert hat.

Bei der Frage nach einem Tipp pustet der 51-Jährige, der für sieben Erstligisten spielte, durch: „Schwierig. Ich denke, der VfL gewinnt mit 2:1.“

Holger Hiemann (HSV: 1995 bis 1997, Wolfsburg: 1997 bis 2001)

Holger Hiemann ist inzwischen Torwarttrainer in Chemnitz
Holger Hiemann ist inzwischen Torwarttrainer in Chemnitz © Imago/Picture Point

Holger Hiemann denkt angestrengt nach. „Wenn ich ehrlich bin, dann kenne ich aus meiner Wolfsburg- und meiner Hamburg-Zeit jeweils nur noch einen, der heute immer noch beim Club arbeitet: den früheren HSV-Busfahrer Jürgen Ahlert und den heutigen VfL-Fanbeauftragten Holger Ballwanz“, sagt der aktuelle Torwarttrainer des Chemnitzer FC, der seit seinem Wechsel vom HSV nach Wolfsburg vor 20 Jahren auch nie mehr im Volkspark war. „Kürzlich bin ich immerhin auf der A 7 am Stadion vorbeigefahren, als wir mit Chemnitz in Kiel gespielt haben.“ Weil der CFC am Sonnabend auch zeitgleich gegen Hansa Rostock spielt, kann Hiemann frühestens die Zusammenfassung des Spiels in der Sportschau schauen. „Aber natürlich werde ich mich mit dem Handy informieren. Ich denke, dass der HSV durch das Heimspiel einen leichten Vorteil hat.“

Hiemanns Tipp: 2:1

Jens Todt (HSV-Nachwuchschef 2008/09, HSV-Sportchef seit Januar; VfL-Nachwuchschef 2010/11)

Jens Todt gab sein Debüt als HSV-Sportchef in Wolfsburg
Jens Todt gab sein Debüt als HSV-Sportchef in Wolfsburg © Imago/Christian Schrödter

Ob der HSV vor dem Saisonfinale noch einmal ins Kurz-Trainingslager fährt, weiß Jens Todt am Montagmittag noch nicht. Einen konkreten Plan für den freien Nachmittag hat der HSV-Sportchef dagegen sehr wohl, als er ans Telefon geht: „Ich hole gerade meine Kinder von der Schule ab. Heute gibt es einen Familiennachmittag“, sagt Todt, für den der Montag der Ruhetag vor dem Sturm ist. „Am Sonnabend haben wir ein echtes Endspiel, auf das wir die ganze Rückrunde hingearbeitet haben“, so der frühere Wolfsburger, der noch immer beste Kontakte zum VfL pflegt: „Besonders mit Nachwuchsleiter Fabian Wohlgemuth habe ich noch immer ein sehr enges Verhältnis“, sagt der HSV-Manager.

Todts Tipp: „Wir schaffen das.“

Alexander Laas (HSV: 2000 bis 2007, VfL Wolfsburg: 2007 bis 2010)

Alexander Laas 2007 im Wolfsburger Trikot
Alexander Laas 2007 im Wolfsburger Trikot © Imago/Hübner

Am Montagvormittag geht es im Rewe-Markt in der Dorotheenstraße 116 immer ganz besonders drunter und drüber. „Montag ist unser busy day“, sagt Alexander Laas, als er sich entschuldigt, dass er erst am Nachmittag zurückruft. Als der geschäftsführende Gesellschafter des Supermarkts hört, was der Grund des Anrufs ist, ist Laas direkt elektrisiert: „Für mich ist es das Spiel des Jahres“, sagt der einstige Junioren-Nationalspieler, der nur ein großes Problem hat: „Ich weiß noch nicht, ob ich das Spiel tatsächlich im Stadion sehen kann. Eigentlich muss ich am Sonnabend im Supermarkt arbeiten. Aber vielleicht kann ich die Schicht tauschen.“ Schon jetzt sicher ist für Laas dagegen, wer am Sonnabend die Favoritenrolle haben wird: „Das späte Ausgleichstor auf Schalke hat dem HSV gutgetan. Die Hamburger haben einen psychologischen Vorteil.“

Laas’ Tipp: 3:1 für den HSV