Hamburg. Nach dem Langzeitausfall Nicolai Müllers stehen gleich vier Spieler als Ersatz für den Topscorer bereit. Gisdol gibt Müller nicht auf.
Es war 11.33 Uhr am Sonntagmittag, als Nicolai Müller mit einer langen Kniebandage aus der Kabine humpelte und die Nachricht überbrachte. „Es sieht nicht gut aus“, sagte Müller. „Das Innenband ist durch. Sechs Wochen Pause.“ Ein Schock für den HSV. Der beste Scorer des Clubs (fünf Tore, sieben Vorlagen) wird in dieser Saison aller Voraussicht nach keinen Fußball mehr spielen. „Das ist eine sehr schlechte Nachricht“, sagte wenige Minuten später Müllers Trainer Markus Gisdol, der kurz zuvor von der Verletzung erfahren hatte.
„Das sah nicht gut aus“, war der Satz, der 18 Stunden zuvor am häufigsten zu hören war, als es um den Ursprung der schlechten Nachricht ging. Es lief die 53. Minute im Spiel zwischen dem HSV und dem 1. FC Köln, als Müller und Marco Höger im Mittelfeld um einen hohen Ball kämpften. Müller spitzelte den Ball weg, geriet dabei ins Straucheln und fiel zu Boden. Auch Höger verlor das Gleichgewicht und landete mit seinem gesamten Körpergewicht auf Müllers linkem Knie.
Die Signale aller Beteiligten waren sofort klar: Da ist etwas kaputtgegangen. Nachdem Müller unmittelbar nach dem Spiel mit Teambetreuer Jürgen Ahlert ins Krankenhaus fuhr, bestätigte sich am nächsten Morgen die Befürchtung.
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Erster langfristiger Ausfall in dieser Saison
„Das Band ist glatt durch“, sagte Trainer Gisdol, der noch erkennbar mit der Nachricht zu kämpfen hatte, gleichzeitig aber einen kämpferischen Eindruck zu vermitteln versuchte. „Es ist natürlich schwierig, wenn du so einen wichtigen Spieler verlierst“, sagte Gisdol. „Aber wir haben immer wieder Stärke bewiesen in schwierigen Situationen, auch in personell schwierigen.“
HSV-Profis gegen Köln in der Einzelkritik
Tatsächlich hat der HSV im Verlauf der Saison immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen gehabt. Zuletzt war es Mergim Mavraj, der mit einem Sehnenanriss im Knie vier Wochen gefehlt hatte. Doch so einen schweren und langfristigen Ausfall wie den von Müller musste der HSV in dieser Saison noch nicht verkraften. „Es tut natürlich weh, weil jeder weiß, wie wichtig Nicolai für uns ist“, sagt Gisdol. „Aber wir haben einen guten Kader. Ich erwarte jetzt, dass der nächste reinspringt und versucht, die Lücke zu schließen.“
Vier potenzielle Lückenfüller für Müller
Als potenzielle Lückenschließer warf Gisdol dann auch gleich vier Namen ins Rennen. Zum einen Michael Gregoritsch, den Gisdol eigentlich lieber im Sturmzentrum einsetzt, der aber bereits am Sonnabend nach Müllers Auswechslung die Position im rechten Mittelfeld übernahm. „Micha kann das spielen. Er hat es nach seiner Einwechslung schon gut gemacht, sich gut zwischen den Reihen bewegt“, sagte Gisdol am Tag danach.
Zweiter Anwärter wäre Luca Waldschmidt. Der 20-Jährige kam zuletzt nur noch in der Regionalliga zum Einsatz, spielte in der Rückrunde aber bereits in Ingolstadt (1:3) und im Pokal gegen Köln (2:0) auf der Müller-Position. Zudem macht Gisdol Bakery Jatta Hoffnung auf seinen ersten Bundesligaeinsatz. „Er ist eine Option“, sagt der Trainer über den 18-Jährigen aus Gambia.
Hunt will heute wieder mit dem Team trainieren
Schließlich wäre da noch Aaron Hunt. Der Spielmacher war bis zu seiner Verletzung vor zwei Wochen in Frankfurt noch gesetzt. Am Sonntag machte der 30-Jährige, der sich das Schienbeinköpfchen angebrochen hatte, eine Rehaeinheit mit dem Ball. „Es fühlt sich gut an“, sagte Hunt anschließend. Heute will der Routinier wieder ins Mannschaftstraining einsteigen. „Der Trainer entscheidet, ob ich in Dortmund dabei bin“, sagte Hunt. Gisdol will die letzt Einheit vor dem Abflug zum Auswärtsspiel beim BVB am Dienstag noch abwarten und dann eine Entscheidung treffen.
Kommentar: Der HSV hat das Glück des Tüchtigen
Dass der HSV in der Lage ist, Müller zu ersetzen, hat er in der Rückrunde bereits bewiesen. Sowohl gegen Freiburg (2:2) als auch gegen Borussia Mönchengladbach (2:1) punkteten die Hamburger auch ohne ihren Topscorer. Gegen Gladbach spielte Hunt als Müller-Ersatz, gegen Freiburg war es Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier, der in das Mittelfeld vorrückte – eine weitere Option, die in Dortmund denkbar wäre.
Saison ist für Müller gelaufen
Für Müller, der sich am Sonnabend zunächst noch mit dem 2900. Bundesligator des HSV in die Geschichtsbücher des Clubs eintrug, ist die Saison dagegen gelaufen, auch wenn Trainer Gisdol ihn noch nicht ganz abschreiben will. „Wir haben super Ärzte und super Physios, die werden alles möglich machen, was möglich ist.“
Lewis Holtby menschlich gesehen
Vor zwei Jahren erlebte Müller eine ähnliche Situation. Wegen eines Knochenödems fiel er im Saisonendspurt aus. Erst im Rückspiel der Relegation in Karlsruhe gab er sein Comeback und rettete den HSV mit seinem Tor in der Verlängerung vor dem Abstieg. Und diesmal? „Bleib positiv“ und „komm stärker zurück“, schrieb der Pechvogel am Sonntag bei Instagram. Müller weiß, wie schnell sich alles drehen kann.