Hamburg. Für den HSV-Boss ist die Verpflichtung eines Sportchefs die letzte Chance. Wunschkandidat Hochstätter stand schon 2009 auf der Liste.

Als der Presseservice des HSV am Dienstag um 15.18 Uhr eine Rundmail verschickte, rechneten viele bereits mit der Vollzugsmeldung der Sportchefsuche. Doch statt der bevorstehenden Verpflichtung von Bochums Christian Hochstätter gab der HSV die vorläufigen Bilanzzahlen für das Geschäftsjahr 2015/16 bekannt. Für die Hamburger eine wichtige, weil zumindest auf den ersten Blick positive Nachricht.

Die derzeit wichtigere, weil notwendige Nachricht, konnte der HSV bis zum späten Abend aber nicht verkünden. Noch nicht. Lange soll es nicht mehr dauern, bis sich die Hamburger und der Zweitligist VfL Bochum über die Ablösesumme für den Wunschkandidaten Hochstätter einigen. Etwa eine Million Euro wird der HSV aufbringen müssen, um Hochstätter aus seinem erst kürzlich bis 2020 verlängerten Vertrag beim Revierclub herauszukaufen.

Für die Hamburger würde sich mit der Verpflichtung des 53 Jahre alten Managers ein Kreis schließen. Bereits im Jahr 2009 zählte Hochstätter zum engen Kandidatenkreis für die Nachfolge von Dietmar Beiersdorder, der den HSV nach sieben Jahren und einem Streit mit dem damaligen Clubchef Bernd Hoffmann verlassen hatte. Nun soll Hochstätter der sechste Sportchef der vergangenen sieben Jahre werden und ausgerechnet die Aufgabe von Beiersdorfer übernehmen, damit dieser sich in seiner Position als jetziger Clubchef retten kann.

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    Für Beiersdorfer, der den Job des im Mai entlassenen Peter Knäbel übergangsweise übernommen hatte, ist die Verpflichtung Hochstätters die letzte Chance. Der schwer angeschlagene Vorstandsvorsitzende wird verantwortlich gemacht für die dramatische sportliche Lage des sieglosen Tabellenletzten der Bundesliga. Nach Abendblatt-Informationen soll Beiersdorfer erst kürzlich einen Rücktritt in Erwägung gezogen, sich dann aber anders entschieden haben. Am Montagabend soll er bei einem Treffen des Aufsichtsrats aufgefordert worden sein, Ergebnisse in der Sportchefsuche zu präsentieren.

    Vier ernsthafte Kandidaten

    Das Ergebnis heißt nun Hochstätter. Am Dienstag bestätigte auch der VfL Bochum die Kontaktaufnahme der Hamburger. „Der HSV hat sich heute erstmals gemeldet und um einen Gesprächstermin gebeten“, sagte Aufsichtsratschef Hans-Peter Villis. Knackpunkt ist die Ablösesumme. Klar ist: Die Bochumer werden auf einen hohen Betrag beharren. Sie wissen um die Not, in die sich der HSV selbst gebracht hat.

    Hochstätter ist einer von vier ernsthaften Kandidaten, mit denen sich Beiersdorfer in den vergangenen sechs Wochen beschäftigte. Die anderen heißen Georg Heitz (FC Basel), Nico-Jan Hoogma (Heracles Almelo) sowie der derzeit vereinslose Horst Heldt. Schließlich lief die Suche auf den Bochumer Manager hinaus. Weil Beiersdorfer mit Hochstätter aber erst nach dessen Vertragsverlängerung Mitte September Kontakt aufnahm, wird der HSV mal wieder eine Ablöse zahlen müssen.

    Nicht nur in der Statistik der Trainer- und Sportchefwechsel, auch in der Tabelle der Ablöse- und Abfindungen baut der HSV damit die Ligaspitze aus. Seit 2009 hat der Club für die Verpflichtungen und Trennungen der Sportdirektoren rund fünf Millionen Euro ausgegeben – eine Bilanz des Grauens. Allein für Oliver Kreuzer musste der HSV 2013 rund 800.000 Euro an den Zweitliga-Aufsteiger Karlsruher SC überweisen.

    Hochstätter hat bereits zugesagt

    Und so stellt sich die Frage, wo der HSV heute stehen würde, hätte er sich schon 2009 nach dem Abgang Beiersdorfers für Hochstätter entschieden. Nach dessen Aus bei Hannover 96 war er in Hamburg einer von vier Kandidaten. Im Rennen waren damals zudem Roman Grill, Oliver Kreuzer und Stefan Reuter. Mithilfe eines Assessmentcenters castete der HSV nach dem geeigneten Kandidaten. Kreuzer und Grill schnitten dabei am besten ab, doch Sportchef wurde am Ende keiner von ihnen, auch nicht Hochstätter. Nachdem Bernd Hoffmann und Katja Kraus die Aufgabe zunächst selbst übernahmen, entschied man sich im Mai 2010 für den Manager-Neuling Bastian Reinhardt.

    Doch weder in Reinhardt, noch in dessen Nachfolgern Frank Arnesen, Oliver Kreuzer und Peter Knäbel fand der HSV die erhoffte Kontinuität. Zwischen den vielen Wechseln auf der Sportchefposition gab es wohl keinen Fußballmanager, der nicht mit dem HSV verhandelt hatte oder wenigstens mit dem Club in Verbindung gebracht wurde. Vor allem vor der Verpflichtung von Frank Arnesen 2011 mussten die Hamburger immer wieder Absagen von den erhofften großen Lösungen wie Urs Siegenthaler oder Matthias Sammer hinnehmen. 2013 war es der heutige Geschäftsführer des FC St. Pauli, Andreas Rettig, der dem HSV kurz vor der Übereinkunft absagte.

    Die Zusage von Christian Hochstätter haben die Hamburger bereits. Und im Gegensatz zu vielen anderen Kandidaten in den vergangenen sieben Jahren rechnet in Hamburg niemand mehr damit, dass der Deal noch scheitern könnte. Den Vertrag – laut „Bild“ soll Hochstätter bis 2019 unterschreiben – handelt dessen Berater Michael Meier aus. Der frühere Manager von Borussia Dortmund machte mit den Hamburgern zuletzt vor drei Jahren Geschäfte, als er dem Niederländer Bert van Marwijk einen lukrativen Vertrag als HSV-Trainer erpokerte. Auf einen solchen hofft nun auch Christian Hochstätter.