Hamburg. Der Vertrag mit dem neuen Sportchef soll schnell fixiert werden. „Es läuft alles sauber und fair ab“, sagt Bochums Aufsichtsratschef.
Um 15.05 Uhr fuhr Dietmar Beiersdorfer am Montagnachmittag im Volkspark auf den Parkplatz mit der Nummer eins. Während sich die Mannschaft des HSV nahezu zeitgleich auf den Trainingsplatz begab, machte sich der Clubchef auf den Weg in sein Büro, um Gespräche zu führen. Worum es in diesen Gesprächen ging, ist kein Geheimnis mehr. Beiersdorfer ist kurz davor, einen neuen Sportchef zu verpflichten. Und auch der Name ist kein Geheimnis mehr: Christian Hochstätter (53), Sportvorstand des VfL Bochum, soll zum HSV kommen. Und das möglichst schnell. Wie das Abendblatt erfuhr, soll der Vertrag mit Hochstätter noch in dieser Woche fixiert werden.
„Wir haben gesagt, dass wir die Betreuung der Profimannschaft intensivieren wollen“, sagt Aufsichtsratschef Karl Gernandt über die Sportchefsuche des HSV. Am Montag standen zwar gleich sieben Mitarbeiter aus dem Trainer- und Betreuerstab den nur elf verbliebenen Spielern, die nicht auf Länderspielreise oder angeschlagen sind, gegenüber. Und doch haben auch die HSV-Verantwortlichen erkannt, dass sie sich mit der Suche nach einem weiteren „Betreuer“, dem neuen Sportchef, keine Zeit mehr lassen können.
Hochstätter informierte Bochum am Sonntag
Nach der desaströsen 2:5-Niederlage gegen Borussia Dortmund fokussiert sich die Kritik immer stärker auf die Clubführung um Beiersdorfer und Gernandt. Um sich aus der Schusslinie zu bringen, brauchen die beiden so schnell wie möglich ein Ergebnis. Ein neues Gesicht. Eine neue Führungskraft. Am Montag bestätigte der VfL Bochum die Verhandlungen mit Christian Hochstätter. „Er hat uns am Sonntagabend darüber informiert, dass Hamburg auf ihn zugekommen ist, um Gespräche mit ihm zu führen“, sagte Bochums Aufsichtsratschef Hans-Peter Villis dem Abendblatt. „Das wollen wir ihm nicht verbieten. Es läuft alles sauber und fair ab.“
Der HSV wollte sich auf Abendblatt-Nachfrage zu den Meldungen aus Bochum nicht äußern. Das Interesse an Hochstätter ist dabei längst bekannt. Klar ist nun auch, dass der frühere Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach von den verbliebenen Kandidaten die erste Wahl ist. Der ehemalige Schalker Sportvorstand Horst Heldt war nach einem finalen Gespräch mit Beiersdorfer am Sonntag aus dem Rennen. Zuvor hatte sich Nico Hoogma aus dem Kandidatenkreis zurückgezogen.
Über die Auslegung dieses Rückzugs ist dabei ein Streit entbrannt. Hoogma soll von Beginn an nicht Beiersdorfers Wunschlösung gewesen sein. Als der HSV-Boss den Niederländer am vergangenen Donnerstag informierte, dass ein anderer Kandidat die Nase vorn habe, verstand Beiersdorfer dieses Gespräch als Absage. Der schwer enttäuschte Hoogma („So geht man nicht mit einem Menschen um“) wollte keine B-Lösung sein – und sagte endgültig ab.
Hochstätter gilt als kompromisslos
Nun läuft alles auf Hochstätter hinaus. Der Augsburger ist in Bochum seit drei Jahren der starke Mann. Hochstätter, der als Sportdirektor in Mönchengladbach (1999 bis 2005) und Hannover (2007 bis 2009) Erstliga-Erfahrung sammelte, gilt als kompromissloser Verhandlungspartner. Vor einem Jahr pokerte er mit dem HSV so lange um Michael Gregoritsch, bis die Hamburger die geforderte Ablöse von drei Millionen Euro zahlten. Für die gleiche Summe verkaufte Hochstätter in diesem Sommer Stürmer Simon Terodde an den VfB Stuttgart.
Als Einkäufer konnte Hochstätter in Bochum aufgrund der begrenzten finanziellen Möglichkeiten aber kaum in Erscheinung treten. 29 Spieler verpflichtete er in drei Jahren ablösefrei. In Hamburg hätte er durch die Vereinbarung mit Geldgeber Klaus-Michael Kühne einen ganz anderen Spielraum. Hochstätter soll das Interesse des HSV deswegen als große Chance sehen.
Feilschen um die Ablösesumme
Zuvor muss der HSV selbst um die Ablöse feilschen. Und die dürfte im siebenstelligen Bereich liegen. Erst Mitte September hatte Hochstätter seinen Vertrag in Bochum bis 2020 verlängert. Ein Beleg dafür, dass der HSV zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Hochstätter plante, obwohl die Sportchef-Suche seit Monaten lief. Erste Wahl war Hochstätter beim HSV entsprechend nicht.
Für Beiersdorfer und Gernandt ist es wohl die letzte Chance, ihren eigenen Job zu retten. Spannend wird auch sein, inwieweit Beiersdorfers Rolle im Club durch Hochstätter geschwächt wird. Doch dem Vorstandsvorsitzenden bleibt keine andere Wahl. Einen Rücktritt hatte er am Sonntag ausgeschlossen. Beiersdorfer braucht einen neuen Sportchef, um sich selbst zu schützen.
Vieles erinnert an das Jahr 2013, als der HSV nach langer Sportchefsuche – unter anderem wurden Jörg Schmadtke, Andreas Rettig und Felix Magath gehandelt – schließlich für Oliver Kreuzer rund 800.000 Euro an den damaligen Zweitliga-Aufsteiger Karlsruher SC überwies. Nur ein Jahr später wurde Kreuzer wieder gefeuert.