Hamburg. Traditionsclubs Hertha und HSV haben sich in verschiedene Richtungen entwickelt. Manager Preetz: „Hatten ein glückliches Händchen“.

Es ist eine Frage, die jedes deutsche Großstadtmagazin mindestens schon einmal bearbeitet hat. Berlin oder Hamburg? Wer ist die Nummer eins der größten deutschen Städte? Welche Stadt ist schöner? Cooler? Lebenswerter? Aufregender? Nicht selten kommen die Magazine dabei zu dem Ergebnis, dass Hamburg vielleicht etwas schöner und lebenswerter, Berlin dafür cooler und aufregender ist, die Städte letztlich aber doch zu unterschiedlich und daher schwer zu vergleichen sind.

Bei der Frage nach der Nummer eins im deutschen Fußball spielen Hamburg und Berlin dagegen schon lange nicht mehr mit. Vergleicht man die beiden Großstadt-Bundesligisten, haben die bodenständige Hertha aus Berlin und die Hamburger Dramaqueen namens HSV, die an diesem Sonnabend (15.30 Uhr/Sky, Liveticker auf Abendblatt.de) im Olympiastadion aufeinandertreffen, aktuell nur eins gemeinsam: ein neues pink Auswärtstrikot, das die Hertha vor einer Woche erstmals in der Bundesliga trug und mit dem der HSV an diesem Wochenende in einem Pflichtspiel debütiert. Ansonsten haben die Clubs derzeit so viel gemeinsam wie die Currywurst und das Fischbrötchen. Während die Hertha mit einem Sieg den besten Bundesligastart der Geschichte schaffen könnte, kämpft der HSV mit dem neuen Trainer Markus Gisdol gegen den Sturz an das Tabellenende.

Es ist noch gar nicht lange her, da bewegten sich die Hertha und der HSV auf Augenhöhe. Im Mai 2015 beendeten die beiden Clubs die Bundesligasaison mit jeweils 35 Punkten. Nur das bessere Torverhältnis bewahrte Berlin vor der Relegation, die der HSV wenig später auf dramatische Art überstand. Der Retter der Hertha hieß damals Pal Dardai. Der Held des HSV: Bruno Labbadia.

Klare Führungsstruktur bei Hertha

Dass sich die beiden Traditionsclubs seitdem in verschiedene Richtungen entwickelt haben, hat auf Berliner Seite neben Trainer Dardai vor allem mit Sportchef Michael Preetz zu tun. Der Mann, der im Umfeld der Hertha für zwei Abstiege aus der Bundesliga (2010/2012) verantwortlich gemacht wurde, steht nun für die wirtschaftliche und sportliche Konsolidierung des Hauptstadtvereins. Doch was hat Preetz in Berlin eigentlich anders gemacht als Dietmar Beiersdorfer beim HSV?

Da wäre zunächst die unterschiedliche Ausrichtung auf dem Transfermarkt. Während Beiersdorfer mithilfe von Investor Klaus-Michael Kühne seit Mai 2015 rund 50 Millionen Euro in die Mannschaft investiert hat, gab Preetz in vier Transferperioden gerade einmal 13 Millionen Euro aus. Vor allem im vergangenen Sommer landete Preetz mit Vladimir Darida, Vedad Ibisevic, Niklas Stark und Mitchell Weiser vier Volltreffer. „Wir haben ein glückliches Händchen gehabt. Alle Spieler haben eingeschlagen“, sagt Preetz im Gespräch mit dem Abendblatt.

Der Manager ist bei der Hertha Teil einer klaren Führungsstruktur. Neben Preetz und Trainer Dardai zählt zu den Entscheidern im Hintergrund nur noch Präsident Werner Gegenbauer. Während sich der HSV seit der Ausgliederung 2014 in die Abhängigkeit von Anteilseigner Kühne manövriert hat, nutzte die Hertha den Einstieg des US-Investors Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR) im Januar desselben Jahres zur Tilgung seiner Schulden. Für 61,2 Millionen Euro erwarb KKR 9,7 Prozent Anteile an der Hertha KGaA. In sportliche Belange mischt sich der strategische Partner nicht ein.

HSV-PK mit Gisdol vor dem Hertha-Spiel:

Dass Preetz mit der Hertha eine neue Aufbruchstimmung erzeugt hat, verdankt er aber vor allem seiner Trainerentscheidung. Mit Pal Dardai, seinem früheren Teamkollegen und Rekordspieler der Hertha, hat Preetz den perfekten Partner an seiner Seite gefunden. „Pal ist Herthaner durch und durch. Er genießt eine große Reputation bei unseren Fans und hat dadurch mehr Kredit in einer schwierigen Phase“, sagt Preetz. „Er trifft den Nerv der Mannschaft und tut uns einfach gut.“

Während Dardai und Preetz die Gesichter des Berliner Aufschwungs symbolisieren, haben es Beiersdorfer und Labbadia in Hamburg nicht geschafft, einen gemeinsamen Weg zu finden. Am vergangenen Sonntag folgte die Entlassung des Trainers. Seitdem ist die Diskussion entbrannt, ob dem HSV ein starker Sportchef fehlt. Preetz weiß um die Wichtigkeit der Verbindung, kennt aber auch die Problematik. „Der Trainer ist die wichtigste Personalentscheidung, die man treffen muss. Am Ende ist es das Wichtigste, dass man nach seiner Überzeugung handelt“, sagt Preetz und äußert damit auch Verständnis für Beiersdorfers Entscheidung.

Preetz weiß, wie schnell sich im Fußball der Wind drehen kann. Das hat er in Berlin selbst erfahren. „Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass wir den Turnaround geschafft haben, weil es sehr schwierige und harte Zeiten für uns waren mit zwei Abstiegen.“ Für den Moment hat die Alte Dame aus Berlin den Dino überholt. Weit auseinander würden die beiden Großstadtclubs aber nicht liegen. Im Kampf um den Anschluss an die Spitzenclubs sieht Preetz Hertha und den HSV auf Augenhöhe. „Die Kräfteverhältnisse in der Bundesliga haben sich grundlegend verändert. Es ist wahnsinnig schwierig für Clubs wie Hamburg oder Berlin, den Anschluss an die Mannschaften im oberen Tabellendrittel der Bundesliga zu halten.“

Den Großstadtvergleich gegen die Macht aus München könne derzeit nur Dortmund aufnehmen. Preetz appelliert an die Demut: „Die Fans von Clubs wie dem HSV und Hertha werden akzeptieren müssen, dass es erst einmal darum geht, dauerhaft in der Liga zu bleiben.“