Hamburg. Der neue HSV-Trainer Markus Gisdol will wieder positive Energie erzeugen und Freude am Fußball vermitteln. Geht das so schnell?
Es sollte ein kleiner Spaß sein. Am Donnerstag wurde der Hamburger Sportverein 129 Jahre alt. In den sozialen Medien gratulierten viele User dem Club zum Geburtstag. „Happy Birthday HSV! Wir feiern dann am Sonnabend, nech?“, schrieb „Tanja“ via Twitter. Die Antwort des HSV-Accounts über das Netzwerk: „Danke. Aber Geschenke mitnehmen, ne.“ Ein echter Lacher? Eher Geschmackssache.
Tatsächlich gab es rund um den HSV nicht viel zu feiern in den vergangenen Wochen. Höhepunkt des spaßfreien Fehlstarts mit nur einem Punkt aus fünf Spielen war die humorlose Entlassung von Trainer Bruno Labbadia am vergangenen Sonntag. Einen Tag später präsentierte Clubchef Dietmar Beiersdorfer den Nachfolger Markus Gisdol. Sein Auftrag: Na klar, Erfolg haben. Doch fast genauso wichtig: Positive Stimmung erzeugen. Freude am Fußball vermitteln. Spaß machen.
Am Donnerstag gab Gisdol vor seinem ersten Spiel als HSV-Trainer bei Hertha BSC (Sonnabend 15.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) einen Einblick in seine Qualitäten als Entertainer. „Im Witze erzählen bin ich nicht gut, aber ich lache gerne“, sagte Gisdol – und lachte. Der 47-Jährige muss es innerhalb weniger Tage schaffen, in der Mannschaft des HSV eine neue Lockerheit zu erzeugen. Aber geht das so einfach? Und vor allem so schnell? „Es gibt nicht diesen einen Knopf, den ich drücken muss“, sagte Gisdol. Sein Spaßrezept: „Es ist einfach wichtig, dass man in der Kabine auch die notwendige Lockerheit vermittelt.“
Alle HSV-Trainer in der Bundesliga:
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Viel gelacht haben sie in der HSV-Kabine zuletzt nicht mehr. Auch Labbadia war angesichts des sich abzeichnenden Trainerwechsels kaum noch zu Scherzen aufgelegt. Zudem fehlt in dieser Saison mit Jaroslav Drobny der Kabinenclown der vergangenen Jahre. Für den Spaß sollten in dieser Saison andere zuständig sein. „Sven Schipplock und Pierre-Michel Lasogga machen viel gute Laune in der Kabine. Lewis Holtby ist auch immer vorne dabei. Und natürlich Cléber“, sagte Verteidiger Gotoku Sakai vor der Saison im Abendblatt-Interview. Und jetzt? Schipplock spielt in Darmstadt, Lasogga und Cléber fristen ihr Reservistendasein. Holtby? Lacht sowieso immer.
Gisdol will Einzelgesprächen mit den Spielern führen
Markus Gisdol hofft, als neuer HSV-Trainer innerhalb der Mannschaft auch einen Neustart zu erzeugen. „Für jeden Spieler gilt es, mental alles abzuschütteln und eine körperliche Befreiung zu erfahren“, sagt Gisdol. „Ich erwarte, dass die Spieler so spielen, als wäre es ein Neustart. Wir müssen diesen dicken Strich machen.“
Die Köpfe der Spieler will Gisdol bis zum Anpfiff im Berliner Olympiastadion vor allem durch Einzelgespräche erreichen. Doch was sagt man jungen Männern, die vor Selbstvertrauen nicht gerade strotzen? „Die Spieler müssen sich von ihren negativen Gedanken lösen. Der Fokus liegt zu sehr auf Fehlervermeidung“, sagt Christian Reinhardt vom Netzwerk die-Sportpsychologen.de. „Die HSV-Spieler wirken gehemmt, nach Rückschlägen verfällt die Mannschaft in das immer gleiche Muster.“
Gisdol will seinen Spielern vor allem die mentalen Blockaden nehmen. „Sie können Fehler machen, das macht mir nichts aus. Sie müssen nur die Einsatzbereitschaft haben, ganz sauber für die Mannschaft so zu arbeiten, wie ich mir das vorstelle. Fehler sind erlaubt“, sagt Gisdol. Dass die Mannschaft des HSV Moral hat, zeigte sie im Spiel gegen den FC Bayern München, als sie auch für ihren Trainer Bruno Labbadia ein Zeichen setzen wollte.
Gisdols erstes Fazit: "Es macht Spaß"
Auch in den ersten vier Spielen der Saison trat der HSV keinesfalls leblos auf. Doch gerade in den entscheidenden Schlussminuten fehlte der Mannschaft der Glaube an die eigene Stärke. Alle Gegentore der laufenden Saison fielen in der zweiten Halbzeit, die meisten davon in den letzten 20 Minuten. „Langfristig kann man dieses Problem mit Gesprächen lösen“, sagt Sportpsychologe Reinhardt. „Letztlich ist die Stimmung aber eine Frage des Erfolgs und des eigenen Glauben.“
Bruno Labbadia appellierte in den vergangenen Wochen zwar immer wieder an den Glauben an die eigene Stärke, die vielen Niederlagen drückten sich aber auch in seiner Körpersprache negativ aus. Das soll sich nun ändern. „Ich bin ausgeruht, das ist mein Vorteil. Ich habe viel Kraft und kann diese mit meinem Trainerteam gut vorleben“, sagt Gisdol. „Wenn wir uns jetzt gegenseitig anstecken, sind wir auf einem guten Weg.“ In seiner ersten Woche versuchte Gisdol immer wieder, belebende Elemente in seine Trainingseinheiten einzubauen. „Die Mannschaft wirkt sehr gewillt.“ Gisdols erstes Fazit: „Es macht Spaß.“
Der HSV wird den Spaß brauchen in den kommenden Wochen. Nach dem 0:1 gegen Tabellenführer Bayern München wartet mit Hertha der aktuelle Sechste. Anschließend geht es gegen Borussia Mönchengladbach (Vierter), Eintracht Frankfurt (Fünfter), den 1. FC Köln (Dritter) und schließlich gegen Borussia Dortmund (Zweiter). Wirklich witzig klingt das nicht.
Aaron Hunt fehlt dem HSV am Sonnabend in Berlin aufgrund eines privaten Trauerfalls.