Für den Erfolg braucht der HSV nicht nur einen guten Trainer, sondern auch einen richtigen Sportchef
Am Freitag musste alles ganz schnell gehen. Um 13 Uhr saß der neue HSV-Trainer im Auto Richtung Flughafen Düsseldorf. Nach der Landung in Berlin um 16.35 Uhr fuhr er direkt ins HSV-Mannschaftshotel Spreebogen in Alt-Moabit zur ersten Spieleransprache. Am Sonnabend schließlich nahm Huub Stevens im Berliner Olympiastadion auf der Bank Platz, ohne ein einziges Mal mit seinem neuen Team trainiert zu haben. Doch der Schnellschuss ging nach hinten los. 1:2 verlor der HSV äußerst unglücklich durch ein Last-Minute-Tor von Mineiro, und der Club verharrte nach dem 20. Spieltag mit nur 15 Punkten weiter auf Tabellenrang 18.
Ein schlechtes Omen war seine missglückte Premiere als HSV-Coach indes nicht. 14 Spieltage später beendeten die Hamburger die Spielzeit 2006/07 mit 45 Punkten auf Platz sieben. Die Trennung von Thomas Doll (nur ein Sieg in 19 Spielen) im Februar hatte sich als goldrichtige Maßnahme des damaligen Sportchefs Dietmar Beiersdorfer erwiesen.
Zurück in die Neuzeit. Markus Gisdol, der wie Stevens gegen die Hertha sein Debüt feiern wird, ist der 40. Trainer des HSV (inklusive Interimslösungen) seit Einführung der Bundesliga 1963 und der 15. seit dem Abschied von Stevens 2008. Willkommen auf dem Feuerstuhl. Bei so vielen Trainerwechseln dürfte jedoch die Wahrscheinlichkeit hoch sein, dass nicht allein die fehlende Klasse der jeweiligen Übungsleiter dafür verantwortlich zu machen ist, sondern die Instabilität der Clubführung, vor allem der sportlichen Leitung.
Worauf ist der sportliche (und finanzielle) Aufschwung beispielsweise beim 1. FC Köln zurückzuführen? Weil dort mit Manager Jörg Schmadtke und Trainer Peter Stöger seit drei Jahren ein Team harmonisch zusammenarbeitet. Ob einst Michael Zorc und Jürgen Klopp (und jetzt Thomas Tuchel) oder bei Gladbach Max Eberl und Lucien Favre (nun André Schubert) – die Liste solcher Erfolgsduos ließe sich beliebig fortsetzen.
Besonders in den vergangenen Tagen ist heftig diskutiert worden, welchen Anteil Dietmar Beiersdorfer an der aktuellen Misere hat. Ein Versäumnis war es sicher, den Posten von Peter Knäbel nicht sofort neu besetzt zu haben. Ein Trainer braucht einen Vertrauten, der Strömungen in der Mannschaft früh erkennt, der häufig beim Training zuschaut, die Analysen begleitet. Jemanden, der die Übersicht behält, wenn es mal kracht und der dem Trainer auch Ratschläge erteilen kann und sich nicht aus der Verantwortung stiehlt, wenn die Entwicklung der Mannschaft stockt.
Natürlich hat Bruno Labbadia nicht alles richtig gemacht in den vergangenen Monaten. Das ist jedoch nicht die Frage. Es geht darum, ob er nicht einige Fehler hätte vermeiden können unter einer guten Führung. In der aktuellen Konstellation wurde er ziemlich alleine gelassen, genau wie während seines ersten Engagements 2009/10. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es ist das gute Recht und die Pflicht eines HSV-Vorsitzenden (und sportlichen Leiters) zu reagieren. Wenn er nicht mehr das Vertrauen in Labbadia hatte, musste er tätig werden. Aber Beiersdorfer hat nur die Hälfte seines Job erledigt. Vorsitzender und Manager, das funktioniert nicht. Wenn nun nach einem neuen Sportdirektor gesucht wird, ist das überfällig. Die wichtigste Planstelle ist nun mal die des Sportchefs. Wer einen Hauptgrund für den jahrelangen Misserfolg beim HSV sucht, der findet ihn hier. Ein reiner Kaderplaner? Nein, das wäre nicht ausreichend.
Wenn sich in Hamburg etwas zum Positiven drehen soll, muss auch ein Markus Gisdol die Chance erhalten, sich weiterzuentwickeln, zu lernen. Der 47-Jährige, der in der Bundesliga bisher nur Hoffenheim trainierte, soll mutig handeln und Fehler machen dürfen. Er benötigt ein Schutzschild, das vom Verein hochgehalten wird, wenn es nicht läuft und versucht wird, von außen reinzuquatschen. Sonst werden die Spieler schnell spüren, dass die Luft nach Trainerwechsel riecht. Aber dieses ständige Austauschen des Übungsleiters hat noch keinen Verein dauerhaft nach oben gebracht.