Hamburg. Sportchef Beiersdorfer ist innerhalb kurzer Zeit von HSV-Trainer Labbadia abgerückt. Eine Suche nach Gründen.
Es war eine Szene, die irgendwie symbolisch wirkte. Als der HSV-Tross am Mittwoch um elf Uhr auf dem Flughafen Fuhlsbüttel landete, stieg das Team mit Trainer Bruno Labbadia in den wartenden Mannschaftsbus, Sportchef Dietmar Beiersdorfer dagegen nahm seinen Dienstwagen und fuhr voraus in Richtung Volkspark.
Das Ende der Gemeinsamkeiten?
Nach der 0:1 (0:0)-Niederlage beim SC Freiburg gehen die Verantwortlichen des HSV offenbar getrennte Wege. Beiersdorfers Äußerungen am Vorabend, direkt nach dem Spiel, hatten diese Entwicklung erahnen lassen. Nach der dritten Niederlage in Folge, nur einem Punkt aus vier Spielen und einer erneut uninspirierten Leistung ist die Diskussion um Labbadia lauter geworden. Doch während sich die Spieler kollektiv für ihren Coach starkmachten, war es Beiersdorfer, der die Debatte befeuerte. „Bruno Labbadia ist unser Trainer, da muss ich ihm auch nicht jeden Tag Rückendeckung geben“, sagte Beiersdorfer. Ein Bekenntnis hört sich anders an, zumal es der 52-Jährige zuletzt nicht übertrieben hatte mit öffentlicher Rückendeckung. Im Gegenteil.
Klar ist seit Mittwoch: Labbadia erhält eine Schonfrist. Besser gesagt: eine Galgenfrist. An diesem Donnerstag um 13 Uhr wird der Trainer auf der turnusmäßigen Pressekonferenz für Fragen rund um das Spiel gegen den FC Bayern München am Sonnabend (15.30 Uhr) zur Verfügung stehen. Die Fragen dürften sich allerdings weniger um die Begegnung drehen als vielmehr um das Verhältnis zwischen Trainer und Sportchef. Ein Verhältnis, das deutlich distanzierter geworden ist.
Die Spielstatistik
Etwas mehr als 15 Monate ist es erst her, da schien ein Bild der beiden der Beweis einer Männerfreundschaft zu sein. 2. Juni 2015, morgens um halb sechs: Beiersdorfer und Labbadia sitzen in der Kultkneipe Erika’s Eck im Schanzenviertel. Auch Labbadias Frau Sylvia und Beiersdorfers Gattin Olcay sind dabei. Gemeinsam feiern sie den Klassenerhalt nach der dramatischen Relegation in Karlsruhe. Nach der Rettung war Labbadia vor laufenden Kameras in die Arme des Vorstandsvorsitzenden gesprungen. Beiersdorfer wusste, dass der Trainer nicht nur den Club, sondern auch ihn vor einem Totalschaden bewahrt hatte. „Das Denkmal für Bruno baue ich mit eigenen Händen“, sagte Beiersdorfer im Rausch der Emotionen.
Dass er wenige Wochen zuvor überredet werden musste, sich für Labbadia zu entscheiden, schien zu diesem Zeitpunkt vergessen. Fünf Monate später, der HSV hatte gerade in der Liga Borussia Dortmund 3:1 geschlagen, war Labbadia zu Gast in der Sky-Sendung „Audi Star Talk“. Ein Videostatement Beiersdorfers wurde einspielt. Darin sagte dieser auf fast schon rührselige Art: „Die Entscheidung, Bruno Labbadia zu holen, war die wichtigste der jüngeren Vereinsgeschichte.“ Als der HSV Anfang 2016 den Vertrag mit dem Chefcoach vorzeitig um ein Jahr bis zum 30. Juni 2017 verlängerte, sagte Beiersdorfer: „Bruno Labbadia lebt unseren Verein.“
Weitere neun Monate später – es war der Dienstagabend nach der Niederlage in Freiburg – hörten sich Beiersdorfers Aussagen über Labbadias Wirken anders an: „Ganz oben steht der HSV und sonst keiner. Natürlich werde ich mit unseren Trainern darüber sprechen – und dann sehen wir weiter.“ Worte, die gewöhnlich auf den Anfang vom Ende hindeuten. Beiersdorfer, das wurde spätestens in jenem Interview mit dem Pay-TV-Sender Sky deutlich, ist von Labbadia abgerückt.
HSV hat sich bisher kaum Torchancen erspielt
Sollte dem Trainer die Wende nicht mehr gelingen, wird aber die Frage auftauchen: Was hat Labbadia innerhalb so kurzer Zeit falsch gemacht? Fakt ist, dass der HSV 2016 die wenigsten Punkte aller Bundesligateams holte und auch in der aktuellen Tabelle ganz unten steht. In der laufenden Saison erspielt sich kein Club so wenig Torchancen. Das Spiel wirkt berechenbar. Freiburgs Trainer Christian Streich wusste, welche Taktik auf ihn wartet: „Wir waren auf die Balleroberungen und das Umschaltspiel eingestellt.“ Unter Labbadia agiert das Team immer nach demselben Muster. Das bemängelte Beiersdorfer bereits nach dem 0:4 gegen Leipzig.
Die Bilder vom Spiel:
Labbadia verliert sein Schicksalsspiel in Freiburg
Fakt ist aber auch, dass die angespannte Stimmung in der sportlichen Führung nicht nur mit Ergebnissen zu tun hat. Es war vor allem ein Treffen auf Mallorca im Mai, das Labbadia nachhaltig verärgert haben soll. Mit dabei waren neben Beiersdorfer auch Investor Klaus-Michael Kühne und Aufsichtsratschef Karl Gernandt – die drei haben auch an diesem Donnerstag einen lange vereinbarten Gesprächstermin – sowie Spielervermittler und Kühne-Berater Volker Struth. Es ging um Investitionen, um Transfers, um neue Spieler. Nur Labbadia, der saß nicht mit am Tisch.
Dem Trainer dürfte vor allem missfallen haben, dass Struth als externer Spielerberater Einfluss auf die Kaderzusammenstellung nehmen konnte. So soll Struths Agentur SportsTotal in diesem Sommer beim Fünf-Millionen-Euro-Transfer des Kroaten Alen Halilovic (20) vom FC Barcelona zum HSV zwischengeschaltet gewesen sein. Nicht nur die Fans, auch Teile des Aufsichtsrats wundern sich seither, warum das angebliche Supertalent nur zu Kurzeinsätzen kommt. Auch Beiersdorfer deutete zuletzt an, dass er mehr Mut von Labbadia erwarte.
Und der Trainer? Der muss die Folgen dieses komplexen Konstrukts verantworten. Bleiben die sportlichen Ergebnisse aus, wird Labbadia nicht mehr zu halten sein. Wenn es nach den Aussagen von Beiersdorfer nicht ohnehin schon zu spät ist. Dann müsste der Clubchef nur noch die Frage beantworten, wann er Labbadias Denkmal mit eigenen Händen baut.
Das sagen die Fans zur Diskussion um Bruno Labbadia: