Hamburg. Sportchef Beiersdorfer ist innerhalb kurzer Zeit von HSV-Trainer Labbadia abgerückt. Eine Suche nach Gründen.

Es war eine Szene, die irgendwie symbolisch wirkte. Als der HSV-Tross am Mittwoch um elf Uhr auf dem Flughafen Fuhlsbüttel landete, stieg das Team mit Trainer Bruno Labbadia in den wartenden Mannschaftsbus, Sportchef Dietmar Beiersdorfer dagegen nahm seinen Dienstwagen und fuhr voraus in Richtung Volkspark.

Das Ende der Gemeinsamkeiten?

Nach der 0:1 (0:0)-Niederlage beim SC Freiburg gehen die Verantwortlichen des HSV offenbar getrennte Wege. Beiersdorfers Äußerungen am Vorabend, direkt nach dem Spiel, hatten diese Entwicklung erahnen lassen. Nach der dritten Niederlage in Folge, nur einem Punkt aus vier Spielen und einer erneut uninspirierten Leistung ist die Diskussion um Labbadia lauter geworden. Doch während sich die Spieler kollektiv für ihren Coach starkmachten, war es Beiersdorfer, der die Debatte befeuerte. „Bruno Labbadia ist unser Trainer, da muss ich ihm auch nicht jeden Tag Rückendeckung geben“, sagte Beiersdorfer. Ein Bekenntnis hört sich anders an, zumal es der 52-Jährige zuletzt nicht übertrieben hatte mit öffentlicher Rückendeckung. Im Gegenteil.

Klar ist seit Mittwoch: Labbadia erhält eine Schonfrist. Besser gesagt: eine Galgenfrist. An diesem Donnerstag um 13 Uhr wird der Trainer auf der turnusmäßigen Pressekonferenz für Fragen rund um das Spiel gegen den FC Bayern München am Sonnabend (15.30 Uhr) zur Verfügung stehen. Die Fragen dürften sich allerdings weniger um die Begegnung drehen als vielmehr um das Verhältnis zwischen Trainer und Sportchef. Ein Verhältnis, das deutlich distanzierter geworden ist.

Die Spielstatistik

Aufstellung Freiburg

Schwolow - P. Stenzel, Gulde, Höfler, C. Günter - Abrashi - O. Bulut, Frantz (62. Niedermeier), Grifo - Philipp, Niederlechner (69. Petersen). Trainer: Streich

Aufstellung Hamburg

Adler - G. Sakai, Djourou, Spahic, Douglas Santos - Jung, Ekdal - N. Müller (76. Halilovic), Hunt, Waldschmidt (62. Gregoritsch) - Wood (76. Lasogga). Trainer: Labbadia

Schiedsrichter

Markus Schmidt (Stuttgart)

Zuschauer

24.000 (Schwarzwald-Stadion)

Tore

1:0 Petersen (70.)

Gelbe Karten

Frantz -

1/6

Etwas mehr als 15 Monate ist es erst her, da schien ein Bild der beiden der Beweis einer Männerfreundschaft zu sein. 2. Juni 2015, morgens um halb sechs: Beiersdorfer und Labbadia sitzen in der Kultkneipe Erika’s Eck im Schanzenviertel. Auch Labbadias Frau Sylvia und Beiersdorfers Gattin Olcay sind dabei. Gemeinsam feiern sie den Klassenerhalt nach der dramatischen Relegation in Karlsruhe. Nach der Rettung war Labbadia vor laufenden Kameras in die Arme des Vorstandsvorsitzenden gesprungen. Beiersdorfer wusste, dass der Trainer nicht nur den Club, sondern auch ihn vor einem Totalschaden bewahrt hatte. „Das Denkmal für Bruno baue ich mit eigenen Händen“, sagte Beiersdorfer im Rausch der Emotionen.

Dass er wenige Wochen zuvor überredet werden musste, sich für Labbadia zu entscheiden, schien zu diesem Zeitpunkt vergessen. Fünf Monate später, der HSV hatte gerade in der Liga Borussia Dortmund 3:1 geschlagen, war Labbadia zu Gast in der Sky-Sendung „Audi Star Talk“. Ein Videostatement Beiersdorfers wurde einspielt. Darin sagte dieser auf fast schon rührselige Art: „Die Entscheidung, Bruno Labbadia zu holen, war die wichtigste der jüngeren Vereinsgeschichte.“ Als der HSV Anfang 2016 den Vertrag mit dem Chefcoach vorzeitig um ein Jahr bis zum 30. Juni 2017 verlängerte, sagte Beiersdorfer: „Bruno Labbadia lebt unseren Verein.“

Weitere neun Monate später – es war der Dienstagabend nach der Niederlage in Freiburg – hörten sich Beiersdorfers Aussagen über Labbadias Wirken anders an: „Ganz oben steht der HSV und sonst keiner. Natürlich werde ich mit unseren Trainern darüber sprechen – und dann sehen wir weiter.“ Worte, die gewöhnlich auf den Anfang vom Ende hindeuten. Beiersdorfer, das wurde spätestens in jenem Interview mit dem Pay-TV-Sender Sky deutlich, ist von Labbadia abgerückt.

HSV hat sich bisher kaum Torchancen erspielt

Sollte dem Trainer die Wende nicht mehr gelingen, wird aber die Frage auftauchen: Was hat Labbadia innerhalb so kurzer Zeit falsch gemacht? Fakt ist, dass der HSV 2016 die wenigsten Punkte aller Bundesligateams holte und auch in der aktuellen Tabelle ganz unten steht. In der laufenden Saison erspielt sich kein Club so wenig Torchancen. Das Spiel wirkt berechenbar. Freiburgs Trainer Christian Streich wusste, welche Taktik auf ihn wartet: „Wir waren auf die Balleroberungen und das Umschaltspiel eingestellt.“ Unter Labbadia agiert das Team immer nach demselben Muster. Das bemängelte Beiersdorfer bereits nach dem 0:4 gegen Leipzig.

Die Bilder vom Spiel:

Labbadia verliert sein Schicksalsspiel in Freiburg

Der Spielfilm des Untergangs: René Adler kann einen Schuss von Vincenzo Grifo nicht festhalten...
Der Spielfilm des Untergangs: René Adler kann einen Schuss von Vincenzo Grifo nicht festhalten... © Getty Images
...verzweifelt versucht der HSV-Keeper noch, den Ball wegzuspitzeln...
...verzweifelt versucht der HSV-Keeper noch, den Ball wegzuspitzeln... © Getty Images
...doch da rauscht schon Nils Petersen heran und schießt den Ball ins Netz
...doch da rauscht schon Nils Petersen heran und schießt den Ball ins Netz © Getty Images
Der Freiburger Stürmer war erst 54 Sekunden zuvor eingewechselt worden
Der Freiburger Stürmer war erst 54 Sekunden zuvor eingewechselt worden © Getty Images
Damit mussten der HSV und Trainer Bruno Labbadia bereits das achte Joker-Gegentor im vierten Saisonspiel hinnehmen
Damit mussten der HSV und Trainer Bruno Labbadia bereits das achte Joker-Gegentor im vierten Saisonspiel hinnehmen © Getty Images
René Adler (r.) und Gideon Jung nach der Niederlage in Freiburg
René Adler (r.) und Gideon Jung nach der Niederlage in Freiburg © Getty Images
Nach dem Spiel stellten sich die Spieler dem enttäuschten Anhang
Nach dem Spiel stellten sich die Spieler dem enttäuschten Anhang © Witters
Gesprächsbedarf gab es auch mannschaftsintern
Gesprächsbedarf gab es auch mannschaftsintern © dpa
Vor allem Adler ergriff das Wort
Vor allem Adler ergriff das Wort © Getty Images
Labbadia nach dem Spiel in den Katakomben des Schwarzwald-Stadions
Labbadia nach dem Spiel in den Katakomben des Schwarzwald-Stadions © Imago/Heubegrer
Hätte, wenn und aber: Bobby Wood verpasste in der 37. Minute mit einem Pfostenschuss die Führung für den HSV
Hätte, wenn und aber: Bobby Wood verpasste in der 37. Minute mit einem Pfostenschuss die Führung für den HSV © Witters
Nach einem Befreiungsschlag von Emir Spahic machte sich der US-Stürmer auf und davon
Nach einem Befreiungsschlag von Emir Spahic machte sich der US-Stürmer auf und davon © Witters
Das ist Kampf: Wood gegen Freiburgs Kapitän Nicolas Höfler
Das ist Kampf: Wood gegen Freiburgs Kapitän Nicolas Höfler © Getty Images
Auch Aaron Hunt bekam die badische Hartnäckigkeit zu spüren
Auch Aaron Hunt bekam die badische Hartnäckigkeit zu spüren © dpa
Ein bisschen Aua gab es dabei auch
Ein bisschen Aua gab es dabei auch © Getty Images
Gotoku Sakai verspürte zwischendurch ebenfalls Schmerzen
Gotoku Sakai verspürte zwischendurch ebenfalls Schmerzen © Witters
Schicksalsabend im Breisgau? Die HSV-Verantwortlichen Dietmar Beiersdorfer (l.) und Labbadia
Schicksalsabend im Breisgau? Die HSV-Verantwortlichen Dietmar Beiersdorfer (l.) und Labbadia © Bongarts/Getty Images | Matthias Hangst
Von seinem Freiburger Kollegen Christian Streich wurde Labbadia herzlich begrüßt
Von seinem Freiburger Kollegen Christian Streich wurde Labbadia herzlich begrüßt © WITTERS | DenizCalagan
...sehr herzlich sogar
...sehr herzlich sogar © Imago/Eibner
Der SCF-Coach ließ Torjäger Nils Petersen auch gegen den HSV zunächst auf der Bank
Der SCF-Coach ließ Torjäger Nils Petersen auch gegen den HSV zunächst auf der Bank © Imago/Eibner
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Fakt ist aber auch, dass die angespannte Stimmung in der sportlichen Führung nicht nur mit Ergebnissen zu tun hat. Es war vor allem ein Treffen auf Mallorca im Mai, das Labbadia nachhaltig verärgert haben soll. Mit dabei waren neben Beiersdorfer auch Investor Klaus-Michael Kühne und Aufsichtsratschef Karl Gernandt – die drei haben auch an diesem Donnerstag einen lange vereinbarten Gesprächstermin – sowie Spielervermittler und Kühne-Berater Volker Struth. Es ging um Investitionen, um Transfers, um neue Spieler. Nur Labbadia, der saß nicht mit am Tisch.

Dem Trainer dürfte vor allem missfallen haben, dass Struth als externer Spielerberater Einfluss auf die Kaderzusammenstellung nehmen konnte. So soll Struths Agentur Sports­Total in diesem Sommer beim Fünf-Millionen-Euro-Transfer des Kroaten Alen Halilovic (20) vom FC Barcelona zum HSV zwischengeschaltet gewesen sein. Nicht nur die Fans, auch Teile des Aufsichtsrats wundern sich seither, warum das angebliche Supertalent nur zu Kurzeinsätzen kommt. Auch Beiersdorfer deutete zuletzt an, dass er mehr Mut von Labbadia erwarte.

Und der Trainer? Der muss die Folgen dieses komplexen Kons­trukts verantworten. Bleiben die sportlichen Ergebnisse aus, wird Labbadia nicht mehr zu halten sein. Wenn es nach den Aussagen von Beiersdorfer nicht ohnehin schon zu spät ist. Dann müsste der Clubchef nur noch die Frage beantworten, wann er Labbadias Denkmal mit eigenen Händen baut.

Das sagen die Fans zur Diskussion um Bruno Labbadia: