Hamburg. Rouwen Hennings wurde in Hamburg mit Spielern wie Sidney Sam oder Maxim Choupo-Moting ausgebildet. Sein Glück gefunden hat er beim KSC.

Mit dicken Jacken und Wollmützen saßen einige Anhänger des Karlsruher SC am Mittwochmorgen vor dem Fanshop. Sie hatten dort die Nacht verbracht, um sich zum Verkaufsstart um 9 Uhr ein Ticket für das Relegationsrückspiel am Montag in Karlsruhe zu sichern. Die Karten für die Partie, die aus Sicherheitsgründen von der Deutschen Fußball-Liga von 20.30 auf 19 Uhr vorverlegt wurde, waren innerhalb kürzester Zeit vergriffen. Für das Hinspiel in Hamburg sind dagegen noch 300 Karten zu haben, da der KSC sein Auswärtskontingent nicht voll ausschöpfte. Diese sind an diesem Donnerstag ab 8 Uhr im Service-Center am HSV-Stadion erhältlich.

Viele Kartenwünsche gingen in den vergangenen Tagen auch bei KSC-Stürmer Rouwen Hennings ein. Der in Bad Oldesloe aufgewachsene Torschützenkönig der Zweiten Liga (17 Treffer) hat im Hamburger Umland noch viele Verwandte und Bekannte. „Da sind einige Anfragen auf meinem Handy eingegangen“, sagte Hennings im Gespräch mit dem Abendblatt. Ob der 27-Jährige im Volkspark auflaufen kann, ist allerdings noch unklar. Hennings leidet an einer Einblutung im Sprunggelenk und musste das Training am Dienstag vorzeitig abbrechen. „Ich denke, dass ich spielen kann“, sagte er am Mittwoch.

Mit Sam und Choupo-Moting ausgebildet

In jedem Fall wird es für Hennings ein Wiedersehen mit seinem ehemaligen Arbeitgeber. 2001 wurde der beim VfL Oldesloe spielende Stürmer zu einem Probetraining des HSV eingeladen – und überzeugte. Hennings zog in das Internat nach Norderstedt, wurde gemeinsam mit Talenten wie Änis Ben-Hatira, Maxim Choupo-Moting oder Sidney Sam ausgebildet und schaffte unter Trainer Thomas Doll den Sprung in den Profikader. Zum Einsatz kam er dort aber nicht. Nachfolger Huub Stevens setzte auf andere Namen. Und so endete das Kapitel HSV für Hennings. Über die Stationen VfL Osnabrück und FC St. Pauli ging es schließlich nach Karlsruhe, wo der Angreifer seine sportliche und private Heimat fand.

Sie wirkten sowohl beim HSV als auch beim KSC

Amateure

Auch im Unterbau von HSV und KSC wurden in der Vergangenheit Spieler verschoben. Die jüngsten Fälle sind Nico Charrier und U-23-Kapitän Sven Mende, die im Sommer 2014 als "Mitbringsel" von Trainer Joe Zinnbauer von Karlsruhe nach Hamburg zogen. Dafür verließ Nachwuchstorhüter Florian Stritzel den HSV in den Wildpark. Dort kam der Keeper aber zu noch keinem Einsatz bei den Profis.

Aogo, Dennis

Aogo stammt aus Karlsruhe und war sechs Jahre lang für den KSC aktiv. Sein Durchbruch gelang dem Verteidiger beim SC Freiburg, was ihm sogar Berufungen in die Nationalmannschaft einbrachte. Zum HSV kam er 2008, nach mehreren Verletzungen zog er fünf Jahre später weiter zum FC Schalke 04. Aogos Jugendverein Bulacher SC brachte übrigens auch Gelsenkirchens Nachwuchstorhüter Timon Wellenreuther hervor, den Sohn des aktuellen KSC-Präsidenten Ingo Wellenreuther.

Calhanoglu, Hakan

Unterschiedlicher könnte ein Spieler kaum wahrgenommen werden. Während etliche HSV-Fans den Deutsch-Türken nach dessen umstrittenen Abgang zu Bayer Leverkusen trotz wichtiger Tore gegen den Abstieg zum Mond wünschen, genießt Calhanoglu unter den Anhängern der Karlsruher weiterhin Kultstatus. Schließlich schoss der Freistoßkünstler den KSC 2013 zurück in die zweite Liga. Bemerkenswert: Einen Tag nach dem Aufstieg schnürte er noch einmal für die A-Jugend die Fußballschuhe und rettete das Team vor dem Abstieg aus der Junioren-Bundesliga.

Fink, Thorsten

Kam 1994 von Wattenscheid nach Karlsruhe und reifte dort in den Uefa-Cup-Glanzzeiten zum Klassespieler, der drei Jahre darauf beim FC Bayern landete. Mit München holte er 2001 die Champions League, bevor er 2006 bei Red Bull Salzburg seine Trainerkarriere startete. 2011 wurde er vom HSV als Nachfolger von Michael Oenning geholt. Trotz seiner Entlassung am 5. Spieltag der Saison 2013/14 hielt sich Thorsten Fink unter all den Hamburger Trainern der jüngeren Vereinsgeschichte am Längsten im Sattel.

Hennings, Rouwen

Der Torschützenkönig der abgeschlossenen Zweitligarunde (17 Treffer) hat eine HSV-Vergangenheit. Zwischen 2000 und 2007 lief der gebürtige Bad Oldesloer für die Rothosen auf, kam aber nicht an den damaligen Sturmgrößen Paolo Guerrero, Emile Mpenza oder Benjamin Lauth vorbei. Besser lief es für Hennings bei seinem anschließenden Engagements in Onsabrück, beim FC St. Pauli und schließlich in Karlsruhe. "Ich habe fast so viele Tore wie der HSV", scherzte der Angreifer am Ende dieser Saison.

Kirjakow, Sergei

In sechs Jahren Karlsruhe schoss der quirlige Russe zwar nur 29 Tore, sich durch seine Tänzchen auf dem Spielfeld und Interviews aber nachhaltig in die Herzen der KSC-Fans. Auch in den Notizblöcken der HSV-Verantwortlichen tauchte Kirjakow auf, der daraufhin 1998 an die Elbe wechselte. Mit mäßigem Erfolg: Lediglich fünf weitere Bundesligatreffer ließen "Kiki", wie der Rotschopf bei Auftritten in der KSC-Traditionsmannschaft noch heute genannt wird, nur ein Jahr später zum Zweitligisten TeBe Berlin weiterziehen.

Kreuzer, Oliver

Prägende Figur des aktuellen HSV-Niedergangs. Kreuzer transferierte als Karlsruher Manager erst Hakan Calhanoglu für vier Millionen Euro nach Hamburg, um dort dann eine Saison später selbst für eine Ablösesumme von insgesamt 750.000 Euro anzuheuern. Holte im Sommer 2014 seinen Intimus Joe Zinnbauer zum HSV, bevor er im Oktober desselben Jahres für HSV-Sportchef Peter Knäbel weichen musste. Als Kreuzer 1991 für fünf Millionen D-Mark vom KSC zum FC Bayern München wechselte, war dies der bis dato teuerste Transfer eines Abwehrspielers der Bundesligageschichte.

Labbadia, Bruno

Der "Pistolero" beendete in Karlsruhe 2003 seine Karriere als Profifußballer - und wie: Im entscheidenden Spiel gegen den Abstieg aus der zweiten Liga schoss Labbadia ein Tor zum 2:1-Sieg gegen Greuther Fürth und seinen heutigen Schützling beim HSV, Heiko Westermann. Legendär eine Aktion der KSC-Fans, die Labbadia nach anhaltender Torflaute so lange persönlich unterstützten, bis der Knoten des Hessen endlich wieder platzte. In Hamburg agierte Labbadia von 1987 bis 1989 als Spieler sowie in der Saison 2009/10 und seit 15. April 2015 als Trainer.

Rolff, Wolfgang

Eine Figur, an die sich HSV- und KSC-Fans gleichermaßen gerne zurückerinnern dürften. In Hamburg war Rolff schließlich Mitglied der Mannschaft, die 1983 mit dem Sieg im Landesmeisterwettbewerb gegen Juventus Turin den größten Erfolg der Vereinsgeschichte perfekt machte. Neun Jahre und vier Vereine später landete er in Karlsruhe, wo Trainer Winfried Schäfer um den "Leitrolff" herum die erfolgreichste KSC-Mannschaft der jüngeren Vereinsgeschichte aufbaute. Höhepunkt: Ein 7:0 im Uefa-Pokal gegen den damaligen spanischen Tabellenführer FC Valencia.

Schupp, Markus

Beide Relegationsgegner kennt auch Markus Schupp. In Hamburg war der Mittelfeldspieler allerdings nur eine Spielzeit aktiv. In der Saison 1996/97 erzielte Schupp, damals gerne verwechselt mit Mitspieler Markus Schopp, immerhin zwei Tore im Uefa-Cup. In Karlsruhe endete Schupps erste und vorerst letzte Station als Cheftrainer 2010 mit der Entlassung. Seit dem 23. Mai 2014 ist er Sportdirektor beim 1. FC Kaiserslautern.

Todt, Jens

Als Profi brachte er es bis zum Nationalspieler, als Funktionär benötigte der Hamelner eine längere Anlaufzeit. Seine Arbeit als Verantwortlicher im HSV-Nachwuchsbereich war wie auch seine Tätigkeit als Manager des VfL Bochum nicht unbedingt von Erfolg gekrönt. Besser läuft es beim KSC, wo Todt als kongenialer Partner von Trainer Markus Kauczinski die Arbeit seines Vorgänger Oliver Kreuzer fortführt und den badischen Traditionsverein schneller als erwartet für die geplante Rückkehr ins Fußball-Oberhaus aufgestellt hat.

Zinnbauer, Josef 

In Karlsruhe fiel Zinnbauer als Jungprofi Mitte der 90er Jahre weniger durch Einsätze in der ersten Mannschaft als durch seine Erfolge als umtriebiger Unternehmer auf. Als Finanzdienstleister brachte er es früh zu seinen ersten Millionen. Zweitligaspiele sammelte "Joe" dann für Mainz, ehe er als Trainer in den Wildpark zurückkehrte. Erfolgreiche Arbeit als Coach der zweiten KSC-Mannschaft führte ihn zum HSV, wo er über das Reserveteam sogar bis zum Cheftrainer der Bundesligamannschaft aufstieg. Der Abstiegskampf kostete am Ende allerdings auch Zinnbauer den Job.

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„Mit dem Wechsel zum KSC habe ich alles richtig gemacht“, sagt Hennings. „Meine Erinnerungen an den HSV sind aber durchweg positiv. Ich bin dem Verein dankbar und habe mit meiner Zeit abgeschlossen.“ Hennings ist nun in der Form seines Lebens. Das Karlsruher System ist komplett auf die einzige Spitze zugeschnitten. Alleine 14 Tore erzielte Hennings in der Rückrunde. Viermal traf er im Doppelpack. Seine Mannschaft sei nur schwer zu schlagen, sagt er. „Wir haben eine stabile Grundordnung und verfügen über Ballkontrolle. Wir verteidigen gut, sind gefährlich bei Standards und Kontern.“

Kreuzer lobt Hennings’ Entwicklung

Stärken, mit denen der KSC zur besten Auswärtsmannschaft der Liga aufstieg, auch dank Hennings. „Rouwen hat eine tolle Entwicklung hinter sich“, sagt Oliver Kreuzer, der den Stürmer in seiner Zeit als KSC-Manager in den Wildpark holte. „Er hat ein großes Kämpferherz und einen linken Fuß wie kein anderer in der Zweiten Liga. Er hätte definitiv auch das Zeug zum Erstligastürmer“, sagt Kreuzer.

Es ist eine besondere Geschichte, dass ausgerechnet Hennings nun die Gelegenheit hat, den HSV erstmals in die Zweite Liga zu schießen.

KSC: Orlishausen – Valentini, Gordon, Gulde, Max – Meffert, Yabo – Torres, Yamada, Nazarov – Hennings.