Eine ganze Stadt zittert im Abstiegskampf um ihren Klub: Der HSV steht vor seinem wichtigsten Spiel der Vereinsgeschichte beim FSV Mainz 05. Auch die Konkurrenz hofft noch.

Hamburg. Die Stadt Hamburg rückt im Abstiegskampf ganz eng zusammen - und bündelt vor dem wichtigsten Spiel der Vereinsgeschichte all ihre Kräfte. Auf dem Platz soll der genesene Top-Torjäger Pierre-Michel Lasogga für die Rettung in die Relegation sorgen, auf der Tribüne drückt Olaf Scholz die Daumen. Hamburgs Bürgermeister wird den Hamburger SV am abschließenden Spieltag der Fußball-Bundesliga als Edelfan zum FSV Mainz 05 begleiten.

„Da muss ich jetzt einfach dabei sein“, sagte Scholz und kündigte 90-minütiges Dauer-Daumendrücken an: „Ich hoffe, ich finde sie nachher noch wieder, aber ich werde es das ganze Spiel durchhalten.“

Vom Erfolg seiner „Dienstreise“ in die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt ist der SPD-Politiker überzeugt. „Der HSV ist immer ein erstklassiger Verein gewesen und wird es, davon bin ich ziemlich überzeugt, auch bleiben. Es zittern alle mit - ich auch“, sagte Scholz vor der Partie am Sonnabend(15.30 Uhr/Liveticker auf abendblatt.de). Nur mit einem Sieg hätte der HSV die Relegationsspiele gegen den Dritten der 2. Liga sicher.

An der Elbe herrscht in den Tagen vor dem Abstiegsfinale eine seltsame Mischung aus panischer Angst vor dem ersten Abstieg der Vereinsgeschichte und zaghafter Zuversicht. „Bevor ich einschlafe, mache ich mir schon Gedanken, was passieren könnte“, sagte Klubboss Carl Jarchow. Von einem positiven Ausgang der Mission Klassenerhalt sei er aber voll überzeugt.

Als Mutmacher gilt der Auftritt gegen den FC Bayern (1:4) am vergangenen Wochenende. „Wenn wir mit der gleichen Leidenschaft in das Spiel gehen wie gegen die Bayern, dann packen wir das“, sagte Kapitän Rafael van der Vaart. Und Trainer Mirko Slomka formuliert forsch: „Wir wollen auf Sieg spielen und nicht abwarten, was auf den anderen Plätzen passiert.“

Allein die Bilanz gibt Anlass zur Sorge: Der Liga-Dino verlor seine vergangenen acht Auswärtsspiele, der letzte Sieg auf fremdem Platz liegt sechseinhalb Monate zurück (3:0 beim SC Freiburg am 10. Spieltag). In Mainz ist die Bilanz jedoch gut: In den letzten sechs Partien in Mainz punkteten die Hanseaten immer (3 Siege, 3 Unentschieden).

Und so ruhen die Hoffnungen der HSV-Anhänger mal wieder auf Lasogga. Nach fünfwöchiger Verletzungspause steht der Angreifer in Mainz vor seinem Comeback, könnte sogar von Beginn an stürmen. „Wenn er weiterhin alles mitmachen kann, ist er eine Option für die Startelf“, sagte Slomka. Mit Lasogga, so der Coach, stünden die Chancen im Abstiegskampf deutlich besser.

Wie wichtig der bullige Mittelstürmer für die Hamburger ist, haben die vergangenen Wochen noch einmal bewiesen. Fünf Spiele fehlte Lasogga (12 Saisontore in 19 Spielen) zuletzt, die letzten vier gingen allesamt verloren. „Pierre wäre sehr, sehr wichtig für die hoffentlich drei letzten Spiele“, sagte Youngster Hakan Calhanoglu, „er ist robust vorne drin, immer anspielbar und er reißt uns alle mit“.

Neben Lasogga könnten am Sonnabend auch Verteidiger Johan Djourou (Adduktoren), Außenverteidiger Dennis Diekmeier (Oberschenkel), der am Mittwoch aber nur im Kraftraum trainierte und Nationalspieler Nationalspieler Marcell Jansen (Entzündung im linken Knöchel) ins Team zurückkehren. Jansen absolvierte ebenfalls nur Individualtraining.

Braunschweig mit Kurztrainingslager

Abstiegskonkurrent Eintracht Braunschweig wird einen Tag eher die Reise zum letzten Saisonspiel am Sonnabend(15.30 Uhr) bei 1899 Hoffenheim antreten. Nach einer morgendlichen Trainingseinheit in Braunschweig wird die Mannschaft nach Vereinsangaben bereits am Donnerstag mit dem Bus nach Sinsheim fahren. Ursprünglich war die Abfahrt einen Tag vor dem Spiel geplant. Die abstiegsbedrohte Eintracht kann nur bei einem Sieg noch den Sprung auf Relegationsplatz 16 schaffen, wenn gleichzeitig der Hamburger SV sowie der 1. FC Nürnberg patzen.

Nürnbergs leise Hoffnung auf ein „Wunder“ – Drmic trainiert

Vor den letzten 90 Saisonminuten ist das Wörtchen „Wunder“ in Franken zur Floskel geworden. Bei fast jeder Gelegenheit wird es in dieser Woche von Profis und Offiziellen des 1. FC Nürnberg bemüht – besser beschreiben könnten sie ihr bisschen Hoffnung auf den Bundesligaverbleib auch kaum. Im Abstiegsdreikampf mit Hamburg und Braunschweig hat der FCN die schlechtesten Aussichten, die Kampfansagen klingen nach purem Trotz. „Dass wir mit 26 Punkten überhaupt noch am Leben sind, hätte ich nie gedacht. Wenn du so schlecht dastehst und trotzdem noch eine Möglichkeit hast, dann musst du sie auch nehmen“, urteilt Verteidiger Per Nilsson.

Realistisch betrachtet käme es aber einer kleinen Sensation gleich, wenn der Club seinen achten Abstieg aus der Fußball-Eliteklasse am letzten Spieltag noch verhindern könnte. Einzig ein Sensationssieg beim Champions-League-Aspiranten Schalke 04 am Sonnabend (15.30 Uhr) würde den Relegationsplatz überhaupt noch mal in Sichtweise bringen, zeitgleich dürfte allerdings der Hamburger SV nicht bei Mainz 05 gewinnen.

Dass Schalke selbst noch mal alles reinhauen muss, um Bundesliga-Rang drei abzusichern, kommt erschwerend dazu. „Die Mannschaft muss alles dafür tun, es sehr lange offen zu halten und das Momentum auf unsere Seite zu ziehen“, sagt Sportvorstand Martin Bader.

Wie das mit Blick auf die eklatante Formschwäche und zuletzt sechs Niederlagen hintereinander klappen soll, ist die Frage. Gepunktet hat der neunmalige deutsche Meister zuletzt am 26. März. Der panisch wirkende Trainerwechsel von Gertjan Verbeek zu Roger Prinzen vor zwei Wochen scheint das Team eher noch verunsichert als neue Kräfte freigesetzt zu haben. „Normalerweise bist du mit 26 Punkten mausetot. Die Konkurrenten haben uns am Leben gelassen. Wir müssen hoffen, dass wir das ausnutzen können“, kommentierte Mittelfeldmann Mike Frantz.

Zumindest über eine gute Nachricht durfte sich Prinzen am Mittwoch freuen: Stürmer Josip Drmic, mit 16 Treffern Nürnbergs einziger Spieler mit Torjägerqualitäten, konnte trotz seiner Sprunggelenkbeschwerden wieder trainieren, nachdem er am Vortag hatte aussetzen müssen. Zwei weitere Trainingseinheiten stehen in der Restwoche noch an, ehe sich die Nürnberger am frühen Freitagnachmittag im Anschluss an ein gemeinsames Mittagessen auf nach Gelsenkirchen machen wollen.

Am Sonnabend könnte der Club Bundesligageschichte geschrieben haben - als erster Verein, der achtmal abgestiegen ist. „Wir müssen sehen, dass wir das Beste aus der Situation machen“, sagte Prinzen. Was auch heißen kann: Absteigen – aber zumindest mit Gegenwehr. Bei der jüngsten 0:2-Heimpleite gegen Hannover fehlte diese lange, die Fans reagierten erbost. Dass es sportlich gegen Schalke reicht, ist allein schon wegen der Personalnot in der Defensive sehr unwahrscheinlich: Die drei Stammkräfte Javier Pinola, Marvin Plattenhardt und Timothy Chandler sind nach ihren fünften Gelben Karten nur Zuschauer.