Bundestrainer Joachim Löw beruft für das Länderspiel gegen Chile mit Lasogga, Hahn und Mustafi ein Debütanten-Trio mit Hamburger Stallgeruch. Vor allem über letzteren grübeln sogar Fußballexperten.
München/Köln. Mit diesen Nominierungen hat Joachim Löw für einen echten Paukenschlag gesorgt: Der Bundestrainer berief für das Testspiel am kommenden Mittwoch in Stuttgart gegen Chile (20.45 Uhr, ARD) gleich vier Neulinge ins Aufgebot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.
Während Pierre-Michel Lasogga (HSV), Matthias Ginter (SC Freiburg) und André Hahn (FC Augsburg) einige wenige Experten noch auf dem Zettel gehabt haben dürften, sorgt die Personalie Shkodran Mustafi (Sampdoria Genua) für reichlich Erstaunen. Und das nicht nur unter den HSV-Fans.
Mustafi - da war doch was? Richtig, der Abwehrmann aus Genua galt einst als eines der großen Talente im HSV-Nachwuchsbereich. Bis 2009 schnürte der Sohn albanischer Einwanderer die Schuhe für die Hamburger Jugendteams, ehe es ihn auf die Insel zum FC Everton verschlug. Zuvor hatten auch Newcastle United, Manchester City und Borussia Dortmund Interesse gezeigt.
Für Everton gab Mustafi als 17-Jähriger unter dem heutigen Manchester-United-Coach David Moyes sein Pflichtspieldebüt, als er im letzten Gruppenspiel der Euro-League beim 0:1 gegen BATE Baryssau in der 75. Minute eingewechselt wurde. 2012 zog er weiter nach Italien. In dieser Saison kam Mustafi für „Samp“ in 22 von 25 Serie-A-Spielen zum Einsatz, erzielte dabei beim 1:0-Sieg gegen Atalanta Bergamo sogar den entscheidenden Treffer.
Löw schwärmt von Mustafi und Lasogga
Doch gleichzeitig verschwand Mustafi nach und nach aus dem kollektiven HSV-Gedächtnis. Wenn es um ehemalige Talente ging, fehlte sein Name meistens. „Ich habe mich schon daran gewöhnt, in den Auflistungen nicht mehr aufzutauchen, und das ist auch nicht schlimm“, sagte Mustafi noch im Oktober 2013 dem Abendblatt-Blog „Matz Ab“.
DFB-Trainer Horst Hrubesch aber verfolgte den Werdegang des Ex-Hamburgers weiterhin und holte ihn schließlich in die deutsche U21. Offenbar mit Folgen. „Shkodran Mustafi und Matthias Ginter hatten wir auch schon über die U21 im Blick, sie haben sich genauso wie Pierre-Michel Lasogga und André Hahn ihre Nominierungen absolut verdient“, sagte Bundestrainer Löw am Tag der Kader-Bekanntgabe für das Chile-Spiel.
Der unerwartete Ruf von Löw sei „ein sehr, sehr schönes Gefühl“, sagte Mustafi. Er freue sich auf das „neue Erlebnis“ und hoffe, dass er auch im Kreise der Nationalelf „meine Leistung abrufen und eventuell dann einfach die Nominierung bestätigen kann“.
Hahn ist „völlig perplex“
Mit Hahn könnte in Stuttgart ein weiterer Profi mit HSV-Vergangenheit zum Einsatz kommen. Der Niedersachse stand von 2008 bis 2010 in Hamburg unter Vertrag, lief damals aber ausschließlich für die Regionalliga-Mannschaft auf. Über die Stationen TuS Koblenz und Kickers Offenbach landete Hahn beim FC Augsburg, wo er in der aktuellen Saison mit bislang zehn Toren zum Shootingstar avancierte.
Die Nominierung, die erste für einen Augsburger seit Helmut Haller, traf den Flügelflitzer völlig unvorbereitet. „Es war eine riesige Überraschung für mich, weil ich mich mit diesem Thema überhaupt nicht beschäftigt habe“, sagte der 23-Jährige. DFB-Co-Trainer Hansi Flick habe ihn angerufen. „Als der Anruf kam, war ich völlig perplex. Ich habe wirklich gezittert.“ Für Hahn sei es „ein Traum und eine große Ehre, diese Chance zu bekommen“.
Auch Pierre-Michel Lasogga hätte nicht mit einem Anruf Löws gerechnet. Der Topscorer des HSV (elf Tore, eine Vorlage) kannte noch nicht einmal die Nummer des Bundestrainers, der ihm die positive Nachricht auf die Mailbox gesprochen hatte. „Ich freue mich riesig, das erste Mal dabei sein zu dürfen“, sagte Lasogga dem Abendblatt.
Gedanken an die WM in Brasilien verschwendet Lasogga trotz des möglichen DFB-Debüts noch nicht. „Für mich zählt im Moment nur der HSV“, sagte Lasogga einen Tag vor dem 100. Nordderby in der Bundesliga gegen Werder Bremen. Dort will der 22-Jährige unbedingt auflaufen: „Mir geht‘s gut.“
Mustafis Verbleib scheiterte am Zwist
In der Bundesliga hätte dem HSV möglicherweis auch Mustafi helfen können. Doch ein Verbleib scheiterte seinerzeit an Differenzen zwischen dem damaligen Sportchef Dietmar Beiersdorfer, Nachwuchschef Jens Todt und U-23-Trainer Rodolfo Cardoso. „Die haben mir gesagt, dass alle Spieler, die bleiben sollen, den gleichen Vertrag unterschreiben müssen. Und das wollte ich nicht“, sagte Mustafi „Matz ab“.
Böse ist Mustafi in Hamburg niemandem, im Gegenteil. Aber er trauert der Zeit etwas nach. „Der HSV hatte immer eine ganze Reihe toller Nachwuchsspieler, die leider zu leicht den Verein verlassen haben. Wenn ich dann immer diese Diskussionen höre, der HSV hätte nie jemanden nach oben gebracht, finde ich das schade. Denn es sind ja viele Talente – Sam, Ben-Hatira, Arslan, Beister, Choupo-Moting und auch Torun – in der Bundesliga gelandet und spielen einen guten Ball. Ich glaube, dass allesamt dem HSV gut hätten helfen können.“
Das DFB-Aufgebot gegen Chile:
Tor: Manuel Neuer (Bayern München), Roman Weidenfeller (Borussia Dortmund)
Abwehr: Jérôme Boateng (Bayern München), Matthias Ginter (SC Freiburg), Kevin Großkreutz (Borussia Dortmund), Marcell Jansen (Hamburger SV), Philipp Lahm (Bayern München), Shkodran Mustafi (Sampdoria Genua), Per Mertesacker (FC Arsenal), Marcel Schmelzer (Borussia Dortmund)
Mittelfeld: Lars Bender (Bayer Leverkusen), André Hahn (FC Augsburg), Mario Götze, Toni Kroos, Bastian Schweinsteiger (alle Bayern München), Mesut Özil, Lukas Podolski (beide FC Arsenal), André Schürrle (FC Chelsea), Sidney Sam (Bayer Leverkusen)
Angriff: Pierre-Michel Lasogga (Hamburger SV), Miroslav Klose (Lazio Rom)