Der Aufsichtsrat der Hamburger ließ alle 27 Transfers Arnesens und dessen Zusammenarbeit mit Agenten untersuchen. Arnesen schweigt bislang.
Hamburg. Eigentlich hätte Frank Arnesen gestern beste Laune haben müssen. Gemeinsam mit seiner Frau Kate war der HSV-Sportchef im Auto nach Eindhoven gefahren, wo er am Sonnabend die Hochzeit seines Sohns Sebastian mit dessen Verlobter Joy feiern will. Doch echte Partystimmung wollte bei dem 55-Jährigen gestern noch nicht aufkommen. Zu sehr war der Däne von den Geschehnissen des Vorabends mitgenommen, zu denen er offiziell allerdings nichts sagen wollte: "Da es ein schwebendes Verfahren ist, darf ich darüber extern nicht sprechen."
+++ Kommentar: Berater gehören zum Zirkus dazu +++
Intern musste Arnesen am Dienstagabend dafür umso mehr reden. Mehrere Stunden bezog Arnesen vor dem versammelten Aufsichtsrat Stellung zu den Vorwürfen, die in der aktuellen "Sport Bild" erhoben werden. Dort behauptet Dejan Joksimovic, der Berater von Neuzugang Milan Badelj, dass der HSV bei dem Transfer des Mittefeldmanns unnötig viel Ablöse und einen zweiten Berater bezahlt haben soll. Zudem schlüsselte das Sportmagazin Arnesens mutmaßliches Netzwerk auf, in dem neben anderen Mittelsmännern vor allem die beiden Brüder Vlado Lemic und Zoran Lemic eine fragliche Hauptrolle spielen sollen.
+++ Arnesen: "Das war eine fantastische Transferperiode" +++
Wie eng die Verbindungen der Serben zu Arnesen tatsächlich sind, musste der Sportchef, der in Begleitung eines Anwalts erschien, am Dienstag erklären. Der Aufsichtsrat hatte bereits vorher sämtliche 27 von Arnesen für den HSV getätigte Transfers juristisch prüfen lassen. Dabei fiel den Kontrolleuren auch auf, dass die in der "Sport Bild" erwähnten Lemic-Brüder bei drei Transfers direkt beteiligt waren: beim Kauf von Badelj, beim Verkauf von Paolo Guerrero nach São Paulo und beim Kauf von Slobodan Rajkovic, dessen offizieller Berater Vlado Lemic ist. Arnesen soll aber für alle Einzelfälle plausible Erklärungen geliefert haben, weshalb die Aufsichtsräte dem unter Druck stehenden Sportchef am Ende ihrer Sitzung einstimmig das Vertrauen aussprachen. Per Pressemitteilung ließ Aufsichtsratschef Alexander Otto ausrichten: "Der Aufsichtsrat hat sich heute in einer Sondersitzung eingehend mit den gegen Frank Arnesen erhobenen Vorwürfen beschäftigt. Dabei kam er einstimmig zu dem Ergebnis, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, an der Redlichkeit und Loyalität von Frank Arnesen zu zweifeln." Nachfragen waren offenbar nicht erwünscht. Auch Arnesens Vorstandskollege Carl Jarchow ließ lediglich eine schriftliche Erklärung verschicken: "Wie bereits dem Aufsichtsrat deutlich gemacht, haben auch wir als Vorstandskollegen keinen Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit von Frank Arnesen."
Arnesen selbst schaltete die Kanzlei des Medienanwalts Matthias Prinz ein, der bereits Carolin von Monaco, Claudia Schiffer und den Sultan von Brunei juristisch beraten hat. Im Auftrag der Kanzlei schickte Anwalt Jan Räker, der bis vor Kurzem für den HSV tätig war, an verschiedene Medien die schriftliche Aufforderung, nicht die Berichterstattung der "Sport Bild" aufzugreifen. Ob die Gerüchte über zu hohe Beraterhonorare beim HSV damit aber verstummen, erscheint fraglich.
In Branchenkreisen ist es längst ein offenes Geheimnis, dass beim HSV bereits seit Jahren - also auch lange vor Arnesens Zeit als Sportchef - exorbitant hohe Beraterhonorare fließen. Im Normalfall sollen Agenten zwischen acht und zehn Prozent des Bruttojahreseinkommens ihrer Mandanten erhalten, allerdings läuft ein Großteil der Transfers eben alles andere als normal ab. Nach Abendblatt-Informationen sind Provisionen von bis zu 15 Prozent keine Seltenheit, zudem werden immer öfter Mittelsmänner zwischengeschaltet. In einer Auflistung von Beraterhonoraren von Dezember 2010, die dem Abendblatt vorliegt, hatte der Verein noch Zahlungen an Spieleragenten von 7,3 Millionen Euro in Raten offen. Alleine 484 000 Euro von insgesamt 1,5 Millionen Euro waren an Sören Lerby, dem Berater von Stürmer Marcus Berg, zu zahlen, Heiko Westermanns Agenten Fritz Popp und Oliver König durften sich noch auf 750 000 Euro von insgesamt 1,25 Millionen Euro freuen und für den Berater von Brasilien-Flop Alex Silva waren laut Unterlagen insgesamt 925 000 Euro fällig. Erstaunlich war auch die damals noch nicht bezahlte Rechnung von 900 000 Euro an die Agenten von Tomas Rincon, der nur 450 000 Euro gekostet haben soll. Besonders krass war der Fall Nigel de Jongs, dessen Berater Rodger Linse beim Wechsel des Niederländers zu Manchester City eine Provision in Höhe von drei Millionen Euro kassierte.
Die Frage, ob der HSV zuletzt und auch derzeit gut beraten ist, dürfte Arnesen in den kommenden Wochen weiter beschäftigen. Nach Abendblatt-Informationen soll es neben dem Fall Badelj noch bei weiteren Transfers Ungereimtheiten geben, deren Klärung noch aussteht. Offiziell äußern wollte sich nur Badeljs Berater Joksimovic. Alle anderen Agenten verwiesen jeweils darauf, dass es sich um ein schwebendes Verfahren handeln würde. Eine Erklärung, die beim HSV bestens bekannt ist.