Hannover 96 empfängt den FC Brügge. Bei den Belgiern schiebt Daum die Favoritenrolle nach Niedersachsen. Schalke reist nach Tschechien.

Hannover/Pilsen. Christoph Daum ist ruhiger geworden. Der ehemalige Lautsprecher der Fußball-Bundesliga schlägt bei seiner Rückkehr nach Deutschland leisere Töne an. „Hannover 96 ist der klare Favorit“, sagte der Trainer des FC Brügge vor dem Europa-League-Spiel bei den Niedersachsen an diesem Donnerstag (21.05/Kabel eins und im Liveticker auf abendblatt.de). „Die Mannschaft ist ein gut organisiertes Team“, lobte Daum den Gegner, der sich auch dank des prominenten Gäste-Trainers über ein mit 44 000 Zuschauern ausverkauftes Stadion und ein großes überregionales Interesse freut.

„Ich freue mich auf die Begegnung mit Christoph Daum“, sagte 96-Trainer Mirko Slomka. Gleiches gilt für Hannovers Manager Jörg Schmadtke, der als Spieler bei Bayer Leverkusen unter Daum trainiert hat. „Es war damals sehr interessant, unter ihm zu arbeiten“, berichtete Schmadtke.

Die Strahlkraft des früheren Stuttgarter Meistertrainers hat durch das Bundesliga-Engagement bei Eintracht Frankfurt erheblich gelitten. Nach sieben sieglosen Partien stieg Daum im Mai 2011 sang- und klanglos mit den Hessen ab und quittierte nach 54 Tagen von sich aus den Dienst – nur ein kleiner Unterschied zu seinem Frankfurter Vorgänger Michael Skibbe, der am Sonntag nach 52 Tagen von Hertha BSC Berlin gefeuert wurde. Eine Rückkehr in die Bundesliga schließt Daum nicht grundsätzlich aus. Für ihn ist das deutsche Oberhaus nach der englischen Premier League die zweitattraktivste Liga.

Bei seinem Neuanfang im vergangenen November in Flandern knüpfte Daum an erfolgreiche Trainerzeiten an. „Unter ihm hat Club Brügge eine starke Serie gestartet: vier 1:0-Siege in der belgischen Meisterschaft und vier Punkte in der Europa League“, sagte Slomka anerkennend. Derzeit liegt der 58-Jährige mit seinem Club auf Platz zwei in der belgischen Jupiler League. Obwohl Brügge in der Winterpause in Dirar Nabil aus finanziellen Gründen einen wichtigen Stürmer verlor und für den Wechsel nach Monaco rund 7,5 Millionen Euro kassierte, reist das Team mit dem Selbstvertrauen von vier Siegen in Serie gegen Lokeren (3:0), Mons (2:0), Beerschot (5:1) und Gent (3:1) nach Hannover.

Kein Wunder, dass Slomka die Favoritenrolle ablehnt und von einem 50:50-Spiel spricht. „Das ist eine Partie auf Augenhöhe. Auch Brügge hat viel Potenzial“, erklärte Slomka. Ähnlich wie Daum legt er viel Wert auf Disziplin. Das bekam unter der Woche Edelreservist Altin Lala zu spüren. Der Albaner motzte im Training den Co-Trainer an und wurde bis Montag vom Mannschaftstraining suspendiert. In die engere Wahl für das Brügge-Spiel wäre Lala ohnehin nicht gekommen.

Das sieht bei Emanuel Pogatetz anders aus. Der in der Bundesliga noch gesperrte Innenverteidiger kann im Europapokal eingesetzt werden. Der Österreicher stand schon einmal mit dem FC Middlesbrough im UEFA-Pokal-Finale und verlor. „Mein Traum ist es, noch einmal im Endspiel zu stehen und dann zu gewinnen“, verriet Pogatetz bei Niedersachsens Sportlerehrung in der vorigen Woche.

Bis zum Europa-League-Finale am 9. Mai in Bukarest ist es noch ein weiter Weg, der Einzug in das Achtelfinale scheint aber machbar. Hannover 96 kann in Bestbesetzung antreten, Brügge muss Torwart Bojan Jorgacevic ersetzen. Daum hatte den Serben nach der Sonntag-Partie in Gent noch als wertvollsten Spieler gelobt. Doch weil Jorgacevic nicht für die Europa League gemeldet ist, wird wohl Vladan Kujovic zwischen die Pfosten rücken.

Respekt vor Daum - Angst vor den Fans

Großer Respekt vor Christoph Daum und dem FC Brügge, große Befürchtungen bezüglich der Fans - längst hat sich bei Hannover 96 in die Freude über das Überwintern in der Europa League Angst vor gewalttätigen Auseinandersetzungen rivalisierender Gruppen gemischt. Denn zum Zwischenrunden-Hinspiel gegen den Klub des deutschen Trainers am Donnerstag (21.05 Uhr/Sky und kabel eins) reisen rund 3200 zum Teil unberechenbare Anhänger des 13-maligen belgischen Meisters mit in die niedersächsische Landeshauptstadt.

Die Partie in der Hannoveraner WM-Arena am Maschsee ist längst als „besonderes Risikospiel“ klassifiziert, schon die Begegnungen der Norddeutschen in der Gruppenphase mit Standard Lüttich waren speziell in Belgien nicht ganz unproblematisch. „Es wird schon anders aussehen als an einem normalen Bundesliga-Spieltag. Wir werden sehr, sehr stark aufgestellt sein“, kündigt Einsatzleiter Guido von Cyrson an.

Es drohen also hässliche Bilder, die 96-Sportdirektor Jörg Schmadtke bei seinen Bemühungen, die „Roten“ auffälliger als bisher im europäischen Vereinsfußball zu verankern, spürbar behindern könnten: „Mittlerweile weiß Europa, wo Hannover liegt. Man kennt 96, der Klub wird deutlich stärker wahrgenommen, als das noch in der Vergangenheit war. Es gibt viele, die überrascht sind über unsere souveränen und auch guten Leistungen.“

Daum gehört ganz sicher nicht dazu. Der 58-Jährige ist nach Engagements in Deutschland, der Türkei und Österreich nun in Belgien angekommen und will seinen neuen Arbeitgeber sportlich besser als zuletzt positionieren - auch schon gegen den Bundesliga-Siebten. „Ich denke, es ist ein offenes Spiel. Hannover hat sich toll entwickelt und den Vorteil, dass es in einer stärkeren Liga regelmäßiger auf hohem Niveau gefordert wird“, sagte Daum.

Die Herren Schmadtke und Daum laufen sich übrigens nicht zum ersten Mal über den Weg. Der einstige Bundesliga-Torhüter trainierte in der Saison 1997/98 unter Daum in Leverkusen und hat den später als Drogenkonsumenten entlarvten Coach als sehr akribischen Arbeiter kennengelernt. „Damals war er sehr versessen im Detail. Man hat unheimlich viele Informationen bekommen, die man dann auch verarbeiten musste“, erinnert sich der 47-Jährige.

14 Jahre später ist die Botschaft für Hannover 96 klar: „Mein Lieblingsergebnis wäre ein 2:0“, sagt Schmadtke, der mit einem taktisch geprägten Spiel vor 44.000 Zuschauern in der ausverkauften Arena rechnet. Basierend auf der Hannoveraner Heimstärke, denn vor eigenem Publikum ist 96 in dieser Saison sowohl in der Bundesliga als auch in der Europa League ungeschlagen.

Damit dies so bleibt, dürften sowohl Emanuel Pogatetz - in der Bundesliga noch rotgesperrt - als auch Karim Haggui (zuletzt beim Afrika-Cup im Einsatz) in die Innenverteidigung zurückkehren. Slomka wird wohl gegen den prominenten Kollegen auf Erfahrung setzen, er freut sich auf jeden Fall auf das Duell: „Es wird eine interessante Begegnung.“

Gladbach-Spiel abgehakt: Schalke will in Pilsen Minikrise beenden

Das schlechte Gewissen soll den Profis von Schalke 04 beim Charaktertest in Pilsen Beine machen. Fünf Tage nach der 0:3-Lehrstunde bei Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga wollen die Revierkicker im Europa-League-Spiel in Tschechien ein anderes Gesicht zeigen. Voller Einsicht geloben alle Besserung. „Die Niederlage in Gladbach hat schon sehr wehgetan, vor allem wegen der Art und Weise, wie wir uns präsentiert haben“, sagte Abwehrspieler Christoph Metzelder, der wieder nach vorn schaut. „Das Wundenlecken muss nun vorbei sein. Gut, dass wir jetzt schon wieder die Chance haben, etwas gutzumachen. Die will das ganze Team unbedingt nutzen.“

Auch Julian Draxler schwor seine Kollegen vor dem Hinspiel bei Viktoria Pilsen an diesem Donnerstag (19.00 Uhr/Kabel 1 und im Liveticker auf abendblatt.de) auf „eine positive Reaktion“ ein: „Wir haben schon oft gezeigt, wozu wir in der Lage sind. Wir sind optimistisch und wollen in den nächsten Spielen zeigen, was wir wirklich können. In Pilsen werden wir ganz anders auftreten“, versprach der Jungprofi. Im Rückspiel am 23. Februar soll in Gelsenkirchen der Achtelfinal-Einzug perfekt gemacht werden.

Beim tschechischen Meister müssen die Königsblauen ihren vollmundigen Ankündigungen Taten folgen lassen. Schalke-Trainer Huub Stevens hatte seinen Profis nach dem undisziplinierten und uninspirierten Auftritt am Niederrhein die im Revier geforderten Tugenden abgesprochen und damit den Druck erhöht. „Wenn einige Spieler so über den Platz laufen, sind sie es nicht wert, bei Schalke zu spielen“, zürnte der Niederländer, der nach seiner Standpauke eine entsprechende Reaktion erwartet. „Ich hoffe, dass sie endlich aus ihren Fehlern lernen.“ Am Mittwoch flog der Tross nach Prag. Von da aus ging es mit dem Bus weiter ins westböhmische Pilsen, wo am Abend in der renovierten Doosan Arena das Abschlusstraining anstand.

Sorgen hat auch Meistercoach Pavel Vrba, den der slowakische Fußballverband (SFZ) nach der Trennung von Vladimir Weiss als Teamchef der Nationalelf engagieren will. Vrba hat seine Entscheidung erstmal vertagt. „Schon das Interesse des slowakischen Verbands ist eine große Auszeichnung und Ehre, aber im Moment konzentriere ich mich ganz auf das Spiel gegen Schalke“, sagte der 48-Jährige, der den nach Wolfsburg gewechselten Petr Jiracek und den nach seiner zweijährigen Dopingsperre entlassenen David Bystron ersetzen muss.

Bis auf die Dauerverletzten hat Schalke fast alle an Bord, auch die zuletzt angeschlagenen Raúl, Christian Fuchs und Jefferson Farfan. Zudem rückt der zuletzt schmerzlich vermisste Jermaine Jones höchstwahrscheinlich in die Startelf. Der in der Bundesliga bis 1. März gesperrte Abräumer soll der Defensive wieder mehr Stabilität verleihen.

Richtig heiß auf Wiedergutmachung ist Klaas-Jan-Huntelaar. Der Torjäger gab zu, dass man sich „allmählich Sorgen“ mache, weil man noch nicht wieder an die Hinrunden-Leistungen anknüpfen konnte. Nun soll die Minikrise beendet werden, auch wenn Pilsen kein Aufbaugegner ist. In der Champions-League-Gruppenphase hatten die Tschechen mit dem AC Mailand und FC Barcelona zwei dicke Brocken in der Gruppe. Dennoch schlug sich das Team der Namenlosen achtbar.

Ein Vorteil für Schalke könnte sein, dass Pilsen in diesem Jahr noch kein Pflichtspiel bestritt. Denn die Ligasaison wird erst am 25. Februar fortgesetzt. Huntelaar wird zum Auftakt der K.o.-Runden auf mangelnde Spielpraxis der Gegner keine Rücksicht nehmen. Er will weiter auf Europas Bühne mitmischen: „Der Wettbewerb geht jetzt erst richtig los. Und ich hoffe, dass wir möglichst lange mitspielen.“

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Hannover 96 - FC Brügge

Hannover 96: Zieler - Cherundolo, Pogatetz, Haggui, Schulz - Pinto, Stindl - Schlaudraff, Pander (Rausch) - Diouf, Abdellaoue. - Trainer: Slomka.

FC Brügge: Kujovic - Hoefkens, Donk, Figueras, Stenman - Zimling, van Acker, Vazquez - Meunier, Akpala, Refaelov. - Trainer: Daum.

Schiedsrichter: Manuel de Sousa (Portugal)

Viktoria Pilsen - FC Schalke 04

Viktoria Pilsen: Cech – Rajtoral, Procházka, Ci¨ovsk?, Limbersk? - Darida, Horváth – Petrela, Kolár, Pilar – Bako¨

FC Schalke 04: Unnerstall – Höwedes, Papadopoulos, Matip, Fuchs - Höger, Jones – Farfán, Raul, Obasi (Draxler) – Huntelaar

Schiedsrichter: Stéphane Lannoy (Frankreich)