Hamburg. Nur wenige Hamburger Clubs bieten für Menschen über 65 Jahren Beitragsermäßigungen an. Topsportvereine fordern staatliche Hilfe.

„Als der Rentenschock kam, da habe ich mir wirklich überlegt, ob ich es mir noch leisten kann, weiter Tennis zu spielen“, erzählt Renate P. (71), „ich habe alle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt. Glücklicherweise haben meine Mitspielerinnen mich davon überzeugt weiterzumachen. Ohne Tennis ginge es mir psychisch sicher sehr schlecht.“

Die Eimsbüttelerin ist mit rund 1500 Euro im Monat in Hamburg noch eine besser gestellte Rentnerin, der Durchschnitt bei Frauen in der Hansestadt lag 2023 bei monatlich 1391,66 Euro. Männer bekamen durchschnittlich 1591,66 Euro von der Deutschen Rentenkasse überweisen.

In Hamburg gibt es 329.000 Rentner

Da macht sich ein Mitgliedsbeitrag für den Sportverein schon bemerkbar, 44,50 Euro kostet der Tennisclub in Eimsbüttel monatlich, in dem P. seit knapp 20 Jahren aktiv ist. Das geht noch, ein größerer Nachbarverein berechnet 93,33 Euro. Automatische Preisermäßigungen für Rentner oder grundsätzlich Menschen über 65 Jahre haben diese beiden Clubs nicht.

Sie liegen damit auf der Linie fast aller Sportvereine in Hamburg. Kinder und Jugendliche sowie Menschen in der Ausbildung können in der Regel zu günstigeren Preisen Sport treiben, ebenso nach Nachweis „Bedürftige“ oder Sozialhilfeempfänger. Rentner, von denen es in Hamburg im vergangenen Jahr 329.000 gab, werden jedoch grundsätzlich voll zu Kasse gebeten.

Sozialverband fordert Vergünstigungen

„Jeder fünfte Rentner bekommt monatlich unter 900 Euro“, weiß Sprecherin Nicola Timpe vom Landesverband Hamburg des Sozialverbandes Deutschland (SoVD). Klaus Wicher, der SoVD-Vorsitzende Hamburg, ergänzt: „Immer mehr Rentner und Rentnerinnen können sich Mitgliedsbeiträge in Sportvereinen nicht mehr leisten, weil die Rente einfach zu gering ist. Deshalb fordern wir schon lange, dass es Vergünstigungen für Senioren mit kleinen Einkommen in den Vereinen geben muss.“

Den Clubs und dem Hamburger Sportbund (HSB) sei die Problematik durchaus bewusst, sagt Ulrich Lopatta, der Sprecher der Vereinigung der Hamburger Topsportvereine und Vorsitzender des Walddörfer SV. Aber: „Rentner haben in der Regel ein ausgeprägtes soziales Bewusstsein, so dass sie selbstverständlich ihren zum Teil sehr geringen Beitrag beim Sportverein leisten möchten. Sie wissen den Wert der Sportvereine für die Gemeinschaft und für sich persönlich zu schätzen und wollen diesen aktiv, sogar mit zusätzlichen Spenden, unterstützen.“

Sportvereine fürchten finanzielle Probleme

Viele Menschen im Ruhestand seien zudem nicht allein auf Rentenzahlungen angewiesen, sondern konnten sich durch Erspartes, Betriebsrenten, Erbschaften oder Zusatzversicherungen eine ausreichende finanzielle Alterssicherung aufbauen. „Es kann nicht pauschal festgestellt werden, dass es alle Rentner und Rentnerinnen betrifft“, teilt der HSB dazu mit: „Individuell ist (altersunabhängig) zu bewerten, wie viel jemandem der Sportverein wert ist.“

Automatische Beitragsermäßigungen für Rentner seien deshalb nicht angeraten. „Ein Automatismus würde in einigen Vereinen einen Notstand auslösen und zu größten Problemen führen“, sagt Lopatta. Mit anderen Worten: Viele Vereine können sich eine grundsätzliche Ermäßigung für Rentner nicht leisten.

HSV e.V. bietet automatische Ermäßigung an

„Die Sportvereine haben sich in den vergangenen 30 Jahren immer mehr zu „Dienstleistern“ entwickelt, die ehrenamtliche Arbeit (auch von Rentnern) hat immer weiter abgenommen, so dass die Verwaltung und die Trainer bezahlt werden müssen“, weist Lopatta auf ein Problem in der Vereinsarbeit hin, „die Sportvereine dürfen nicht die Armenhäuser der Nation sein, soziale Unterstützung muss man sich auch leisten können!“

Der HSV e.V. kann (und will) sich das als Großverein offenbar leisten. Er hat für seine Breitensportabteilungen Ermäßigungen für Rentner in der Beitragsordnung generell verankert. Als einziger Club einer knapp 20 Vereine umfassenden Stichprobensuche des Abendblatts. „Uns ist es wichtig, dass der HSV für alle und damit auch für jede Generation zugänglich ist“, sagt Kumar Tschana, der Geschäftsführer des HSV e.V.: „Im Alter spielt Sport eine große Rolle, um körperlich fit, geistig aktiv und sozial eingebunden zu bleiben.“

Günstigere Beiträge bei Nachweis der Bedürftiugkeit

Beim FC St. Pauli erhalten Mitglieder, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, immerhin „auf Antrag“ einen ermäßigten Beitrag. Sportspass, mit rund 23.000 Mitgliedern immer noch der Verein mit den meisten aktiv Sporttreibenden in Hamburg, lockt nicht mit Ermäßigungen. Er steckt seit der Pandemie in einer existenzbedrohenden finanziellen Krise. Dennoch bietet Sportspass für Rentner eine reduzierte Aufnahmegebühr an.

Bei praktisch allen Vereinen sind Ermäßigungen für Empfänger von Sozialleistungen vorgesehen. Das geht aber nur auf Antrag, das heißt, die Menschen werden gezwungen ihre finanzielle Situation zu offenbaren. Das kann eine Hürde sein, die auch mit Scham zu tun hat. Lopatta glaubt das aber nicht: „Natürlich muss man sich aktiv melden, das ist aber in der heutigen Welt überhaupt kein Problem mehr.“

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Klaus Wicher reicht dieses Angebot jedoch nicht. „Senat und Hamburger Sportbund müssen dafür Sorge tragen, dass in allen Hamburger Sportvereinen Vergünstigungen für Senioren und Seniorinnen mit kleinen Einkommen und kostenfreie Mitgliedschaften für Geringverdienende angeboten werden.“ Ein direktes Gespräch des SoVD mit dem HSB dazu hat es jedoch noch nicht gegeben.

Allgemein unstrittig ist, wie wichtig Sport auch (und gerade) für ältere und alte Menschen ist. Lopatta wünscht sich deshalb ein öffentliches Unterstützungssystem ähnlich wie das von der Behörde für Inneres und Sport finanzierte „Kids in die Clubs“ für bedürftige Erwachsene: „Das sollte sich der Sozialstaat, die Bundesrepublik, leisten können. Dann bräuchten die Sportvereine die fehlenden Beiträge nicht auch noch auf die anderen Mitglieder umlegen.“