Hamburg. Die Spiele in Paris lenken die Aufmerksamkeit auf Athleten mit körperlichen Einschränkungen und schaffen so Vorbilder für alle.

2,71 Millionen Zuseher bedeuteten einen Marktanteil von 14,9 Prozent Marktanteil. Das ZDF war damit am Mittwoch der Tagessieger zur Prime time ab 20.15 Uhr – mit der Übertragung der Eröffnungsfeier der Paralympischen Spiele in Paris.

Das ist zwar immer noch wenig im Vergleich zu den mehr als zehn Millionen, die vor knapp fünf Wochen der Eröffnung der Olympischen Spiele an deutschen TV-Geräten beiwohnten. Und dennoch: Es tut sich so einiges in Sachen Wahrnehmung, Anerkennung und Akzeptanz der Athletinnen und Athleten mit körperlichen Einschränkungen. Und davon profitieren natürlich auch alle anderen Mitbürger, die in der einen oder anderen Weise gehandicapt sind.

Athletensprecherin Mareike Miller beklagt zu wenig Sportförderung

Dass paralympische Athleten nun die Chance des auf sie gerichteten Scheinwerfers nutzen, um auf die weiterhin bestehenden Benachteiligungen und infrastrukturellen Probleme hinzuweisen, ist gut. „Noch immer werden Inklusion und Teilhabe in der Praxis erschwert oder gar verhindert“, klagte Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes.

Die Hamburger Rollstuhlbasketballerin Maya Lindholm (33/HSV) nennt als konkrete Beispiele die immer noch viel zu oft mangelhafte Barrierefreiheit diverser Schulturnhallen, Duschen und Toiletten. Athletensprecherin Mareike Miller (34) beklagt insgesamt zu wenig Sportförderung für Kinder und Jugendliche in Deutschland und kritisiert, dass Parasport nicht Teil des Schulsports sei.

Barrierefreier Ausbau geht voran

Es ist tatsächlich so: Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam, sehr langsam – aber sie mahlen. Schul- und Behördengebäude aus der Gründerzeit anzupassen, ist ein schwieriger und teurer Prozess. Der barrierefreie Ausbau der Schnellbahnstationen geht voran.

Bei der Planung neuer Quartiere ist in der Regel ein Facharchitekt für Barrierefreiheit beteiligt. Und dass der Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Hamburg nun jährlich einen niedrigen sechsstelligen Betrag für die Förderung des Leistungssportes erhält, ist ein guter Schritt auf dem Weg, neue Vorbilder zu schaffen.

Inklusionstage ändern Perspektive von Teenagern

Bei den von den BG Baskets organisierten Inklusionstagen in Schulen und Betrieben lernen Kinder, Jugendliche und Erwachsene die Welt aus neuer Perspektive kennen. Die Anerkennung cooler Teens steigt ungemein, wenn sie einmal im Rollstuhl gesessen und versucht haben, gleichzeitig einen Basketball zu dribbeln oder eine Straßenkante zu überwinden. So jemand wird nicht mehr einen anderen mit „bist du behindert?“ beleidigen.

Wenn wir in den kommenden zehn Tagen die sportlichen Leistungen der Athleten bewundern, dann wird auch das zum weiteren Abbau von Vorurteilen beitragen. Wir werden sehen, dass dort normale Leistungssportler am Start sind, die Paralympics haben nichts mit einer Beschäftigungstherapie für Körperbehinderte zu tun.

Klassifizierung für Außenstehende nicht zu verstehen

Stars werden triumphieren, Träume werden zerplatzen, und möglicherweise wird auch der eine oder andere Dopingsünder überführt. Weil es immer Betrüger gibt im Hochleistungssport, und dabei ist es egal, ob denen möglicherweise ein Bein fehlt.

Ein großes Problem im paralympischen Sport ist aber nicht zu übersehen. Betrogen wird nicht nur beim Doping, sondern auch bei der Klassifizierung. Wie vergleicht man unterschiedliche Einschränkungen und bringt Startklassen so fair wie möglich zusammen? Das ist nicht immer transparent, für Außenstehende schon gar nicht zu verstehen und führt auch zu einer Unzahl an Wettbewerben. Bei den Paralympics finden in 22 Sportarten 549 Wettbewerbe statt. Bei den Olympischen Spielen waren es 329 Wettbewerbe in 32 Sportarten.

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Und doch überstrahlt die Bedeutung dieses Sportfestes alle Schwierigkeiten. Andrew Parsons, der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees, bemühte bei der stimmungsvollen Eröffnung die drei Botschaften der Französischen Revolution: „Liberté, Égalité, Fraternité“. Freiheit: Alle Menschen haben das Recht frei zu leben, sagte er. Gleichheit: Jeder Mensch mit Behinderung verdient es, sich ohne Ausgrenzung zu entfalten. Und Brüderlichkeit: „Wir sind nicht alle gleich, aber gehören alle zur Familie der Menschheit.“