Hamburg. Sportspektakel in Paris, ab Mittwoch zweiter Teil. Parakanutin Edina Müller führt das deutsche Team als Fahnenträgerin an.
Mit der Eröffnungsfeier für die Olympischen Spiele in Paris hatte Regisseur Thomas Jolly bereits künstlerische Maßstäbe gesetzt. An diesem Mittwoch (20.15 Uhr ZDF) will er noch einen draufsetzen, Einmaliges schaffen, wie es das noch nie zur Eröffnung der Paralympischen Spiele gegeben hat.
„Es wird ein Spektakel, das die paralympischen Athleten und die Werte, die sie verkörpern, zeigt“, sagte der 42-Jährige: „Ich freue mich, ein Spektakel mit Darbietungen zu schaffen, die man nie zuvor gesehen hat.“
Paralympics: Müller nimmt an fünften Spielen teil
Der Place de la Concorde und die Champs-Élysées werden die Bühne für den Startschuss zu den 15. Sommer-Paralympics bilden, an denen 4.400 Athletinnen und Athleten aus 182 Nationen in 22 Sportarten teilnehmen. Die deutsche Mannschaft ist mit 65 Athletinnen und 78 Athleten sowie fünf Guides dabei, die von der Hamburgerin Edina Müller (41) und Para-Triathlet Martin Schulz (34, Leipzig) als Fahnenträger angeführt werden.
„Edina Müller ist eine Ausnahmeathletin, mit einer einzigartigen Karriere: Zweimal Paralympisches Gold in zwei unterschiedlichen Disziplinen“, würdigte Hamburgs Sportsenator Andy Grote die Kanutin und ehemalige Rollstuhlbasketballerin: „Sie ist eine würdige Fahnenträgerin und wir beglückwünschen sie zu dieser Ehre.“
300.000 Besucher werden pro Tag erwartet
„Die Franzosen haben es geschafft, den Parasport schon bei Olympia stattfinden zu lassen, das treibt uns alle noch mehr an“, sagt Jörg Frischmann, Geschäftsführer der Parasport-Abteilung des TSV Bayer 04 Leverkusen und Kugelstoß-Paralympicssieger von 1992.
Die Behörden rechnen mit bis zu 300.000 Besuchern pro Tag während der Spiele. Das ist in etwa die Hälfte der Besucher der Olympischen Spiele. Der Umbau der Sportstätten hat die Veranstalter vor „keine großen Herausforderungen oder Schwierigkeiten“ gestellt.
Probleme mit der Barrierefreiheit bei der Métro
„Wenn mich jemand fragen würde, ob die Stadt bereit ist, würde ich das bejahen“, sagte Andrew Parsons, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees. „Man muss vergleichen, wo Paris vor sieben Jahren stand und wo die Stadt beim Thema Inklusion jetzt steht. Das ist auch dank der Vergabe der Paralympics hierher.“
Problematisch ist jedoch, dass die Nutzung der Métro für Menschen mit Beeinträchtigungen kaum möglich ist. Die historischen Linien „bleiben die Schwachstelle“ hinsichtlich der Barrierefreiheit, sagte Valérie Pécresse, die als Regionalpräsidentin für das Transportnetzwerk zuständig ist.
Athletensprecherin Miller fordert bessere Sportförderung
Aufmerksamkeit und Anerkennung für die „zweite Halbzeit“ sind seit dem Erfolg der Paralympics in London 2012 deutlich gestiegen. Um so größer und breiter wird weltweit die Förderung von Spitzenathleten mit körperlichen Einschränkungen. 2021 in Tokio erzielte das deutsche Team mit Rang zwölf die schlechteste Platzierung im Medaillenspiegel.
Para-Athletensprecherin Mareike Miller (34), die bis 2023 bei den BG Baskets gespielt hat, fordert jedoch langfristig eine bessere Förderung des Sports, und nicht nur finanziell. „Sport ist kein fester Bestandteil unserer gesellschaftlichen Strukturen“, sagt die Kapitänin der deutschen Rollstuhlbasketballerinnen. Es sei ein Problem, dass der „Sport in Schulen immer weniger stattfindet, dass Kinder gar nicht damit aufwachsen, sportlich zu sein“.
Auch Behindertensport profitiert vom Active-City-Konzept
Seit 2012 müssen Bewerberstädte um Olympische Spiele auch die Ausrichtung der Paralympics miteinbeziehen, welche dann vom selben lokalen Organisationskomitee koordiniert werden. Bei der Bewerbung Hamburgs um die Spiele 2024 waren die Paralympics mitgedacht. Und es ist kein Geheimnis, dass viele Maßnahmen in der Stadt bezogen auf Barrierefreiheit und Inklusion schneller vorangekommen wären, hätte sich die Bevölkerung im Referendum nicht gegen die Bewerbung entschieden.
Dennoch: „Von dem Active-City-Konzept der Stadt profitiert auch der Behinderten- und Rehasport“, sagt Andreas Meyer, der Geschäftsführer des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbandes Hamburg (BRS), „es gibt gute Fortschritte.“
Fünf Athletinnen aus Hamburger Clubs am Start
Fünf Athletinnen von Hamburger Vereinen nehmen an den Spielen teil: Titelverteidigerin Edina Müller (41/Hamburger Kanu Club) im Parakanusprint, die Rollstuhlbasketballerinnen Anne Patzwald (35) und Maya Lindholm (33/beide HSV) sowie Rollstuhlrugby-Spielerin Britta Kripke (47/Alstersport) und Triathletin Neele Ludwig (33/TSG Bergedorf). Dazu kommen noch Schwimmerin Tanja Scholz (40) und Speerwerferin Lise Petersen (19), die in Hamburg trainieren und leben, aber für Vereine in Neumünster beziehungsweise Leverkusen starten.
„Damit belegen wir Platz vier bundesweit in der Teilnehmerzahl bezogen auf die Bevölkerung, und hätte sich Ruderin Jasmina Bier qualifiziert, wären wir an Platz zwei“, erklärt Meyer, „es tut sich einiges.“
Leistungssportkoordinator soll Entwicklung fördern
Das Ziel ist aber ambitionierter, künftig soll es Platz eins in der Pro-Kopf-Wertung der Bundesländer werden. Deshalb fördert der Landessportbund seit 2023 den paralympischen Leistungssport jährlich mit einem niedrigen sechsstelligen Betrag.
Der BRS konnte deshalb neben einem hauptamtlichen Landestrainer für Rollstuhlbasketball und weiteren Honorartrainern auch den hauptamtlichen Leistungssportkoordinator Sven Gronau einstellen. „Das ist sehr wichtig, weil Leistungssport sehr speziell ist, man muss auch sehr schnell reagieren können. Das kann nur ein Hauptamtlicher leisten“, sagt Meyer.
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Gronau ist in diesen Tagen in Paris, um den Kontakt zu den Hamburger Athleten zu halten, um zu lernen, wie die Wettkämpfe organisiert sind, aber auch um sich mit Sportstaatsrat Christoph Holstein auszutauschen, der ebenfalls die Paralympics besucht. „Es liegt noch viel Arbeit vor uns, speziell in den Massensportarten Leichtathletik und Schwimmen“, sagt Meyer.
Wobei es vor allem im Schwimmen wie überall Probleme mit Hallenzeiten gibt. „Wir werden mit etwas Glück die Früchte unserer Arbeit ernten“, so Meyer, „wir müssen kontinuierlich wachsen, wenn wir uns als leistungsstark präsentieren wollen.“