Saalfelden. Hamburger wollten gegen französischen Erstligisten ihre Stammformation finden. Die zweite Elf wendete das Spiel. Der Trainer war zufrieden.

13 Tage vor dem Saisonstart der 2. Fußball-Bundesliga bei Erstliga-Absteiger 1. FC Köln (2. August/20.30 Uhr/Sky) testete der HSV in Saalfelden am Steinernen Meer seine Form im österreichischen Trainingslager über zweimal 60 Minuten gegen den französischen Erstligaclub FC Nantes. In ihren bisherigen drei Vorbereitungsspielen übten die Hamburger erfolgreich gegen unterklassige Gegner. Der achtmalige französische Meister war der erste ernsthafte Prüfstein. Und der HSV bestand die Herausforderung nach anfänglich großen Schwierigkeiten, siegte dank einer starken zweiten Stunde mit 4:2 (0:2, 0:0, 3:0, 1:0). „Gegen einen Erstligisten zu gewinnen, macht immer viel Spaß“, meinte Miro Muheim, der mit zwei Eckbällen die Ergebniskorrektur einleitete.

An diesem Sonntag (16 Uhr) folgt in Bramberg am Wildkogel der zweite Härtetest gegen Cardiff City, dann über 90 Minuten. Die Waliser spielen in der zweiten englischen Liga. Gegen Cardiff werden Erinnerungen an sportlich bessere Zeiten wach. 1968 schaltete der HSV die Waliser im Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger aus. Nach dem 1:1 im Volksparkstadion gewannen die Hamburger in Cardiff mit 3:2 und zogen ins Endspiel gegen den AC Mailand ein. Das ging in Rotterdam 0:2 verloren. Erst neun Jahre später sollte der HSV in diesem Wettbewerb mit Spielmacher Felix Magath seinen ersten internationalen Titel holen (2:0 gegen den RSC Anderlecht in Amsterdam).

Stammtorhüter Matheo Raab fehlte erkrankt

Stammtorhüter Matheo Raab fehlte gegen Nantes erkrankt. Ein Infekt legte ihn flach. Ob er am Sonntag gegen Cardiff seinen Arbeitsplatz wieder einnehmen kann, ist noch offen. Das Spiel gegen die Franzosen, deren Saison in der Ligue 1 in Toulouse erst am 18. August beginnt, verfolgte er aus dem Hotel. Die vergangene Erstligaspielzeit schlossen die Westfranzosen nach langem Abstiegskampf als Tabellen-14. ab.

Der HSV begann in der gut besuchten Saalfelden Arena mit Daniel Heuer Fernandes im Tor, Kapitän Sebastian Schonlau, Jonas David, Noah Katterbach, William Mikelbrencis, Jean-Luc Dompé, Daniel Elfadli, Ludovit Reis, Adam Karabec, Bilal Yalcinkaya und Andras Nemeth als nominell einzigen Stürmer. Elfadli und Reis bildeten die Doppelsechs. Die rekonvaleszenten Torjäger Robert Glatzel (nach Sehnenreizung) und Neuzugang Davie Selke (nach Mittelfußbruch) konnten nur zuschauen. Anssi Suhonen (nach Faszienriss) und Immanuel Pherai (Probleme mit den Adduktoren) sind ebenfalls noch angeschlagen.

Nantes geht schon nach zehn Minuten mit 1:0 in Führung

Schon der erste konstruktive Angriff der Franzosen brachte Nantes in der zehnten Minute mit 1:0 in Führung. Adel Mahamoud traf aus sechs Metern seitlich versetzt zum rechten Pfosten. Der bekannte Fehlerteufel David hatte den Ball zuvor im Strafraum unglücklich nach außen verlängert. HSV-Torhüter Heuer Fernandes war aus dieser kurzen Entfernung chancenlos. Kurz danach verletzte sich Nantes‘ Spielmacher Florent Mollet (früher Schalke 04) schwer am Knie und musste in der 15. Minute ausgewechselt werden.

Der HSV kam nach dem frühen Rückstand etwas besser ins Spiel, hatte mehr Ballbesitz, ohne sich wirklich zwingende Aktionen herauszuarbeiten. Immerhin: Nach einem Gewühl an der Strafraumgrenze gelang Elfadli zumindest der erste (harmlose) Torschuss (18. Minute).

HSV-Abwehr unsortiert: Nantes‘ Kapitän köpft das 2:0

Nantes war da wesentlich effektiver. Nach einer Ecke ließ die abermals unsortierte HSV-Abwehr Innenverteidiger Nicolas Pallois unbedrängt den Ball aus sieben Metern unhaltbar für Heuer Fernandes einköpfen: das 2:0 für die Franzosen in der 27. Minute. Für den verärgerten HSV-Torhüter Anlass genug, Klartext mit seinen Vorderleuten zu sprechen. HSV-Trainer Steffen Baumgart, sichtlich unzufrieden, schloss sich ihm nach den ersten 30 Minuten an.

Dompé ist einziger Aktivposten im uninspirierten HSV-Spiel

Nach dem ersten Seitenwechsel kam der HSV in der 40. Minute zu seiner ersten Torchance. Dompé, einer der wenigen Aktivposten im in der ersten Stunde uninspirierten Aufbauspiel der Hamburger, flankte von der Grundlinie vors französische Tor, vor dem Karabec unbeaufsichtigt lauerte. Seinen Kopfball aus sieben Metern faustete Nantes‘ Torhüter Alban Lafont jedoch zur Ecke.

Die Szene bewies: Die einzige Spielidee des HSV bestand in dieser Phase offenbar darin, den Ball an Dompé weiterzuleiten, um dann auf die Dribblings, die Schüsse und die Flanken ihres Flügelspielers zu hoffen. Das Konzept ging insofern optisch auf, weil die Franzosen in den zweiten 30 Minuten im Verwalten ihres Vorsprungs den größten Lustgewinn verspürten.

Nun sind Testspiele Testspiele. Wie weit die fehlende körperliche Frische nach einer Woche intensiven Trainings die Leistungen limitierte, kann nur der Trainer wirklich beurteilen. Nach der Vorstellung in den ersten 60 Minuten muss der HSV zuletzt aber sehr, sehr hart gearbeitet haben. Doch es war erst Halbzeit.

Mehr zum Thema

Für die zweite Stunde wechselte Baumgart sein Team gegen die gelben „Kanarienvögel“ wie angekündigt komplett aus. Torhüter Tom Mickel, Nicolas Oliveira, Dennis Hadzikadunic, Guilherme Ramos, Miro Muheim, Jonas Meffert, Moritz Heyer, Levin Öztunali, Fabio Baldé, Ransford-Yeboah Königsdörffer und Bakery Jatta sollten den Rückstand wettmachen. Die neue Elf nahm den Trainer-Auftrag mit Engagement an.

3:2! HSV dreht in der zweiten Stunde das Spiel komplett

Der erste Teilerfolg gelang schon in der 72. Minute. Nach einer Muheim-Ecke von rechts lief sich Heyer im Torraum frei und schob den Ball aus fünf Metern sicher zum 1:2 ins Netz. Hoffnung keimte auf. Nantes, das ebenfalls elfmal gewechselt hatte, fehlte (nicht nur) in dieser Szene die Zuordnung im Strafraum. Überhaupt hatte die zweite Formation der Franzosen nicht die Klasse ihrer Vorgänger.

Weitere zehn Minuten später war der Ausgleich dann hergestellt. Nach der fünften HSV-Ecke, wieder von Muheim von rechts getreten, schloss Hadzikadunic aus acht Metern mit einem strammen Rechtsschuss zum 2:2 ab. Zuvor hatten die Franzosen den Ball nicht entscheidend vor ihrem Tor wegköpfen können.

Fabio Balde (r.) bot an seinem 19. Geburtstag gegen Nantes eine starke Leitung und schoss nach einem Solo den 3:2-Führungstreffer. Links: Nantes‘ Kelvin Amian Adou.
Fabio Balde (r.) bot an seinem 19. Geburtstag gegen Nantes eine starke Leitung und schoss nach einem Solo den 3:2-Führungstreffer. Links: Nantes‘ Kelvin Amian Adou. © WITTERS | TimGroothuis

Und es sollte noch besser kommen. In der 86. Minute drehte der HSV das Spiel komplett. Der hochbegabte Baldé, der am Sonnabend seinen 19. Geburtstag feierte, schnappte sich in der eigenen Hälfte per Kopf den Ball, sprintete über den restlichen Platz und schloss an der Strafraumgrenze mit einem Linksschuss überlegt zur 3:2-Führung ab. Der Treffer war der Lohn für die deutliche Leistungssteigerung in den dritten 30 Minuten. Die Franzosen, das muss einschränkend gesagt werden, lieferten aber tätige Mithilfe.

Die Entscheidung: Jatta trifft mit Flachschuss zum 4:2

Nantes, das in der zweiten Stunde nicht nur nominell wie ausgewechselt auftrat, sollte auch in den restlichen Spielminuten für den HSV psychologische Aufbauarbeit leisten. Jatta erzielte nach Vorlage Mefferts aus spitzem Winkel mit einem abgefälschten Flachschuss aus sieben Metern das inzwischen verdiente 4:2. Trainer Baumgart huschte nach dem Treffer erstmals ein Lächeln übers Gesicht. Seine zweite Elf hatte innerhalb von knapp 40 Minuten aus einem 0:2 ein 4:2 gemacht.

Wie diese Wende einzuordnen ist, auch das wird Baumgart zu beurteilen wissen. Bezeichnend: Die Franzosen schickten in der Schlussphase zwei ausgewechselte Spieler wieder aufs Feld. Doch diese Eingebung kam zu spät. Der HSV ließ sich den vierten Sieg im vierten Vorbereitungsspiel nicht mehr nehmen.

Steffen Baumgart: „Heute hat schon viel gepasst“

„Wir haben gesehen, dass die Jungs körperlich ein bisschen an der Grenze sind. Und dennoch haben sie versucht, bis zum Schluss fußballerisch das Beste daraus zu machen. Das ist ihnen in der zweiten Stunde gelungen. Heute hat schon viel gepasst, trotz der Anstrengungen eines Trainingslagers“, sagte Baumgart. „Und wir haben gesehen, dass wir talentierte Jungs haben, von denen wir uns im Laufe der Saison noch einiges erhoffen können. Aber da bitte ich noch um etwas Geduld.“