Hamburg. Bereits wenige Tage nach seiner Verpflichtung ist D’Angelo Fulford im Volksparkstadion gefordert. ELF reagiert nach Dragons-Berichten.
„Die Berge in Tirol sind wunderschön“, sagt D’Angelo Fulford. Klingt wie ein Urlaubstipp, ist aber keiner. Sondern nur eine schmeichelhafte Strategie, um einer Frage auszuweichen. Diese zielte nämlich nicht auf die schönsten Wanderungen und urigsten Almhütten in Österreich ab, sondern auf die Gründe seiner Entlassung beim American-Football-Team der Tirol Raiders Anfang Juni.
„Football ist ein Geschäft“, ergänzt der US-Quarterback nur schmallippig. Immerhin musste Fulford nicht lange auf eine neue Anstellung in der European League of Football (ELF) warten. Erst am vergangenen Montag nahmen ihn die Hamburg Sea Devils unter Vertrag, nachdem Vorgänger Javarian Smith etwas überraschend nach nur fünf Saisonspielen (zwei Siege, drei Niederlagen) entlassen worden war.
American Football: Sea-Devils-Neuzugang spielte bereits für die Tirol Raiders
In Tirol war für Fulford sogar bereits nach zwei Spielen Schluss. Es habe einfach nicht mehr gepasst, sagt Tirol-Raiders-Generalmananger Ulz Däuber am Freitagvormittag auf Nachfrage. Gerüchte, wonach nicht nur sportliche Gründe zur Trennung geführt haben sollen, kommentierte der Österreicher nicht. Auch Fulford selbst sagt: „Ich blicke nicht zurück, sondern freue mich jetzt auf die Sea Devils.“
Das kann der neue Spielgestalter auch, schließlich ist er pünktlich zum Saisonhöhepunkt an der Elbe gelandet. Die Partie gegen den amtierenden ELF-Champion Rhein Fire am Sonntag (16.25 Uhr/ProSieben Maxx) ist das einzige Heimspiel, das die Sea Devils in dieser Saison in Hamburg bestreiten. Rund 20.000 Fans werden im Volksparkstadion erwartet. Das sind zwar weniger als noch im vergangenen Jahr, als die Sea Devils mit 32.500 Zuschauern einen neuen ELF-Rekord aufstellten, angesichts des wenige Stunden später stattfindenden EM-Finales aber immer noch ein sehr guter Wert.
Fulford landete am Montag in Hamburg
Erst am vergangenen Sonntag erhielt Fulford den entscheidenden Anruf von Sea-Devils-Headcoach Matthew Johnson, die Hamburger hatten kurz zuvor mit 18:41 bei den Paris Musketeers verloren, sich daraufhin von Quarterback Smith getrennt. Fulford sagte zu, stieg noch am selben Tag in Miami ins Flugzeug. Über dem Atlantik begann er, sich in die Taktik der Sea Devils einzulesen. „Es ist gar nicht so schwer, wie man denkt, sich in ein neues Playbook einzuarbeiten, wenn man die grundsätzlichen Prinzipien von American Football verstanden hat. Bei einem Team heißt das Passkonzept Slice, bei dem anderen Denver – inhaltlich gibt es aber keinen Unterschied. Man muss nur die Vokabeln draufhaben“, erklärt er.
Nach dem ersten Vokabeltest landete Fulford am Montag in Hamburg, es ist nach Tirol seine zweite Profistation in Europa. „Ich bin ein Mensch, der immer neugierig ist und sich auch mal in unbekannte Abenteuer stürzt. Wichtig ist mir vor allem, dass ich meine Gewürze aus den USA mit nach Europa bringe, damit das Essen wie zu Hause schmeckt“, sagt der Quarterback und lacht. „Für andere Menschen mag es vielleicht ungewöhnlich sein, immer auf Abruf zu sein, sich am nächsten Tag ins Flugzeug zu setzen und dann in einer fremden Stadt zu spielen. In meinem Leben ist das aber ganz normal und Teil meiner Professionalität.“
Beinahe hätte Fulford schon im vergangenen Herbst bei den Sea Devils angeheuert. „Im vergangenen Oktober hatte sich Coach Johnson bereits bei mir gemeldet. Weil ich damals aber noch nicht wusste, ob es für mich in der XFL in den USA weitergeht, konnte ich ihm keine sofortige Zusage machen. Als ich mich dann kurze Zeit später zurückgemeldet habe, hatten die Sea Devils schon Javarian unter Vertrag genommen“, erzählt er.
Coach Johnson kennt den Quarterback aus Fort Lauterdale
Mit Johnson pflegt der Spielmacher ein fast schon freundschaftliches Verhältnis, beide stammen aus der Stadt Fort Lauterdale. „Coach Johnson ist gut mit meiner Mutter befreundet. Ich bin mir sicher, dass ich Fotos von gemeinsamen Geburtstagsfeiern finden würde, wenn ich im Facebook-Profil meiner Muter herunterscrollen würde“, sagt Fulford. „Ich habe schon als Kind mit Coach Johnson Bälle durch die Gegend geworfen. Wir haben uns auch vor fünf oder sechs Jahren einmal darüber unterhalten, irgendwann einmal zusammen für ein Team zu arbeiten.“ Nun funktionierte es also im zweiten Anlauf mit der Zusammenarbeit.
Dass das Leben als Football-Profi schnelllebig ist und auch Risiken birgt, weiß Fulford genau. Beim ELF-Konkurrenten Barcelona Dragons krachte es erst in dieser Woche gewaltig (Abendblatt berichtete), Gehälter, Arbeits-Visa und Versicherungen fehlten. 27 Spieler verließen daraufhin das Team, 21 neue wurden vorgestellt, an diesem Sonnabend wollen die Dragons gegen die Madrid Bravos antreten. Sprechen durfte Fulford am Freitag nicht darüber, bei der Frage, wie er die Entwicklungen in Barcelona verfolgt hat, grätscht die Pressesprecherin der Sea Devils dazwischen.
ELF will Missstände intern aufarbeiten
Stattdessen veröffentlichte die ELF am Freitag eine Pressemitteilung zum sogenannten „Players Committee“, über das Spieler Missstände intern melden und aufarbeiten lassen können. „Ich kann nur alle Spieler dazu aufrufen, sich an dieses Gremium zu wenden, wenn es aus ihrer Sicht etwas zu klären gilt und worüber die Liga offiziell in Kenntnis gesetzt werden sollte. Denn eine Gerüchtelage oder auch die Berichterstattung in den Medien sind für die ELF keine Grundlage, um eine Untersuchung einzuleiten. Was aber über das ‚Players Committee‘ an die Liga herangetragen wird, das wird auch geprüft“, wird ELF-Commissioner Patrick Esume in der Mitteilung zitiert.
Die Barcelona Dragons werden zwar nicht explizit erwähnt, insgesamt kann das Kommuniqué aber als Reaktion auf die Abendblatt-Enthüllungen interpretiert werden. „Seit der Gründung ist die European League of Football in allen Bereichen rasant gewachsen. Die Liga gibt die Spielregeln und einen Rahmen vor, in dem sich alle zu bewegen haben. Es ist aber klar, dass sie nicht jeden Schritt an jedem Standort kontrollieren kann. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Franchisen eigenständige Unternehmen sind, mit eigener Führung, eigenen Hierarchien und eigenen Abläufen. Die Spieler sind bei den Franchisen angestellt, nicht bei der Liga“, sagt Esume.
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Für Fulford gilt es nun, sich auf seine Kernkompetenz Football zu konzentrieren. Daran dürfte ihn bei den Sea Devils nichts hindern, im Gegensatz zu Barcelona sind bei den Hamburgern keine Missstände bekannt. Nur im sportlichen Bereich besteht noch Steigerungsbedarf, gegen Rhein Fire ist das Team am Sonntag der Außenseiter. Fulford hofft dennoch, nachhaltig Einfluss nehmen zu können. Damit das Fazit am Ende seiner Sea-Devils-Zeit nicht lautet: „Die Alster in Hamburg ist wunderschön.“