Hamburg. Javarian Smith verkörpert das klassische Dasein eines US-Imports. Am Sonntag startet er mit Hamburgs Football-Team in die ELF-Saison.
Javarian Smith streckt die Zunge raus und verzieht das Gesicht. Stimmt etwas nicht? Doch, alles in Ordnung – aber mit Kohlensäure in seinem Getränk hatte der US-Amerikaner nun wirklich nicht gerechnet. „An Sprudelwasser muss ich mich noch gewöhnen“, sagt der neue Quarterback der Hamburg Sea Devils und lacht, als er mit dem Abendblatt in einem Café in der Hafencity zusammensitzt. Logisch, in seinem Heimatland trinkt man Wasser fast ausschließlich still.
Abgesehen von dem ungewohnten Kribbeln im Mund hat Smith allerdings kaum noch Anpassungsschwierigkeiten in Deutschland. „Das Franzbrötchen war mein erstes Erlebnis in Hamburg, das war direkt nach der Landung am Flughafen ein perfekter Start“, sagt der Neu-Hamburger. „Ich liebe Deutschland, hier ist alles so sauber und aufgeräumt.“
American Football: Sea-Devils-Quarterback kennt Prag aus der Vergangenheit
An diesem Sonntag (14.30 Uhr/ELF Gamepass) startet der 27-Jährige mit den Sea Devils in die neue Saison der European League of Football (ELF). Und das Auswärtsspiel bei den Prag Lions ist für Smith direkt ein besonderes. Im Jahr 2022 waren die Prag Black Panthers die erste Profistation seiner Karriere, das Leben in der tschechischen Hauptstadt die erste große Auslandserfahrung. Einige frühere Mitspieler stehen ihm am Sonntag gegenüber.
„Ich wusste lange Zeit nicht, dass American Football in Europa überhaupt existiert. Jetzt bin ich sehr froh, dass sich die Möglichkeit ergeben hat“, sagt Smith, der in der vergangenen Saison mit den Allgäu Comets die Play-offs der German Football League (GFL) erreichte. „Ich habe den Eindruck, dass das Niveau und die Professionalisierung in der ELF größer ist als in anderen europäischen Ligen. Das ist für mich der nächste Schritt in meiner Karriere.“
Smiths Karriere stand während der Corona-Pandemie auf der Kippe
Dass diese Karriere überhaupt noch mal Fahrt aufnehmen würde, war für Smith lange Zeit fraglich. Am College spielte der gebürtig aus Pontiac im US-Bundesstaat Michigan stammende Athlet für das Lake Erie College in der NCAA Division II, der zweithöchsten College-Spielklasse in den USA. „Es ist natürlich schwerer, aber nicht unmöglich, es als Division-II-Spieler in die NFL oder eine andere große amerikanische Liga zu schaffen. Bei mir war das große Problem, dass direkt nach dem Ende meiner College-Zeit die Corona-Pandemie kam. Ich habe ein Jahr nur individuell trainiert und viele Teams kontaktiert, um meinen Traum nicht aufzugeben“, erzählt Smith.
Über einen seiner College-Trainer entstand dann der Kontakt nach Europa. Es ist der klassische Weg für US-Amerikaner, die es nicht in die Millionenliga NFL oder die noch immer sehr gut bezahlte CFL in Kanada schaffen. Während der Großteil der europäischen Teams aus semiprofessionellen Feierabendsportlern besteht, werden die sogenannten Importspieler als Vollzeitprofis bezahlt und behandelt.
Smith wohnt in einer WG in Hamburg-Horn
Das monatliche Salär eines US-Importspielers bewegt sich dabei im mittleren vierstelligen Bereich, zudem stellt das jeweilige Franchise eine Wohnung. Manchmal gibt es auch noch ein Auto zur freien Verfügung, Smith nimmt in Hamburg aber lieber U-Bahn und Fahrrad. „Ich kannte niemanden von den Sea Devils, bevor ich hier angekommen bin. Ich teile mir jetzt in Horn eine Wohnung mit den Imports Jarvis McClam und Theodor Landström, das macht großen Spaß. Der beste Koch bin aber eindeutig ich“, sagt er und lacht. „Natürlich weiß ich, dass die Erwartungen an mich als US-Quarterback hoch sind. Ich sehe meine Aufgabe aber auch darin, meine Mitspieler besser zu machen. Nur als Gruppe kann man erfolgreich sein.“
Den Kontakt zu den Sea Devils hatte Smith selbst hergestellt. Was in der NFL, wo Generalmanager, Scouting-Abteilungen und Spieleragenten die Transfers häufig unter sich ausmachen und die Profis selbst ohne großes Mitspracherecht von der einen zur anderen Stadt wechseln, undenkbar ist, ist in Europa das ganz normale Importspieler-Geschäft.
Smith bewarb sich selbst bei den Sea Devils
„Nach der vergangenen Saison habe ich mich bei mehreren Teams vorgestellt. Ich habe damals auch den Sea Devils geschrieben, aber zunächst keine Antwort erhalten. Erst als der neue Headcoach Matt Johnson hier unterschrieben hat, hat er sich bei mir gemeldet“, sagt Smith. „Ich habe nur zwei oder drei Gespräche mit den Verantwortlichen benötigt, bis ich mir sicher war, dass ich nach Hamburg kommen wollte. Auch meine Freunde und Familie waren schnell einverstanden.“
Seit Mitte April ist der Quarterback nun in Hamburg. Erst nach dem Saisonende im September kehrt Smith in die USA zurück. „Es ist nie einfach, über Monate von der Familie getrennt zu sein. Wir telefonieren zwar jeden Tag, aber das ist natürlich nicht dasselbe wie ein persönliches Treffen. Meine Freundin und meine kleine Schwester werden mich im Sommer auch für zwei Wochen in Hamburg besuchen. Länger geht es leider nicht, weil meine Freundin berufstätig ist und meine Schwester studiert“, sagt er.
Sea Devils hoffen auf den Play-off-Einzug
Geht es nach Smith, endet die Saison der Sea Devils nicht schon nach der regulären Saison Ende August. Anders als im vergangenen Jahr, als die Hamburger die Play-offs nach zwei Vizemeisterschaften in Folge erstmals verpassten, darf es in diesem Jahr gerne wieder etwas erfolgreicher sein. Team und Trainerstab wurden dafür runderneuert, in Mark Weitz gibt es zudem einen neuen Generalmanager.
„Bei den ersten Trainingseinheiten habe ich nicht gemerkt, dass das Team im vergangenen Jahr nicht so erfolgreich war. Es fühlt sich gerade wie ein großer Neuanfang an“, sagt Smith, dessen Hamburger in der Western Conference auf die Cologne Centurions, Madrid Bravos, Paris Musketeers, Frankfurt Galaxy und Düsseldorf Rhein Fire treffen.
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Ein Nachteil dürfte dabei die schwierige Stadionsituation sein, lediglich das Heimspiel gegen den amtierenden Meister Rhein Fire tragen die Seeteufel am 14. Juli im Volksparkstadion aus. Die anderen fünf Heimspiele der regulären Saison finden im Bremer Weserstadion (2. Juni gegen Paris), an der Lübecker Lohmühle (16. Juni gegen Prag) zweimal in der Hannoveraner Heinz von Heiden Arena (28. Juli gegen Frankfurt und 18. August gegen Köln) sowie zum Abschluss im kroatischen Sibenik (24. August gegen Madrid) statt. Das ständige Reisen ist Smith aber ja glücklicherweise gewohnt.
Am Wochenende beginnt die vierte Saison der European League of Football (ELF), doch schon jetzt steht der Austragungsort für das Finale 2025 fest. Das Championship Game wird im kommenden Jahr in der Stuttgarter MHP Arena ausgetragen, das gab die ELF am Freitag bekannt. 60.058 Zuschauer passen in die Heimstätte des VfB Stuttgart, die Durchführung wird durch eine Kooperation mit dem Fußball-Bundesligisten möglich. Die bisherigen Endspiele fanden in Düsseldorf (2021), Klagenfurt/Österreich (2022) und Duisburg (2023) statt, in dieser Saison wird in Gelsenkirchen in der Arena des FC Schalke 04 gespielt (22. September).