Mönchengladbach. Großflottbeks Torjägerin mit Nationalteam nach 5:0 gegen Irland als Gruppenerster im EM-Halbfinale. Herren kämpfen um Gruppensieg.
Ausschlafen, ein spätes Frühstück genießen, ein bisschen Regenerationstraining absolvieren, ein paar Stunden lesen, um den Kopf vom Sport abzulenken, und sich dann auf das Halbfinale am Donnerstagabend (20 Uhr) gegen Belgien einstellen – das ist der Plan, mit dem Jette Fleschütz in diesen Mittwoch startet.
Im Kampf gegen den Lagerkoller braucht es an spielfreien Tagen bei internationalen Großevents eine gute Routine, und obwohl die Torjägerin vom Großflottbeker THGC mit ihren 20 Jahren noch zu den Jüngeren im Team der deutschen Hockeydamen zählt, hat sie damit Erfahrung.
5:0-Sieg gegen Irland
Nach der EM und den Olympischen Sommerspielen 2021 sowie der WM 2022, die sie als Ersatzspielerin bestritt, ist die EM in Mönchengladbach bereits ihr viertes Turnier für Deutschland. Titelkämpfe im eigenen Land allerdings hat die Jurastudentin, die am Dienstagabend beim 5:0-Sieg im letzten Gruppenspiel gegen Irland, den Sonja Zimmermann (HC Bloemendaal/7., Strafecke), Pauline Heinz (23./Mannheimer HC) und Nike Lorenz (RW Köln/51., 52., jeweils Strafecke) herausschossen, zum Endstand traf (53.), noch nie erlebt.
„Ich habe viel gelernt in den vergangenen zwei Jahren. Aber so eine Atmosphäre wie hier kannte ich noch nicht. Es ist ein großer Unterschied, wenn 9000 Fans nicht gegen dich sind, sondern für dich“, sagt sie. Gerade für Spielerinnen wie sie, die mit ihrer Schnelligkeit und ihren technischen Fertigkeiten für besondere Momente sorgen kann, ist der Applaus des Publikums eine wichtige Währung.
Vertrauen hilft Jette Fleschütz
Wobei die gebürtige Hamburgerin klarstellt, dass ihr das Toreschießen gar nicht so wichtig ist. „Natürlich ist es schön, selber zu treffen“, sagt sie, „aber wichtig ist nur, dass wir überhaupt treffen und gewinnen.“ Sätze sind das, die Trainer gern hören. In der Auswahl von Bundestrainer Valentin Altenburg kann Jette Fleschütz als Paradebeispiel dafür dienen, was Altenburgs Ausrichtung für das Auftreten der gesamten Mannschaft bewirkt.
Seit der Hamburger im Januar 2022 vom Belgier Xavier Reckinger übernahm, legt er sehr viel Wert darauf, dass jede Spielerin ihre individuellen Stärken entfaltet, anstatt sich starr in ein vorgegebenes System pressen zu müssen. „Für mich ist es sehr wichtig, befreit aufspielen und unorthodoxe Dinge machen zu dürfen. Dieses Vertrauen spüre ich total, und das hilft mir enorm“, sagt sie.
Fleschütz bleibt in Großflottbek
Dass eine junge Stürmerin mit ihren Qualitäten für die Bundesliga-Topclubs und auch in den Niederlanden, als EM-Titelverteidiger, amtierender Weltmeister und Olympiasieger das Maß der Dinge im Damenhockey, interessant ist, versteht sich von selbst. Dennoch bleibt Jette Fleschütz auch in der am 9. September beginnenden Saison 2023/24 ihrem Heimatverein Großflottbek treu.
„Ich bin sehr heimatverbunden, mag meine vertraute Umgebung und die damit verbundene Sicherheit“, sagt sie. „Es hat zwar einige Gespräche gegeben, aber am Ende fühlte es sich richtig an, beim GTHGC zu bleiben.“ Druck vom Bundestrainer, den letztjährigen Abstiegskandidaten zu verlassen, gibt es keinen, solange die Leistung im Auswahldress stimmt. Und da hat Jette Fleschütz in den vergangenen 24 Monaten große Schritte gemacht.
Herren gegen Frankreich gefordert
„Ich habe mich an das Tempo gewöhnt, weiß aber auch, dass ich noch viel mehr Erfahrung auf diesem Niveau brauche“, sagt sie. Eine solche wäre, nach dem Viertelfinalaus in Tokio und Rang vier bei der WM ihr zweites EM-Finale zu erreichen – und dort endlich die Niederlande vom Thron zu stoßen und den ersten Titel seit 2013 zu holen.
- Was Nationalspielerin Anne Schröder dem Nachwuchs rät
- Hockey: Zwei Olympiatickets als Ziel für die Heim-EM
- NHL-Star Draisaitl über Hockey-Weltmeister Wellen: „Spielen auf einem Niveau“
„Dafür muss alles passen, aber wir sind als Team so stark zusammengewachsen, dass wir alle es uns zutrauen. Aber noch denken wir nicht an das Finale“, sagt Jette Fleschütz, die nichts dagegen hätte, wenn es zur Routine würde, bei großen Turnieren Titel zu gewinnen.
Bei den Herren war die Erleichterung nach dem 3:0-Sieg über die Niederlande am Montagabend groß. Der von Bundestrainer André Henning betreute Weltmeister, der zum Auftakt 3:3 gegen Wales gespielt hatte, hat es im letzten Gruppenspiel gegen Frankreich an diesem Mittwoch (19.30 Uhr) in der eigenen Hand, Gruppensieger zu werden. „Eine Niederlage wäre aber das Ende des Turniers. Wahrscheinlich ist das ein Druck, den wir gerade brauchen“, sagte Henning.