Mönchengladbach. Der Weltmeister trifft im Halbfinale der Heim-EM auf starke Briten. Mittelfeldroutinier Martin Zwicker erklärt, worauf es ankommt.

Was ihn und seine Mannschaft erwartet an diesem Freitag um 21 Uhr im Mönchengladbacher Hockeypark, dessen ist sich Martin Zwicker bewusst. „Eine körperlich sehr robuste Mannschaft mit einer starken Strafecke, die eine knallharte Manndeckung spielt“, so beschreibt der Mittelfeldspieler vom Bundesligisten Berliner HC die Auswahl Englands, die sich den deutschen Hockeyherren im EM-Halbfinale entgegenstellt.

Trotzdem ist die Vorfreude auf das Duell riesig im Lager des Weltmeisters, der sich am Mittwochabend mit einem 4:1-Arbeitssieg über Frankreich Platz eins in seiner Gruppe gesichert hatte. Zwicker, 36 Jahre alt und mit Abstand der „Senior“ in der Auswahl von Bundestrainer André Henning, ist neben dem Kölner Kapitän Mats Grambusch (30) einer von zwei Spielern, die beim bislang letzten EM-Titelgewinn 2013 schon das Auswahltrikot trugen.

Kontergefahr bei Ballverlusten

Auch auf seine Athletik und Fähigkeiten im Umschaltspiel wird es im Halbfinale ankommen, schließlich lassen die Engländer mit ihrem laufintensiven Defensivsystem ihren Gegnern kaum Zeit zur Entfaltung. „Eine Manndeckung, wie sie sie spielen, birgt die Gefahr, dass man bei Ballverlust schnell in Kontergefahr gerät. Deshalb muss es unser Ziel sein, sie gar nicht erst zur Entfaltung kommen zu lassen“, sagt Zwicker.

Hilfreiche Erfahrung im Hinblick auf das K.-o.-Spiel sammelten die deutschen Herren beim 3:0-Erfolg im zweiten Gruppenspiel gegen Titelverteidiger Niederlande, der ebenfalls Manndeckung spielt und im ersten Halbfinale am Freitag um 18.30 Uhr auf Olympiasieger Belgien trifft.

International mehr Raumdeckung

Obwohl sich im internationalen Hockey die Raumdeckung, die auch Deutschland mittlerweile spielt, durchgesetzt hat, ist Zwicker nicht überrascht darüber, dass zwei der vier Top-vier-Nationen Europas anders agieren.

„Sie machen das, was sie am besten können. Für uns spielt das keine Rolle, wir können uns auf beide Systeme schnell einstellen, auch weil in der Bundesliga noch immer vorrangig Manndeckung gespielt wird. Ich persönlich habe keine Präferenz, wogegen ich lieber spiele, ich mag beide Systeme“, sagt er.

Einer, der sich gegen im Raum verteidigende Defensivreihen wohler fühlt, ist Thies Prinz. Der 25 Jahre alte Angreifer von Rot-Weiß Köln, dem gegen Frankreich sein erstes Turniertor gelang, sagt: „Ich spiele lieber gegen Raumdeckung, weil ich da etwas mehr Freiheiten für mein Spiel habe und Räume sehe, die nicht so offen sind, wenn einem ständig jemand auf die Füße tritt“, sagt er. Dennoch sieht auch er kein Problem darin, sich sogar noch während eines Spiels umzustellen.

Strafeckenquote ausbaufähig

Auf die Variabilität der Offensive, in der auch der gegen Frankreich zum Spieler des Spiels gewählte Mülheimer Timm Herzbruch (26) Zeit brauchte, um ins Turnier zu finden, wird es gegen die Engländer ankommen. Noch wichtiger aber wird sein, die Schwächephasen, die es in allen Gruppenspielen und insbesondere beim Auftakt-3:3 gegen Wales gab, zu minimieren.

„Man kann auf diesem Niveau keinen Gegner 60 Minuten dominieren, aber wir müssen konstant unsere Topleistung bringen“, sagt Bundestrainer Henning. Dazu gehöre auch, in Phasen, in denen der Gegner die Spielkontrolle übernimmt, die eigenen Stärken zu konservieren. „Wir verteidigen hier bislang sehr stark, müssen uns aber von Spiel zu Spiel entwickeln.“ Auch die Strafeckenausbeute – zwei aus zehn gegen Frankreich – ist ausbaufähig.

Team besticht mit starkem Kollektiv

Beim WM-Triumph im Januar in Indien waren die Deutschen im Viertelfinale gegen England fast schon ausgeschieden, ehe der Kölner Tom Grambusch (28) mit zwei Toren in den letzten drei Minuten zum 2:2 ausglich und das Penaltyschießen erzwang, das dann gewonnen wurde.

„Daraus müssen wir mitnehmen, dass wir von Spielbeginn an voll da sein müssen“, sagt Martin Zwicker, der von der kollektiven Stärke des Teams, das die Verantwortung auf viele Schultern anstatt auf wenige Galionsfiguren wie früher verteilt, sehr angetan ist.

„Unsere größte Stärke ist, dass wir nie die Ruhe verlieren, sondern jeder um seine Qualitäten weiß und diese einbringt“, sagt er. Auch deshalb glaubt er fest daran, zehn Jahre nach dem bislang letzten EM-Sieg wieder einen Kontinentaltitel feiern zu dürfen.